Das Gänseblümchen – tausendschönes Helferlein
Es blüht oft unbemerkt vor sich hin. Dabei lohne sich ein näheres Hinsehen, finden unsere Kolumnistinnen: Das Gänseblümchen sagt Regen voraus und kurbelt Wundheilung und Stoffwechsel an.
Ob auf dem Schulhofrasen in der Lorraine, im Tierpark Dählhölzli oder auf dem Gurten mit Aussicht auf die Dächer der Stadt: Es begegnet uns in allen Strassen und Quartieren der Stadt Bern. Dabei scheint es so wenig wild wie Plüschtiere und ist die absolute Selbstverständlichkeit in Pflanzenform. Ein guter Grund, das Gänseblümchen einmal näher zu betrachten. Denn auch die kleine Blume hat eine Geschichte zu erzählen.
In alten Überlieferungen heisst es: Wer im Frühling die ersten drei Gänseblümchen verspeist, darf sich darauf verlassen, das ganze Jahr vor Fieber und Zahnschmerzen geschützt zu sein. Ebenso kursierte der Glaube, dass Blüten, die am Johannistag, dem 24. Juni, zwischen 12 und 13 Uhr gepflückt und getrocknet wurden, als Glücksbringer dienen.
Das Gänseblümchen wird lateinisch als «Bellis perennis» bezeichnet. «Bellis» bedeutet übersetzt «die Schöne», während «perennis» auf seine Beständigkeit hinweist. So ist das Gänseblümchen denn auch ein mehrjähriges Wildkraut.
Blütenorakel und Kopfschmuck
Beim Zupfen der Blütenblätter der auch Tausendschön genannten Blume versuchten wir als Teenager herauszufinden, ob «er» uns liebte oder nicht. Wenn wir des Zählens leid waren, setzten wir uns stundenlang hin, um Haarkränze aus Gänseblümchen zu flechten und waren glücklich, eine Weile lang eine Blumenkrone zu tragen.
Doch woher stammen die «Gänse» in Gänseblümchen?
Auf Gänseweiden wächst das Blümchen besonders stark und dicht, weil die Gänse die Wiese sehr kurz halten. Dadurch wird die lichtliebende Pflanze zu immer neuem Blühen ermutigt, woraufhin sich ganze Blütenteppiche bilden.
Wer Gänseblümchen mit dem Rasenmäher zu Leibe rückt, sollte wissen, dass gerade das Kurzschneiden des Rasens die Wuchsbedingungen der Pflanze fördert. Ganz so, wie wenn die Gänse den Rasen schnabulieren. Denn in kurz geschnittenem Rasen hat die Konkurrenz – hochwüchsige Wildblumen und überschattende Gräser – keine Chance. Genau das macht das Gänseblümchen glücklich und lässt es umso häufiger erblühen.
Zu finden ist es zu jeder Jahreszeit überall in Mitteleuropa auf Wiesen, an Wegrändern, in Vorgärten und überall sonst, wo es Rasen hat. Selbst Anfang Februar finden wir einzelne Blütenköpfe in den Wiesen des Quartiers. Das Gänseblümchen hört nur bei starkem Frost oder unter einer Schneedecke auf zu blühen. Doch selbst dann finden wir einzelne Blüten an geschützten Ecken von Fassaden.
Um die eigentliche Herkunft der Pflanze ranken sich mehrere Legenden. So soll das Gänseblümchen gemäss der germanischen Mythologie aus dem Zaubergarten von Freya, der Göttin der Liebe und des Glücks, stammen. Eine andere Legende beschreibt die Gänseblümchen als die «Tränen, die Maria auf ihrer Flucht nach Ägypten geweint hat». Die leicht rötliche Färbung der weissen Strahlenblüten komme dabei von ihrem Blut.
Schmerzlindernd und schleimlösend
Auch wenn wir heute nicht mehr an die Wirkung als Glücksbringer glauben, hat das Gänseblümchen einiges zu bieten.
Wenn wir aufmerksam unsere Wege gehen, verrät es uns, wenn Regen im Anmarsch ist. Dann schliessen sich nämlich auch am Tag die Blüten und weisen uns darauf hin, besser einen Regenschirm mitzunehmen.
So klein das Gänseblümchen auch ist, so gross ist seine Wirkung als Heilpflanze. Der Saft, der beim Zerreiben eines frischen Blattes entsteht, lindert den Schmerz von Wunden und lässt sie rasch verheilen. Die gesamte Pflanze wirkt schleimlösend, entzündungshemmend und stoffwechselfördernd. Gerade in Zeiten von Grippe, Corona und Erkältungen können uns ihre Wirkstoffe helfen, lästigen Schleim loszuwerden und das Immunsystem zu unterstützen.
Doch nicht nur das: Die Bitterstoffe regen auch die Verdauung und den Stoffwechsel an und die Gerbstoffe und Flavonoide wirken hautpflegend und lindern Entzündungen und Juckreiz.
Jetzt im Vorfrühling können wir uns mit einem Tee aus Gänseblümchen etwas Gutes tun. Dreimal täglich getrunken haben wir damit eine einfache, stoffwechselfördernde Frühjahrskur.
Dieser blumig schmeckende Tee weckt in uns bereits jetzt schon Frühlingsgefühle. Für die Zubereitung brauchst du lediglich eine Handvoll getrocknete Gänseblümchen-Blüten.
Zutaten (für 5 dl Tee)
1 Handvoll getrocknete Gänseblümchen-Blüten
Optional: 1 TL Honig (oder anderes Süssungsmittel)
Zubereitung
Die frisch gesammelten Gänseblümchen-Blüten kurz mit kaltem Wasser abspülen und mit einem Tuch trocken tupfen. Danach die Blümchen in einem Dörrex bei 40 Grad für ca. 4-5 Stunden trocknen. Allenfalls kannst du sie auch im Backofen trocknen. Klemme dabei einen Kochlöffel in die Ofentüre, damit die Feuchtigkeit entweichen kann.
Für den Tee eine Handvoll Blüten in einen Krug geben und mit heissem Wasser (5dl) aufgiessen. Wir mögen unseren Tee auch gerne mal gesüsst und geben daher noch etwas Honig hinein.
Zu den Personen: Die beiden Bernerinnen Pascale Amez und Melissa Knüsel haben sich während ihrer Ausbildung kennengelernt – und dort auch die gemeinsame Liebe für einheimisch Gewachsenes entdeckt. Daraus ist der Blog Urkraut entstanden. Für die «Hauptstadt» haben sie sich während den letzten zwei Jahren jeden Monat einem anderen Strauch oder Kraut gewidmet. Dies ist die letzte Kolumne ihrer Serie.