Ferienträume in der grossen Halle

Warum in die Ferne schweifen? Auf dem Bernexpo-Gelände findet derzeit die Ferienmesse statt. Ein Besuch.

Reisen ans andere Ende der Welt? Ja. Aber an der Ferienmesse gibt es auch lokale Angebote.
Reisen ans andere Ende der Welt? Ja. Aber an der Ferienmesse gibt es auch lokale Angebote. (Bild: Marion Bernet)

Draussen regnet es ohne Unterlass. Es ist ein Wetter, dem man möglichst rasch entfliehen möchte. Kalt und garstig. Wie gut, dass inmitten der warmen, beheizten Räume des Bernexpo-Geländes Palmen stehen. Das sind ideale Bedingungen, um Ferienstimmung aufkommen zu lassen. In diesen Tagen findet in Bern die jährliche Ferienmesse statt.

Strandfeeling wird an der Messe verbreitet - beim Eingang und insbesondere im Themenbereich «Meer & Mehr».
Strandfeeling wird an der Messe verbreitet, insbesondere im Themenbereich «Meer & Mehr». (Bild: Marion Bernet)

An diesem Morgen hat die Messe gerade erst begonnen. Die Besucher*innen trudeln vereinzelt ein, anstehen und warten muss man selten. Dennoch gibt es bereits an mehreren Ständen Gespräche zwischen Mitarbeitenden und Besuchenden. Auffallend viele Paare sind hier, die meisten wohl über 40 Jahre alt.

Zwei Besucher*innen sind extra aus la Chaux-de-Fonds angereist. «Wir wollen uns inspirieren lassen», sagen sie. Die Ferien will das Paar ohne Reiseagentur buchen, aber die aufgelegten Prospekte nimmt es gerne mit. Eine weitere Besucherin erzählt, dass sie bereits öfters an der Messe war und hier auch schon Reisen gebucht hat. «Ich mag es, dass direkt auf individuelle Anliegen eingegangen werden kann», sagt sie. Die Messe sei in diesem Jahr aber kleiner als auch schon. «Es gibt vor allem Stände und Wettbewerbe, früher gab es noch mehr Attraktionen.»

An mehreren Drehrädern kann man sein Glück versuchen. Die Aussteller verteilen oft Gutscheine und Rabatte, um die Verkäufe anzukurbeln.
An mehreren Drehrädern kann man sein Glück versuchen. Die Aussteller verteilen oft Gutscheine und Rabatte, um die Verkäufe anzukurbeln. (Bild: Marion Bernet)

Die Halle ist in mehrere Themenbereiche aufgeteilt: Entsprechend vielseitig ist das Angebot: Man kann sich über Wanderausflüge von Bern nach Münsingen informieren, Reisen und Sprachaufenthalte in klassischen Feriendestinationen buchen, aber auch Expeditionen in die Antarktis werden angeboten. Ein älteres Ehepaar interessiert sich für das Angebot einer Fussballschule - für ihre Enkel.

In einem eigenen Bereich kann man die Camping-Fahrzeuge austesten.
In einem eigenen Bereich kann man die Camping-Fahrzeuge austesten. (Bild: Marion Bernet)

Beim Eintreten in die nächste Halle fühlt man sich wie in einer Garage. Das kommt nicht von ungefähr, hier sind Dutzende Fahrzeuge ausgestellt. Mehrere Reiseunternehmen – mit AFA, der Automobilverkehr Frutigen-Adelboden AG ist auch ein lokales darunter – stellen ihre Cars und Reiseangebote aus. Jene, die lieber individueller verreisen möchten, können sich bei der Campingabteilung beraten lassen und die Fahrzeuge besichtigen. Wer nicht gleich einen Camper kaufen möchte, kann die meisten Modelle auch mieten. 

Thema Umweltverträglichkeit

Und wie sieht es bezüglich Nachhaltigkeit aus? Stände von Flughäfen, die Flüge ins nahe Ausland anbieten oder Kreuzfahrt-Anbieter, die in einem fast halbstündigen öffentlichen Vortrag das Wort Nachhaltigkeit nicht erwähnen, lassen daran zweifeln. 

Dennoch gibt es auch Angebote, die mit umweltfreundlicher Anreise punkten. Gerade, wenn es Berg-Destinationen im Inland und das nahe Ausland betrifft. Eine Standmitarbeiterin erzählt, dass man allgemein in Reisebüros immer öfter auf Nachhaltigkeit achte. «Klar, wir verkaufen es. Aber trotzdem versuchen wir, Reisen vertretbar zu verkaufen. Wann immer möglich, schlagen wir zum Beispiel den Zug für die Anreise vor», sagt Leonie Thür, die bei Traveltrend arbeitet.

