Planet Bühnen Bern
Bühnen Bern stehen unter Druck, Transparenz zu schaffen. Wer hat in der komplexen Organisation was zu sagen? Und wer wacht über sie? Eine kleine Lesehilfe.
Milena Daphinoff (Die Mitte), erfahrene Stadträtin und Kulturpolitikerin, hat in den letzten Jahren mehrere Transparenzdebatten über und mit Bühnen Bern geführt. Zuletzt vor vier Jahren, als der damalige Intendant Stephan Märki nach einer geheimgehaltenen Liebesaffäre gehen musste. «Es hat sich bezüglich Transparenz in der Kommunikation nichts geändert. Das kann doch nicht sein», habe sie gedacht, als sie in ihren Herbstferien erfuhr, dass Bühnen Bern die Stadt Bern als Hauptsubventionsgeberin erst nach Medienrecherchen über einen sexuellen Missbrauchsfall am Haus informiert hatte.
In der Stadtratssitzung von vorgestern Donnerstag hat Milena Daphinoff zwei Vorstösse eingereicht, einen davon gemeinsam mit Simone Richner (FDP). «Es ist augenfällig, dass zwischen Stadt und Bühnen Bern die Kommunikationswege nicht funktionieren und die Strukturen versagen», kritisieren die beiden Politikerinnen und verlangen vom Gemeinderat Auskunft, wie er die Situation verbessern wolle. Die Stadt habe zwei Vertreter*innen im Stiftungsrat von Bühnen Bern, sie verstehe nicht, dass die Kommunikationswege trotzdem verstopft seien, sagt Milena Daphinoff: «Die Stadt muss ihnen doch ein klares Pflichtenheft geben.»
«Für die Künstler*innen»
Sie persönlich halte sehr viel von der Kunst, die Bühnen Bern schaffe. Das sei auch ihr Antrieb dafür, sich für mehr Transparenz stark zu machen. «Wir müssen alles tun, damit sich Künstler*innen bei Bühnen Bern sicher und wohl fühlen und sich auf ihre Arbeit konzentrieren können», sagt sie. Transparenz sei ein wichtiger Bestandteil davon. Explizit betont Daphinoff aber, dass nicht nur Bühnen Bern in der Bringschuld stehen, sondern die Stadt in der Pflicht stehe, ihre eigenen Ansprüche einzufordern.
Ironischerweise behandelte das Stadtparlament vor den Sommerferien einen älteren Vorstoss von Daphinoff, in dem sie nach der Affäre Märki eine Evaluation der Strukturen von Bühnen Bern gefordert hatte, um die Transparenz zu verbessern. Der Gemeinderat argumentierte, die Situation habe sich seit damals verbessert, das Parlament überwies die Motion aber trotzdem und beauftragt die Regierung damit, etwas zu unternehmen. «Berechtigterweise, wie sich jetzt zeigt», sagt Daphinoff. Als Präsidentin der interfraktionellen Gruppe Kultur hat sie eine Delegation von Bühnen Bern für nächste Woche zum Austausch eingeladen.
Forderung nach mehr Lohntransparenz
Der politische Druck auf die Führung von Bühnen Bern wächst auch in Bezug auf die Lohntransparenz. Der Öffentlichkeit geben Bühnen Bern im Geschäftsbericht nur die Gesamtentschädigung für die Geschäftsleitung bekannt. In der Spielzeit 2020/2021 haben die damals neun Mitglieder zusammen fast 1,5 Millionen Franken verdient. Wie hoch der Lohn von Intendant Florian Scholz ist, darf die Öffentlichkeit jedoch nicht wissen.
Auf einen Vorstoss der früheren Grossrätin Natalie Imboden (Grüne) hält die Kantonsregierung nun aber fest, sie verlange, dass alle Unternehmen mit über 100 Mitarbeiter*innen, die vom Kanton mitfinanziert werden, für das Jahr 2022 eine Lohngleichheitsanalyse durchführen. Die Ergebnisse dieser Reportings will der Regierungsrat im September 2023 der Öffentlichkeit zugänglich machen, wie er in der Antwort auf Imbodens Vorstoss schreibt, der in der bevorstehenden Wintersession des Grossen Rats behandelt wird. Bühnen Bern gehören explizit zu den Unternehmen, die mitgemeint sind.
Die Rolle des Stiftungsrats
Aber wer genau denkt und lenkt das KMU Bühnen Bern mit seinen 500 Mitarbeiter*innen? Im Fokus der letzten Wochen stand Intendant Florian Scholz, den man als CEO bezeichnen könnte und der den Vorsitz der elfköpfigen Geschäftsleitung innehat, zu der unter anderen die Spartenverantwortlichen Roger Vontobel (Schauspiel), Isabelle Bischof (Tanz), Nicholas Carter, Rainer Karlitschek (Oper) und Axel Wieck (Orchester) gehören.
Bühnen Bern werden von der öffentlichen Hand mit Subventionen von 38 Millionen Franken pro Jahr unterstützt – 18 Millionen von der Stadt, 15 vom Kanton, 5 von den Agglomerationsgemeinden. Geregelt wird dieser Geldfluss in einem Leistungsvertrag. Vertragspartner mit Stadt, Kanton und Regionalkonferenz ist aber nicht Intendant Scholz, sondern der siebenköpfige Stiftungsrat von Bühnen Bern, namentlich Präsidentin Nadine Borter.
