Wahlen 2024

FDP portiert zwei Frauen

Die FDP-Führung schlägt der Partei Stadträtin Florence Pärli oder Co-Präsidentin Chantal Perriard als Kandidatin für den Berner Gemeinderat vor. Co-Präsident René Lenzin erklärt im Interview die überraschende Auswahl.

Portrait der Stadtratätin Florence Schmid für das Online-Medium Hauptsadt, während Stadtratsitzung vom 6.7.2023 in Bern
Stadträtin Florence Pärli Schmid ist eine von zwei Kandidatinnen, welche die Parteileitung den Mitgliedern für die Gemeinderatswahlen vorschlägt. (Bild: Daniel Bürgin)

Bei den Wahlen zur Berner Stadtregierung im November 2024 treten voraussichtlich zwei grosse Listen gegeneinander an. Das Regierungsbündnis Rot-Grün-Mitte (RGM), bestehend aus SP, Grünem Bündnis (GB) und Grüner Freier Liste (GFL) wird von der Liste «Gemeinsam für Bern» herausgefordert, zu der sich die Parteien GLP, EVP, Mitte, FDP und SVP zusammenschliessen wollen. In den letzten zwei Wochen ist klarer geworden, welche Kandidat*innen die Parteien auf die jeweiligen Listen setzen werden.

Bei Rot-Grün-Mitte sind folgende Politiker*innen im Rennen:

Auf der Liste «Gemeinsam für Bern» könnten bald folgende Kandidatinnen stehen:

Bei der FDP rechneten viele mit einer Kandidatur von Grossrätin Claudine Esseiva. Diesen Freitag kommunizierte die Partei nun zwei andere Namen. Die Findungskommission schlägt der Parteiversammlung vom nächsten Montag Stadträtin Florence Pärli Schmid oder Co-Präsidentin Chantal Perriard als Kandidatin vor. Co-Präsident René Lenzin erklärt im Interview mit der «Hauptstadt» die überraschende Auswahl und den Verzicht von Esseiva.

Rene Lenzin fotografiert am Donnerstag, 18. Januar 2024 in Bern. (VOLLTOLL / Simon Boschi)
«Wir präsentieren zwei starke Kandidatinnen mit einem unterschiedlichen Profil» sagt René Lenzin, Co-Präsident der FDP Stadt Bern. (Bild: Simon Boschi)

Herr Lenzin, Sie schlagen für die Gemeinderatswahlen zuhanden der Parteiversammlung vom nächsten Montag zwei Kandidatinnen vor. Warum bieten Sie diese Auswahl?

René Lenzin: Es ist erfreulich, dass wir zwei starke Kandidatinnen mit einem unterschiedlichen Profil präsentieren können. Darum geben wir den Mitgliedern eine Auswahl. Wir sind schliesslich die Partei des Wettbewerbs. Und Wettbewerb belebt auch die Demokratie.

Was qualifiziert Stadträtin Florence Pärli Schmid für die Stadtregierung?

Sie hat in den letzten drei Jahren im Parlament ein starkes Profil entwickelt und insbesondere in finanzpolitischen Themen, die für die FDP und die Stadt zentral sind, Akzente gesetzt. Sie wurde mit ihren nur 33 Jahren schon zur Präsidentin der Fraktion FDP/JF gewählt, was für ihren politischen Führungswillen spricht.

Bei den letzten Bundesratswahlen wurde ein 40-jähriger Kandidat als jung bezeichnet. Warum portieren Sie eine 33-jährige Kandidatin?

Primär ist die Qualifikationen und nicht das Alter entscheidend. Aber es ist auch gut für die Politik, wenn auch jüngere Personen für solche Ämter antreten.

Warum wäre aus ihrer Sicht Chantal Perriard eine gute Gemeinderätin?

Sie engagiert sich mit Leib und Seele für die Stadt Bern – als Vizepräsidentin in der Sozialhilfekommission oder in der Quartierkommission. Und seit einem Jahr auch als Co-Präsidentin der FDP Stadt Bern. Diese Erfahrung und dieses Engagement qualifizieren sie für das Amt als Gemeinderätin.

Rene Lenzin fotografiert am Donnerstag, 18. Januar 2024 in Bern. (VOLLTOLL / Simon Boschi)
«Claudine Esseiva hat schweren Herzens auf eine Kandidatur verzichtet, primär aus beruflichen Gründen», erklärt Lenzin. (Bild: Simon Boschi)

Eigentlich rechnete man mit einer Kandidatur von Grossrätin Claudine Esseiva, mit der die Partei auch im Gespräch war. Warum tritt sie nicht an?

Sie hat am Ende schweren Herzens auf eine Kandidatur verzichtet, primär aus beruflichen Gründen. Sie hat sich selbständig gemacht und ihre Agentur läuft sehr gut. Zusammen mit ihrem Grossratsmandat gab das für sie ein Paket, das für sie derzeit stimmiger ist als eine Gemeinderatskandidatur.

Auch mit Grossrat Christoph Zimmerli waren Sie im Gespräch. Warum ist er nun nicht auf der Liste?

Er machte private und berufliche Gründe geltend, die wir nachvollziehen können und auch respektieren.

