BZ/Bund will Lorraine verlassen
Die Berner Tamedia-Redaktion von Bund und Berner Zeitung soll ins neue Bubenbergzentrum am Hirschengraben ziehen. Wohl auch, um Geld zu sparen.
Die nächste Veränderung in der Berner Lokalmedien-Landschaft steht bevor, diesmal räumlich: Die gemeinsame, rund 80-köpfige Lokalredaktion der Tageszeitungen und Online-Portale von Bund und Berner Zeitung soll aus der Lorraine an den Bubenbergplatz zügeln.
«Es ist richtig, dass wir in Bern die Absicht haben, an einen neuen Standort beim Bahnhof Bern zu wechseln», erklärt Philip Kuhn, Kommunikationsverantwortlicher von Tamedia in Zürich, auf Anfrage der «Hauptstadt». Die Berner Redaktion sei kürzlich am Weihnachtsessen darüber informiert worden. «Ziel ist es, mit der Redaktion in einen Neubau am Bubenbergplatz einzuziehen», so Kuhn. Ein konkreter Zeitplan existiere aber noch nicht.
Auf Nachfrage bestätigt Kuhn, dass es sich beim künftigen Bund/BZ-Domizil um das neue Bubenbergzentrum an der Ecke Schanzen-/Bogenschützenstrasse handelt. Es ist ja auch der einzige Neubau im fraglichen Perimeter. Die eine Hälfte des bestehenden Hochhauses wurde in den letzten Monaten abgetragen. Ab 2023 wird es neu aufgebaut.
Im Erdgeschoss ist der neue Bahnhofausgang Richtung Hirschengraben vorgesehen, während darüber wieder ein sechsstöckiges Büro- und Gastrogebäude entsteht. In einen Teil dieser Immobilie, die den SBB gehört, will sich Tamedia einmieten.
Frühestens 2025
Im Juni 2022 kommunizierten die SBB, dass das Bubenbergzentrum nicht wie geplant im Herbst 2024, sondern voraussichtlich erst im März 2025 den Mieter*innen übergeben werden könne. Das dürfte der früheste Zeitpunkt für die Bund/BZ-Züglete sein.
Aber warum will Tamedia die Redaktionen aus dem ihr selbst gehörenden Gebäude am Dammweg abziehen und sich bei den SBB einmieten?
Konkret geht Tamedia-Sprecher Kuhn nicht auf diese Frage ein. Hintergrund des Umzugsplans sei unter anderem, «die Arbeitswelten unserer Journalistinnen und Journalisten den veränderten Anforderungen an das Berufsbild im digitalen Zeitalter anzupassen». Als Beispiel erinnert Kuhn daran, dass Tamedia ihren Zürcher Hauptsitz 2013 vom japanischen Architekten Shigeru Ban in eine Glas-Holz-Konstruktion umbauen liess.
Vom Personal gefordert
Was der architektonische Exkurs konkret für die Tamedia-Pläne in Bern bedeutet, ist im Moment schwer zu entschlüsseln. Auch wenn es der Tamedia-Sprecher nicht erwähnt, dürften finanzielle Überlegungen beim geplanten Umzug eine wichtige Rolle spielen.
Vor der Fusion der Lokalredaktionen von Bund und BZ im Herbst 2021 verhandelten die Personalvertretungen mit Tamedia monatelang über einen Sozialplan. Als Vorschlag, wie man mit Kosteneinsparungen Entlassungen abwenden könnte, brachten die Personalvertreter*innen die Reduktion der Mietkosten, die Tamedia ihren Berner Redaktionen in Rechnung stellt, ins Spiel und schlugen den Umzug in günstigere Büros vor.
Die Tamedia-Spitze versprach damals, alle Möglichkeiten für Kostenoptimierungen zu prüfen. So gesehen dürfte der aufgegleiste Umzug an den Topstandort am Bubenbergplatz aus Sicht der Berner Redaktor*innen auch Vorteile haben.
Verblichene Grösse
Medienhistorisch wird sich mit der Züglete ein Kreis schliessen: In der Umgebung des Hirschengrabens sind zahlreiche Spuren längst verblichener Grösse des Medienplatzes Bern sichtbar.
Einst residierte der 1850 gegründete Bund repräsentativ an der Effingerstrasse im Haus mit dem denkmalgeschützten Türmchen, an dem aus diesem Grund bis heute das Bund-Logo prangt. Im benachbarten Hirschengraben wird mit dem Denkmal für Joseph Victor Widmann exklusiv ein früherer Bund-Feuilletonredaktor geehrt.
Der Bund war ein stolzer Verlag mit eigener Druckerei, der aber schon Anfang der 90er-Jahre in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet und seine Eigenständigkeit verlor. 1994 zog der Bund von der Effingerstrasse ein erstes Mal ins Bubenbergzentrum, in die früheren Büros der Konkurs gegangenen Firma Kleinert, die sich im jetzt nicht abgerissenen Teil des Gebäudes befanden.
Es war ein erster sichtbarer Schritt weg vom alten Selbstbewusstsein. 2008 wurde der defizitäre Bund, inzwischen unter den Fittichen der Tamedia, in die Lorraine im Gebäude der Berner Zeitung einquartiert.
Multimediale Träume
Allerdings wird nun das Medienhaus am Dammweg mit dem geplanten Auszug ebenfalls zum Gebäude, das den harten Aufprall grosser Berner Medienträume auf dem Boden der Realität symbolisiert. Als die Berner Zeitung 1979 gegründet wurde, schlug sie sofort einen Wachstumskurs ein, weil man glaubte, dass Bern nur so im Konkurrenzkampf der Medienbranche nicht aufgerieben würde. 1985 wurde in das Redaktionsgebäude eine dreistöckige Druckerei für die wachsende BZ-Auflage eingebaut.
20 Jahre später investierte der BZ-Verlag am Zentweg auf der Kleinen Allmend 80 Millionen Franken in das heutige Druckzentrum. Das Redaktionsgebäude am Dammweg liess man innen weitgehend aushöhlen. Anstelle der Druckerei wurden TV- und Radiostudios eingebaut.
Der BZ-Verlag Espace Media Group, zu dem damals auch Telebärn und das heutige Radio Bern1 gehörten, glaubte sich mit dem «Multimediahaus», in dem alle Kanäle einander zuarbeiten, gerüstet für das konvergente Internet-Zeitalter.
Wahrlich ein Denkmal
Es kam anders. Das Multimediahaus ist längst zurückgebaut, Telebärn und RadioBern1 gehören dem CH-Media-Verlag. Bund und BZ sind fusioniert und vollständig in Tamedia aufgegangen. Zur Frage, ob die Liegenschaft am Dammweg, in der sich zum Beispiel auch die Redaktionen und Studios von Telebärn, RadioBern1 und der neuen Online-Plattform BärnToday (CH-Media) befinden, nach dem Auszug von Bund/BZ verkauft werden soll, äussert sich Tamedia nicht.
Die städtische Denkmalpflege stuft das Redaktionsgebäude am Dammweg 9 – ein «Betonskelettbau mit vorgehängter Fassade» an «städtebaulich prägnanter Lage an der Ausfallachse des Nordrings» – als erhaltenswert ein. Nach dem Auszug der Bund/BZ-Redaktion wird das Haus nicht nur ein Denkmal der Architektur, sondern auch ein Erinnerungsort alter Berner Medienmacht sein.