Am Stiftungsrat wäre es laut Leistungsvertrag gelegen, die Stadt Bern über die Untersuchung zu informieren, die Bühnen Bern 2021 gegen den Tanzprobenleiter wegen sexueller Belästigungsvorwürfe angestrengt hatte. Dass die Stadt erst vor drei Wochen aus den Medien von den Vorfällen erfahren hatte, kritisierte Franziska Burkhardt, Leiterin von Kultur Stadt Bern gegenüber der «Hauptstadt».
Wer ist der Stiftungsrat?
Wer sitzt in diesem Leitungsgremium von Bühnen Bern, das sich in der Öffentlichkeit und offenbar auch gegenüber den Subventionsgeber*innen so spärlich äussert? Entsprechend der Höhe der Subventionsbeträge bestimmen Stadt, Kanton und Regionalkonferenz vier Mitglieder des Stiftungsrats, diese wiederum bestimmen die restlichen drei mit. Die Stadt als grösste Geldgeberin hat das Recht, das Präsidium zu besetzen.
Das sind die sieben Personen im Stiftungsrat:
Von der Stadt Bern portiert:
Nadine Borter, seit der Saison 2018/19 Stiftungsratspräsidentin, Inhaberin der Werbeagentur Contexta.
Sibyl Matter, seit 2018 Mitglied im Stiftungsrat, Fürsprecherin, unter anderem Stiftungsrätin Progr (Vize-Präsidentin) und Blinden- und Behindertenzentrum Bern. Vorstand Orchester für Alte Musik Bern.
Vom Kanton portiert:
Michael Kaufmann, seit 2020 Mitglied im Stiftungsrat. Bis 2019 Rektor der Musikhochschule Luzern, vorher Vizedirektor Bundesamt für Energie. Ehemaliger SP-Grossrat und Präsident des Trägervereins Interessengemeinschaft Kulturraum Reitschule (Ikur). Mitgründer der Stadtberner Regierungskoalition Rot-Grün-Mitte.
Von der Regionalkonferenz portiert:
Ueli Studer, seit 2018 Mitglied im Stiftungsrat, ehemals Grossrat und alt Gemeindepräsident Köniz (SVP).
Weitere Mitglieder:
Ursula Nold, seit 2018 Mitglied im Stiftungsrat, Präsidentin Migros Genossenschaftsbund, Verwaltungsrätin be advanced, Pestalozzi-Stiftung, WKS Stiftung KV Bern.
Marianne Keller Tschirren, seit 2018 Mitglied im Stiftungsrat, Leiterin Archiv/ Bibliothek/ Forschung Zentrum Paul Klee, zuvor Leiterin Fachstelle Kultur Köniz. Präsidentin Freunde Berner Symphonieorchester, Vorstand Orchester für Alte Musik Bern.
Andreas Walter Reber, seit 2021 im Stiftungsrat, Regionenleiter Bern UBS Switzerland, Mitglied Stiftungsrat The Spirit of Bern, Mitglied Verwaltung Schweizer Reisekasse Reka, Mitglied Rotary Club Bern Bellevue, Mitglied Bärentrust.
Stiftungsrat oder -rätin bei Bühnen Bern zu sein, ist kein lukratives Amt. Ein Honorar erhält gemäss dem Geschäftsbericht 20/21 nur die Präsidentin, im fraglichen Jahr erhielt sie gut 30’000 Franken.
Die Rolle von Kultur Stadt Bern
Gemäss dem Leistungsvertrag ist die Stadt Bern für die Aufsicht und Kontrolle der Vertragserfüllung zuständig und informiert Kanton und Regionalkonferenz. Das bedeutet, dass Kultur Stadt Bern und ihre Leiterin Franziska Burkhardt die wichtigste Aufsichtsinstanz ist. Ihr Wort hat Gewicht.
Als nächstes stehen klärende Gespräche zwischen Stadt, Kanton und Bühnen Bern an. Die Behörden wollen das Geschehene aufarbeiten. Der Moment ist für Bühnen Bern heikel. Die Kulturbotschaft, in der die Verteilung der Subventionen ab 2024 geregelt wird, steht auf der politischen Traktandenliste. Theoretisch ist es möglich, dass die Subventionen ab 2024 gekürzt werden.
Die Rolle des Stadtpräsidenten
In einer besonderen Rolle befindet sich Stadtpräsident Alec von Graffenried (GFL). Einerseits steht er Kultur Stadt Bern, die über die Einhaltung des Leistungsvertrags und damit über die Leistung des Stiftungsrats wacht, politisch vor. Andererseits war es von Graffenried, der per 2018 die Werberin Nadine Borter als Stiftungsratspräsidentin des damaligen Konzert Theaters Bern portiert hat.
Ihr Vorgänger war der frühere SBB-CEO Benedikt Weibel, der sich 2016 in eine Transparenzdebatte mit dem damaligen Stadtpräsidenten Alexander Tschäppät verheddert hatte. Tschäppät sagte öffentlich, er sei sich mit Weibel nicht einig, was das Transparenzverständnis angehe. Das Stadttheater gehöre der Bevölkerung, und das erfordere volle Transparenz, besonders in Konfliktsituationen, aber etwa auch bei den Löhnen, sagte Tschäppät damals.
«Wir suchten eine junge, initiative Frau, die gut kommunizieren kann», hielt Stadtpräsident Alec von Graffenried fest, als Nadine Borter gewählt wurde.
Solch eine Person würde im Moment dringend gebraucht.