Die Folgen der UPD-Sparrunde

Die UPD bauen Angebote ab, viele Menschen verlieren damit ihre Tagesstruktur. Nun hat die Suche nach Anschlusslösungen begonnen.

Holzplatz UPD Bern fotografiert am Donnerstag, 1. Februar 2024 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Mit dem jüngsten Abbau wollen die UPD zwei Millionen Franken pro Jahr sparen. (Bild: Simon Boschi)

Anfang Januar verkündeten die Universitären Psychiatrischen Dienste Bern (UPD), dass sie «gezwungen» sind, aus «wirtschaftlichen Gründen» Angebote abzubauen. Sie streichen Stellen im Sozialdienst, stellen die Unterstützung des Recovery College Bern (RCB) ein und schliessen das Freizeitzentrum Metro und die Werkstatt Holzplatz. Damit sollen pro Jahr zwei Millionen Franken eingespart werden.

Die betroffenen Angebote nehmen vor allem Menschen in Anspruch, die sich nicht oder nicht mehr stationär in der Psychiatrie befinden. Mit dem RCB ist auch ein Präventionsprojekt betroffen. Was bedeuten die Sparmassnahmen für die vier Bereiche und ihre Nutzer*innen?

Holzplatz

Beim Holzplatz verarbeiten aktuell 20 Menschen mit einer psychischen Leistungseinschränkung Holz zu Cheminée-, Ofen- und Anfeuerholz. Ihren Unmut über die Sparmassnahmen malten sie auf Transparente, die nun an den Wänden der erst 2020 neu gebauten Werkstatt hängen: «Alles für d’Chatz», steht dort geschrieben.

«Für die meisten ist der Holzplatz mehr als nur ihre Arbeitsstelle», schreiben dem Holzplatz nahe stehende Personen der «Hauptstadt». Sie möchten lieber anonym bleiben. Er gebe ihnen eine Tagesstruktur und ermögliche soziale Kontakte. Für einige seien bereits Wochenenden oder Ferien ohne den Halt des Holzplatzes eine grosse Herausforderung.

Holzplatz UPD Bern fotografiert am Donnerstag, 1. Februar 2024 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Mitarbeiter*innen des Holzplatzes äussern ihren Unmut mit Transparenten. (Bild: Simon Boschi)

Auch die Öffentlichkeit profitiert vom Holzplatz. Zirka 700 Kund*innen – darunter Private, Restaurants, Saunen und Pfadiheime – beziehen dort Brennholz. «Die Nachfrage nach Brennholz ist sehr gross. Es könnte für viele schwierig sein, einen neuen Anbieter zu finden», so die dem Holzplatz nahe stehenden Personen.

Obwohl die UPD verkündet haben, den Holzplatz per 1. Februar zu schliessen, läuft der Betrieb vorläufig weiter. Wie lange noch, ist unklar. Dafür gibt es inzwischen eine Anschlusslösung für die Mitarbeiter*innen: Sie alle sollen in der Gärtnerei der UPD weiterarbeiten können, so Andrea Adam, Leiterin Marketing und Kommunikation der UPD.

Freizeitzentrum Metro

Im Freizeitzentrum Metro können Menschen mit Psychiatrie-Erfahrung ihre Freizeit verbringen. Es gibt Angebote wie Billardturniere, Qigong-Kurse oder Polittalks. Die Gäst*innen dürfen dort aber auch einfach sich selbst sein, ohne etwas tun zu müssen und finden ein offenes Ohr – bei anderen Gäst*innen oder dem Fachteam. Kostenlos.

Bis am 30. März hat das Metro noch offen. Eine Anschlusslösung für die Gäst*innen ist nicht in Sicht. Denn das Metro, gegründet vor 20 Jahren, ist in der Schweiz einzigartig. Ein vergleichbares Angebot gibt es nicht. Viele Menschen besuchen das Metro jeden Tag. Für sie fällt eine wichtige Alltagsstruktur weg mit der Schliessung.

Die vier Mitarbeiter*innen des Fachteams haben im Januar ihre Kündigung erhalten. Drei der vier Praktikant*innen hatten diese Woche ihren letzten Arbeitstag.

«Es ist ein Desaster», sagen dem Metro nahe stehende Personen der «Hauptstadt». Auch sie möchten lieber anonym bleiben. Im Moment suchen sie Geldgeber*innen, um das Freizeitzentrum weiterführen zu können.