An der Ferienmesse gibt es Reisen rund um die Welt. Auch in die Arktis und Antarktis.
An der Ferienmesse gibt es auch Reisen in die Arktis und Antarktis. (Bild: Marion Bernet)

Ein weiterer Stand wirbt mit einem Logo der Sustainable Development Goals (SDGs). Auf Nachfrage verweist eine Standmitarbeiterin auf den Katalog. Dort steht das Versprechen, dass sich das Unternehmen für eine nachhaltige Entwicklung in der Reisedestination engagiere. Neben dem Einsatz für Kulturerhalt und Inklusion von indigenen Völkern möchte man sich in den Reisedestinationen zum Beispiel auch für Gleichstellung, Barrierefreiheit, Tierschutz und Biodiversität einsetzen.

Interessanterweise werden auch in jenem Katalog viele Reisen mit dem Flugzeug angeboten. Auch wenn jeweils auf den freiwilligen Klimaschutzbetrag hingewiesen wird, könnte man eigentlich an viele Orte, darunter Dänemark und Südschweden, auch mit einer längeren Zugfahrt reisen. Inwiefern die Betreiber also konsequent auf Nachhaltigkeits-Aspekte achten, lässt sich nicht abschliessend sagen.

Thema Overtourismus

Und dann gibt es noch einen Stand, der der Traum jedes nicht so mutigen Individualreisenden sein müsste: Er wirbt für Reisen in Kleingruppen abseits des Massentourismus. Standbetreiber Thomas Wiser erzählt, dass er ein paar Jahre lang Reiseleiter in einem grösseren Betrieb war. Seit 2008 bieten er und seine Frau als Inhaber und Reiseleiter ausschliesslich vier Reiserouten in vier asiatischen Ländern an. 

Auch in diesen Destinationen gibt es Massentourismus. «Aber wir vermeiden die Touri-Hotspots um jeden Preis und besuchen lieber authentische und etwas abgelegenere Orte», sagt Thomas Wiser. So leitet er zum Beispiel in Kambodscha keine Ausflüge nach Angkor Wat, sondern führt durch andere, weniger bekannte Tempelanlagen in der Gegend. Auch weitere Geheimtipps wie abgelegene Buchten möchte er den Gästen zeigen. 

Beim Reisen übt jeder Mensch einen Einfluss auf Natur und Einheimische aus. Um diesen Einfluss zu minimieren, bietet Wiser Reisen nur in Kleingruppen an und sagt über das Familienunternehmen: «Wir können und möchten auch nicht wachsen. Denn dann würde unser Angebot schlechter.»

Thomas Wieser freut sich über die Begegnungen mit den Besucher*innen.
Thomas Wieser freut sich über die Begegnungen mit den Besucher*innen. (Bild: Marion Bernet)

Mittlerweile ist später Nachmittag. Beim regionalen Wanderverein «Berner Wanderwege»  zeigt man sich erfreut über den ersten Messetag. Der Verein konnte bereits viele neue Mitglieder dazugewinnen. Offensichtlich suchen die Messebesucher*innen Entspannung und Feriengefühl nicht nur in der Ferne.

Es sind versöhnliche Gedanken, die einem aus diesem Kurzausflug rund um die Welt entlassen. Immerhin regnet es draussen mittlerweile nicht mehr. Auch hier gibt es ein bisschen Sonne.

Hauptsachen-Talk zum Thema Tourismus

Wer sich intensiver mit dem Thema Tourismus beschäftigen möchte, ist herzlich eingeladen an den nächsten Hauptsachen-Talk. Dieser findet am Mittwoch, 29. Januar 2025 im Progr statt. Zu den Phänomen Overtourismus und Nachhaltiges Reisen diskutieren:

  • Vanessa Bay, PR-Expertin und VR-Präsidentin von Travelnews, dem wichtigsten Schweizer Branchenmagazin für Reisen.
  • Maja Haus, Autorin des Buchs «Closeby», das sich mit nachhaltigem Reisen auseinandersetzt, und Verantwortliche Initiativprojekte bei den Grünen Schweiz.
  • Karl Näpflin, Gemeindepräsident von Lauterbrunnen, Betroffener und Manager von Touristenströmen.
  • Manuela Angst, CEO von Bern Welcome, bemüht um Balance zwischen Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit am Tourismusstandort Bern.

Moderiert wird das Gespräch von Nicolai Morawitz, Redaktor bei der «Hauptstadt».

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