Steilpass aus Biel
Die Gassmann Groupe in Biel kauft dem Aargauer Verlag CH Media den TV-Sender Telebärn und Radio Bern1 ab. Das ist Teil einer Ausbaustrategie: Gassmann will publizistisch im ganzen Kanton mitreden.
Stefan Niedermaier war von 2005 bis 2010 CEO des Fussballclubs Young Boys. Er kennt sich aus mit Steilpässen und Offensivstrategien. Inzwischen ist er gemeinsam mit dem Walliser Unternehmer Fredy Bayard Eigentümer der Gassmann Groupe in Biel, die unter anderem das Bieler Tagblatt und die Online-Plattform ajour herausgibt. Und in dieser Rolle als Medienunternehmer spielt er nun einen sehr entschlossenen Steilpass.
Am Donnerstag gab der Gassmann Verlag bekannt, dass er die bernischen Aktivitäten des Aargauer CH-Media-Verlags übernimmt. Bei den bernischen Aktivitäten handelt es sich um den TV-Sender Telebärn sowie den Radiosender Bern1, der 1983 als Radio extraBE zu senden begann und später in Radio CapitalFM umbenannt wurde.
Über den Preis für die Übernahme der beiden Lokalmedien haben CH Media und Gassmann Stillschweigen vereinbart, wie Stefan Niedermaier auf Anfrage festhält. Hingegen spricht Niedermaier Klartext, was die strategischen Überlegungen hinter der Expansion sind: «Wir wollen als unabhängiges Medienhaus zu einer publizistischen Stimme werden, die den ganzen Kanton erreicht.» Damit stärkt Gassmann seine Position gegenüber den kantonalen Platzhirschen Bund und Berner Zeitung, die allerdings aus Zürich vom Tamedia-Verlag gesteuert werden.
Biel im Zentrum
«Unsere Identität ist in Biel verankert, und das bleibt auch so, inklusive Zweisprachigkeit», sagt Niedermaier. Diese Woche hat die Gassmann Groupe zwar den französischsprachigen Titel «Journal du Jura» und Radio RJB an neue Eigentümer verkauft, beide Redaktionen bleiben aber im Haus der Gassmann Medien, die redaktionelle Zusammenarbeit werde weitergeführt.
Unverdrossen kämpft die Gassmann Gruppe laut Niedermaier auch weiterhin um die Konzession für das zweisprachige Telebielingue. Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) hat die Bieler Konzession per 2026 für Gassmann nicht mehr erneuert, sondern an Canal B vergeben, der von evangelikal orientierten TV-Machern aus Neuenburg verantwortet wird. Der rechtsgültige Entscheid liegt noch nicht vor.
Klar sei aber, sagt Stefan Niedermaier, dass Telebärn nicht als allfälliger Ersatz für Telebielingue erworben worden sei. Sondern als wichtiger Baustein der neuen, kantonsweiten Strategie. Gassmann übernehme sämtliche Mitarbeitenden von CH Media in Bern und auch wichtige Teile der bestehenden Sendestruktur, Live-Formate zum Beispiel.
Der weite Weg von Telebärn
Weil das Uvek den Handel zwischen CH Media und Gassmann noch absegnen muss, ist im Moment nicht klar, wann das neue Setting operativ wird. Fest steht aber, dass der Weg von Telebärn durch die Berner Medienlandschaft eine neue Abzweigung nimmt. Gegründet wurde der TV-Sender 1995 von der Berner Tagblatt AG von Charles von Graffenried, die damals einzig die Berner Zeitung herausgab.
Von Graffenried nahm zuerst zusätzlich die serbelnde, aber noch eigenständige Tageszeitung Bund unter seine Fittiche, ehe er 2007 das ganze Berner Medienpaket an Tamedia verkaufte. Telebärn wie Radio CapitalFM gehörten auch zu diesem Paket. In einem Euphorieschub baute Tamedia das Redaktionsgebäude der Berner Zeitung aufwändig zu einem Multimediahaus um. Ein vertikaler Durchbruch innerhalb des Hauses verband die Redaktionen von TV, Radio, Print und online.
Doch 2011 stiess der Zürcher Verlag die elektronischen Medien ab – und CH Media erwarb sich ein Standbein in der Hauptstadt. Das gibt der Aargauer Verlag nun mit dem Verkauf an die Gassmann Groupe wieder auf.
Die Bieler Verleger Niedermaier und Bayard erweitern mit dem Deal logischerweise auch ihr Einzugsgebiet auf dem Werbe- und Sponsoringmarkt. Stefan Niedermaier hebt vor allem die Befruchtung der Medienvielfalt hervor: «Wir investieren in den Berner Lokaljournalismus.»
Er kann sich vorstellen, in Bern eine Art «Gassmann Hub» aufzubauen. Niedermaier denkt beim Thema Medienvielfalt zwar an Politik und Gesellschaft, aber auch an Sport – zum Beispiel an eine neue Berichterstattung über den Fussball von YB.
Das wäre dann der Super-Steilpass des ehemaligen YB-CEO.
Transparenzhinweis: Die «Hauptstadt» hat seit 2025 einen redaktionellen Austausch mit der Gassmann Media, einzelne Artikel der «Hauptstadt» erscheinen auch im Bieler Tagblatt und auf ajour.ch.