Recovery College

Das Recovery College Bern ist Anfang Februar in sein Frühlingssemester gestartet. Alle Kurse sollen wie geplant stattfinden, hat Projektleiter Gianfranco Zuaboni der «Hauptstadt» mitgeteilt. «Es sind bereits aussergewöhnlich viele Anmeldungen eingegangen, obwohl die Promotion für das Programm erst ansatzweise angelaufen ist», so Zuaboni.

Holzplatz UPD Bern fotografiert am Donnerstag, 1. Februar 2024 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Zirka 700 Kund*innen beziehen Brennholz beim Holzplatz. (Bild: Simon Boschi)

Das RCB bietet Kurse, Seminare und Workshops zu psychischer Gesundheit, psychischen Krisen und selbstbestimmter Lebensgestaltung an. Die Angebote leiten professionelle Expert*innen und sogenannte Expert*innen aus Erfahrung – Personen mit eigenen Krankheits- und Genesungserfahrungen. Die Kurse sind regelmässig ausgebucht. Die Nachfrage nach diesem niederschwelligen Angebot ist also vorhanden.

Bisher sei die Zusammenarbeit mit der UPD immer «sehr gut» gewesen und die UPD habe «einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet», das RCB 2019 zu lancieren, so Gianfranco Zuaboni. Immerhin: Da das RCB auch noch von anderen Geldgeber*innen unterstützt wird, bricht nicht der gesamte finanzielle Rückhalt weg. «Trotzdem sind wir nun gezwungen, nach neuen Finanzierungsmodellen zu suchen.» Aktuell sei das RCB intensiv auf der Suche nach guten Anschlusslösungen. Gerade läuft die Gründung eines Vereins, dessen Zweck es sein wird, das RCB zu betreiben.

Sozialdienst

Auch der Sozialdienst ist vom Sparkurs betroffen. Er unterstützt Patient*innen beim Übergang von einem stationären Aufenthalt in den selbstbestimmten Alltag zuhause. «Die Aufgaben der Sozialen Arbeit in der Psychiatrie brauchen eine ganz besondere fachliche Expertise», so Annina Grob, Co-Geschäftsleiterin von AvenirSocial, dem Berufsverband für Soziale Arbeit gegenüber der «Hauptstadt». Die Aufgaben könnten nicht einfach durch externe Stellen aufgefangen werden. Diese hätten – zum Beispiel im Falle der kommunalen Sozialdienste – eine andere Aufgabe als ein psychiatrieinterner Sozialdienst.

Holzplatz UPD Bern fotografiert am Donnerstag, 1. Februar 2024 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Der Holzplatz-Betrieb läuft vorläufig weiter. Wie lange noch, ist unklar. (Bild: Simon Boschi)

Grobs Ansicht steht in Widerspruch mit der offiziellen Kommunikation der UPD, wonach die eingesparten Angebote von anderen Institutionen auf kantonaler oder kommunaler Ebene angeboten werden könnten.

Und selbst wenn diese theoretisch in die Bresche springen  könnten: «Es ist bekannt, dass die kommunalen Sozialdienste, die Erwachsenen- und Kindesschutzstellen sowie die Anlaufstellen im Kanton Bern bereits seit mehreren Monaten massiv überlastet sind.» Diese Stellen könnten die Folgen des UPD-Stellenabbaus also nicht abfedern. Annina Grob: «Ein Abbau der Sozialen Arbeit ist eindeutig zu kurz gedacht.»

Inzwischen hat sich Widerstand formiert: Zehn Organisationen aus dem Gesundheits- und Sozialbereich wandten sich an den Kanton und machten auf den voraussichtlichen Qualitätsverlust aufmerksam – in einer Situation, die ohnehin schon prekär ist. Am 1. Februar überreichte ausserdem die Gewerkschaft VPOD dem Kommunikationschef der kantonalen Gesundheitsdirektion eine Petition mit 6’500 Unterschriften. Diese fordert den Kanton auf, sofort die nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, um die psychiatrischen Angebote zu erhalten, zu erweitern und die Arbeitsbedingungen zu verbessern.

