Was will uns dieser Kreisel sagen?
K-Ö-N-I-Z. Die Buchstaben auf dem Kreisel in der Nähe des Schwimmbads Weiermatt stehen für mehr als den Ortsnamen, weiss unsere Kolumnistin.
Seit den zehn Geboten ist bekannt, dass Gott gerne mittels schwerer Steintafeln kommuniziert. Es erstaunt deshalb überhaupt nicht, dass auch die Betonbuchstaben auf dem Kreisel zwischen Landorfstrasse und Schulhausgässli von ihm als Botschaft benutzt werden. Als nämlich ein freikirchlicher Pastor den Kreisel mit den grossformatigen K, Ö, N, I und Z auf dem Motorrad passiert – so schreibt der Pastor auf der Webseite –, «fragt mich Gott, ob mich Köniz etwas angehe.» Seither verfügt Köniz über eine eigene freie evangelische Gemeinde, «Fokus Köniz».
Für den Pastor war die Antwort auf die Frage somit Ja. Doch was sagt oder fragt der Kreisel uns?
Anti-Ampeln und Anti-Krieg
Der Kreisel erzählt. Dass Köniz früher «Ampliwil» gerufen wurde und er und zahlreiche andere Kreisel dafür sorgten, dass die Gemeinde Anfang der Nuller-Jahre mit einem vorbildlich verkehrsberuhigten Ortszentrum inklusive sogenannter «Koexistenzzone» glänzen konnte. Und er erzählt, dass er vor 22 Jahren mit einem «Kreiselfest» eingeweiht wurde.
Der Kreisel verurteilt. Nämlich den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Als Zeichen dafür liess er Anfang dieses Jahres den Buchstaben «Z», ein Symbol für die russische Armee, schief stehen. Mutmasslich aufgrund einer Kollision mit einem schweren Fahrzeug. Die Gemeinde von Köniz stellte das «Z» wieder auf. In Sachen Russland-Ukraine bleibt die Gemeinde schliesslich so neutral, dass sie die Bussen gegen «Pussy Riot» aufrechterhält.
Der Kreisel trennt. Obwohl er eigentlich friedliebend ist, trennt er Köniz von Köniz. Von Niederwangen (Gemeinde Köniz) nach Köniz (Gemeinde Köniz) kommend, macht er klar: Das richtige K-Ö-N-I-Z beginnt hier.
Perfekter Insta-Spot
Der Kreisel weist uns den Weg in die Zukunft. Er zeigt, dass die Zeiten des klassischen Journalismus vorbei sind. Damals wurden noch Fotograf*innen ausgeschickt, um Artikel passend zu bebildern. Heute wird für jegliche Beiträge zu Köniz gerne ein Bild des Kreisels benutzt. Sogar, wenn es um andere Könizer Strassenabschnitte geht, muss der Kreisel als Symbolbild hinhalten. Und dies bei einem Medium, das den Sitz im Könizer Liebefeld hat, und zur Illustration der Rubrik «Köniz» einfach ein Foto aus den Redaktionsfenstern schiessen könnte.
Die mediale Zukunft aber, sagt uns der Kreisel, gehört den sozialen Medien. So wie in Köniz werden auch andernorts grosse Buchstaben aufgestellt, zum Beispiel Z-E-R-M-A-T-T oder A-S-C-O-N-A. Begeistert stellen sich Menschen dazu und fotografieren sich für einen Instagram-Post. Ein Trend, den die Gemeinde Köniz offenbar vor Jahrzehnten vorausgeahnt hat. Nur ist der aktuelle Ort nicht gar so fotogen.
Ausserdem rät der Kanton seit ein paar Jahren von beschrifteten Kreiseln ab, weil das im Verkehr zu sehr ablenkt.
Warum den Kreisel also nicht an einen anderen Ort versetzen, vielleicht auf den Gurten oder in den Liebefeld-Park? So könnten Influencer*innen sich an ihn schmiegen; für ein Foto, und um in sich und in ihn hineinzuhorchen: Was will uns der Kreisel sagen?
Annatina Foppa hat als freie Journalistin bei der «Berner Zeitung» ein besonderes Interesse an Köniz entwickelt. Den Beruf hat sie vor Jahren gewechselt, die Faszination ist geblieben. Für die «Hauptstadt» rückt sie monatlich die «Nebenstadt» Köniz ins Zentrum. Das ist ihre letzte Kolumne.