Nach Missbrauchsfall: Bühnen Bern unter Druck

Die Stadt Bern will Intendant und Stiftungsrat von Bühnen Bern zur Rede stellen. Der Moment ist heikel: Aktuell befindet sich der Leistungsvertrag ab 2024 in der politischen Debatte.

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Die Medienkonferenz von Bühnen Bern wurde am Donnerstag kurzfristig einberufen. (Bild: Simon Boschi)

Die städtische Kulturbeauftragte Franziska Burkhardt hat aus den Medien von den Missbrauchsvorfällen bei Bühnen Bern erfahren. Gemäss dem Leistungsvertrag, den die Stadt mit der Stiftung Bühnen Bern abgeschlossen hat, wäre die Kulturinstitution aber verpflichtet gewesen, über die Vorfälle und die Untersuchung zu informieren. Doch auf diese Transparenz verzichteten die Verantwortlichen bei Bühnen Bern vor fast eineinhalb Jahren.

Die Stadt Bern ist mit jährlich 18 Millionen Franken Hauptsubventionsgeberin von Bühnen Bern. «Die Stadt Bern wird umgehend ein Gespräch mit Stiftungsrat, Intendant und den Vertragspartner*innen einberufen, um die Sachlage eingehend zu erörtern», sagt Burkhardt. Ein erster Kontakt habe bereits am Donnerstag stattgefunden.

Es braucht mehr Informationen

Kann die Stadt Bern mehr tun als reden? Könnte sie wegen der ausgebliebenen Transparenz von Bühnen Bern auch handeln? Angesprochen auf die Möglichkeit von Sanktionen, die die Stadt Bern als grösste Subventionsgeberin habe, hält Burkhardt nur fest: «Uns liegen zum jetzigen Zeitpunkt nicht genügend Informationen vor, um über Sanktionen zu sprechen.» Wobei sie einräumt, dass es theoretisch möglich wäre, die Subventionen für die nächste Vierjahresperiode ab 2024 zu kürzen. Das sei aber Theorie, wiederholt Burkhardt. «Wie gesagt, liegen uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht genügend Informationen vor, um über allfällige Massnahmen zu sprechen.»

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Bühnen Bern hatten ursprünglich eine Erhöhung der Subventionen beantragt. (Bild: Simon Boschi)

Die städtische Kulturbotschaft für die Periode von 2024 bis 2028, in der auch die Leistungsvereinbarung mit Bühnen Bern integriert ist, war bis zum 21. August in der Vernehmlassung. Derzeit werden die Rückmeldungen gesichtet und je nachdem eingearbeitet. Die Botschaft wird voraussichtlich bis Ende Jahr vom Gemeinderat verabschiedet.

Kredit kommt vors Volk

Gleichzeitig wird der Gemeinderat über die Vierjahresverträge mit denjenigen Kulturinstitutionen entscheiden, die – wie Bühnen Bern – von Stadt, Kanton und Regionalkonferenz gemeinsam finanziert werden. Im Fall von Bühnen Bern ist vorgesehen, den jährlichen Subventionsbetrag um 470’000 Franken zu kürzen. Dies, obschon Bühnen Bern eigentlich eine Aufstockung um fast eine Million Franken beantragt hatten. Die offizielle Begründung: Weil die Stadt insgesamt 1,8 Prozent des Kulturbudgets wegsparen muss, muss auch die grösste Empfängerin bluten.

Ist die Botschaft Ende Jahr durch den Gemeinderat verabschiedet, kann der Stadtrat sie nur noch zur Kenntnis nehmen. Jedoch kann das Parlament über die einzelnen Kredite für Institutionen, die 300’000 Franken übersteigen, befinden. Das heisst: Der Stadtrat könnte theoretisch über die Höhe der Jahressubventionen an Bühnen Bern debattieren. Zudem muss der 18-Millionen-Kredit an Bühnen Bern auch noch vom Volk abgesegnet werden – voraussichtlich am 18. Juni 2023.

Druck aufbauen

Trotz dieser Konstellation bleibt es auf politischer Ebene bisher auffallend still. Es sind ja auch Herbstferien in Bern. Eine, die laut eigenen Worten noch einige Fragen hat, ist Stadträtin Simone Richner (FDP). «Ich bin erstaunt, wie wenig bisher passiert ist», sagt sie. «Diese Vorfälle müssen unbedingt Konsequenzen haben.» Darum versucht sie jetzt bei der rot-grünen Mehrheit zu sondieren, inwiefern auch dort der Handlungsbedarf erkannt worden sei. «Ich hoffe auf eine breite Allianz», sagt die Politikerin, die beruflich als Rechtsanwältin arbeitet.

Sie versuche Mehrheiten zu finden, damit der Stadtrat «zumindest noch ein Zeichen setzen kann, dass es in Bern gegenüber sexuellen Übergriffen eine Nulltoleranz gibt». Einen Einfluss auf den Inhalt der Leistungsverträge werde der Stadtrat vermutlich nicht mehr haben, aber man könne zumindest versuchen, mehr für das Thema zu sensibilisieren und Druck aufzubauen.

Druck hat andernorts schon genützt: Das Béjart Ballet in Lausanne hatte just zu der Zeit, als die Untersuchung in Bern lief, einen Skandal um den künstlerischen Leiter, der cholerisch und beleidigend gegenüber seinen Tänzer*innen gewesen sein soll. Mit der Zeit brachen immer mehr Tänzer*innen ihr Schweigen und es wurden zahlreiche Missstände aufgedeckt. Mittlerweile ist die Aufarbeitung in Lausanne abgeschlossen, eine Person wurde entlassen.

Und auch an der international bekannten Tanz-Akademie Zürich läuft die Aufarbeitung von Diskriminierungsvorwürfen, nachdem dort vor wenigen Monaten mehrere Tänzer*innen an die Medien gegangen waren.

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