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Diskussion

Unsere Etikette
Hanspeter Zaugg
09. Februar 2024 um 18:31

Es gibt 5 Dinge die sollten nicht auf Teufel komm raus Gewinne generieren

oder Privatsiert werde.

SBB/Offentlicher Verkehr

Post/sowohl Brief wie auch Paketpost

Wasser/Strom

Gesundheit/Spitäl usw

und zu guter letzt

Oeffentliche Sicherheit dazu gehören Feuerwehr/Polizei

Ein Traum ich weiss doch gerade die Schliessung von relativ niederschwelligen Angeboten im Berreich Psychiatrie uä.

ist fatal und in keiner weise zu rechtfertigen, und einfach nur dum m

"Ich habe fertig" Flasche leer"

Rolf Simon Zaugg
09. Februar 2024 um 13:48

Das GSI unter Schnegg zelebriert schon länger die kurzfristigen Sparübungen auf dem Rücken der Menschen, insbesondere in prekären Lebensumständen - schon 2021 gab es eine Runde in stationären Heimwesen, speziell im Kinder- und Jugendbereich. Beliebt ist die kurzfristig Information über die Massnahmen und die Salamitaktik: jede Budgetsaison wird an einer andere Stelle geschnippelt und gehackt. So wird die Aufmerksamkeit und die Betroffenheit gestreut, um der Bildung eines breiten Widerstands entgegen zu wirken. Die Gefahr: alle sehen es nur als Thema einzelner partikular Interessen und nicht eines gesellschaftlichen Diskurses.

Rolf Simon Zaugg
09. Februar 2024 um 13:43

In diesem informativen und aktuellen Bericht fehlt mir noch etwas historischer Kontext: Wäre es möglich die Motivationen und die Entstehungsgeschichte des Metros und des psych-internen Sozdienstes einer breiteren Öffentlichkeit aufzuzeigen? Beim RCB und den anderen Bereichen ist dies auch wichtig, die zeitliche Distanz jedoch nicht so gross. Wenn auf etwas verzichtet wird, sollte für die gesellschaftliche Entscheidungsfindung jedesmal neben der Frage ''was bringt es jetzt'' auch die Frage gestellt werden wieso ist es entstanden? Beim Fokus auf die erstere Frage besteht die Gefahr das ''Selbstverständlichkeiten und Wechselwirkungen'' übersehen werden. Die zweite Frage hilft zu zeigen welche Lücke damit gefüllt wurde. 1/2

Beat Tautenhahn
09. Februar 2024 um 12:34

Einst wurde in den UPD die Sozialpsychiatrie als ein entscheidender Teil der Psychiatrie erkannt und gefördert. Dies u. a. aus der Erkenntnis heraus, dass psychische Störungen oft nur im sozialen Zusammenhang verstanden und sinnvoll behandelt werden können. Heute wird psychische „Krankheit“ hier offensichtlich nur noch als individuelles Geschehen, das mit Medikamenten zu behandeln ist, verstanden. Zumindest der Verwaltungsrat scheint dies so zu sehen. Und möglicherweise der kantonale Gesundheitsdirektor. Für die Betroffenen ist dies eine Katastrophe. Aber sie können sich ja nicht adäquat wehren. Sie sind ja gegenwärtig keine UPD-„Patienten“, also gehen sie die UPD auch nichts mehr an. Sollen andere schauen. Demontage wirksamer Psychiatrie kann ich das nur nennen!

Markus Troxler
08. Februar 2024 um 16:13

Dass Herr Schnegg den kranken Menschen die Unterstützung entzieht, damit sie gesund werden können, macht absolut keinen Sinn. Einerseits vergrössern die Sparmassnahmen in den UPD das Leid der betroffenen Menschen und andererseits führt es zu Mehrkosten, da die Patienten schneller wieder hospitalisiert werden müssen.

Christoph Bürki
08. Februar 2024 um 13:17

Privatisierung der UPD als AG, ein Erfolgsmodell??? Schlimmer könnte es ja gar nicht kommen: Die Qualität des Kerngeschäfts nimmt von Monat zu Monat ab. Und jetzt werden auch noch die letzten "fakultativen" Angebote weggestrichen. Wer leidet darunter? Die chronisch kranken Patienten, die es auch sonst schon sehr, sehr schwierig haben in einer immer härteren, auf Sparen und Effizienz getrimmten Sozialwelt.