Setzen sie bewusst auf eine weibliche Kandidatur oder ist das Zufall?

Der parteiinterne Prozess war transparent und das Geschlecht spielte keine Rolle. Ich freue mich aber, dass wir zwei starke Frauen präsentieren können. Zumal wir in der Stadt Bern zur Kenntnis nehmen müssen, dass Frauen generell eine hohe Wahlchance haben. Die SP-Männer können davon ein Lied singen.

Die beiden Kandidaturen sind überraschend und wirken wie eine Verlegenheitslösung. Wurden Sie von Esseivas Rückzug überrascht?

Nach den ersten Gesprächen spürten wir, dass Claudine Esseiva stark mit sich ringt, zu entscheiden, welchen Weg sie gehen will. Wir haben die Suche daher von Anfang an breit angelegt und kommen nun mit zwei Frauen, die das Amt bestens ausfüllen können. Das sind sicher keine Verlegenheitskandidaturen.

Die FDP gehörte früher fix zur Stadtregierung, flog aber vor acht Jahren raus. Rechnen Sie sich gute Chancen auf einen Sitz aus?

Wir haben stets gesagt, dass das oberste Ziel ein zweiter Sitz für Mitte-Rechts ist. Mit der gemeinsamen Liste von GLP bis SVP ist es auch realistisch, dieses Ziel zu erreichen. Selbstverständlich setzen wir nun alles daran, dass einer dieser Sitze an die FDP geht.

Warum ist es wichtig, dass Mitte-Rechts in der Stadtregierung zwei Sitze erreicht? Was würde anders werden?

Erstens sind 40 Prozent der Wähler*innen derzeit nur mit einem von fünf Sitzen im Gemeinderat vertreten. Zweitens braucht die Regierung dringend ein bürgerlicheres Profil, insbesondere in der Finanz- und Wirtschaftspolitik.

Rene Lenzin fotografiert am Donnerstag, 18. Januar 2024 in Bern. (VOLLTOLL / Simon Boschi)
«Wir werden mit einem geeinten Auftritt und einem starken Engagement versuchen, den Negativtrend der FDP zu brechen», sagt Parteipräsident Lenzin. (Bild: Simon Boschi)

Auf der geplanten Mitte-Rechts-Liste «Gemeinsam für Bern» ist der Konkurrenzkampf um die möglichen zwei Sitze gross. Die GLP könnte mit Nationalrätin Melanie Mettler antreten und die Mitte hat mit Béatrice Wertli eine erfahrene Wahlkämpferin nominiert. Warum holt die FDP dennoch einen Sitz?

Weil wir die Wähler*innen mit einer starken Kandidatin, einem guten Programm und einem engagierten Wahlkampf überzeugen werden.

Die FDP schnitt bei den Nationalratswahlen in der Stadt Bern aber sehr schlecht ab. Wie wollen Sie im Herbst diesen Abwärtstrend stoppen?

Die beiden Wahlen sind nicht direkt vergleichbar. Aber wir können den Negativtrend nicht leugnen. Wir werden mit einem geeinten Auftritt und einem starken Engagement nahe bei den Sorgen und Wünschen der Wählerinnen und Wählern versuchen, den Trend zu brechen. Wir streben auch bei den Stadtratswahlen Sitzgewinne an.

Der FDP-Regierungsrat Philippe Müller hat diese Woche mit seinen kleinlichen Spesenabrechnungen der Partei einen unschönen Dienst für den Wahlkampf erwiesen. Wie ärgerlich ist das?

Man kann sich grundsätzlich schon die Frage stellen, ob Regierungsräte mit einer Spesenpauschale Kleinstbeträge geltend machen sollen. Wenn ich nun aber die Berichterstattung der Berner Medien zu Rate ziehe, hat eher der «Kassensturz» ein Problem als der Berner Regierungsrat. Es geht um kleine Fälle aus den Jahren 2018 und 2019, die von der SRF-Sendung massiv aufgeblasen wurden. Und Müller hat ja zugegeben, dass Fehler passierten.

Die grosse Liste «Gemeinsam für Bern» ist noch nicht gesichert. Was passiert, wenn die Mitgliederversammlung der GLP Nein sagt.

Ich bin zuversichtlich, dass die Liste zustande kommt. Wenn sie dennoch scheitern sollte, würden wir eine Liste mit der Mitte und der SVP anstreben.

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Diskussion

Unsere Etikette
Peter Birrer
22. Januar 2024 um 15:25

Die Spesengeschichte der Berner Regierung darf nicht überbewertet werden. Es geht nicht um die geringen Beträge und irgendwelche Bananen, die als Spesen abgerechnet wurden, sondern um die Gesinnung, die durchschimmert. Das ist gerade für die FDP und die SVP etwas peinlich. Den sich aufblähenden Staat schelten, auch zu Recht, aber bei der erstbesten Gelegenheit sfr. 1.45 abrechnen. Deshalb kann ich das Ablenkungsmanöver von René Lenzin verstehen. Das Problem auf die Medien auszulagern versuchen - und vom eigenen Regierungsrat wegnehmen. C'est la dernière sortie