Gewerkschaft kritisiert Gemeinderat

Der Gemeinderat hat das Konzept für Abfallentsorgung mit Containerpflicht gestoppt. Die Gewerkschaft VPOD fordert, der Volksentscheid müsse umgesetzt werden: Man habe eine Fürsorgepflicht für die Angestellten.

BEKB fotografiert am 03. Oktober 2022 in Bern für die Hauptstadt. (simonboschi.ch / hauptstadt.be)
«Wir haben kein Verständnis, dass man die Gesundheit von Menschen weniger hoch gewichtet als das Stadtbild oder parkierte Autos», sagt VPOD-Sekretär Michel Berger. (Bild: Simon Boschi)

Vor einer Woche hat SP-Gemeinderätin Marieke Kruit kommuniziert, dass die geplante Containerpflicht bei der Kehrichtabfuhr in der Stadt Bern nicht umgesetzt wird. Dies, obwohl die Vorlage 2021 vom Stimmvolk angenommen wurde. Das zentrale Argument der SP war damals: der Arbeitnehmerschutz. Ohne Container müssten Belader*innen von Kehrichtfahrzeugen die Kehrichtsäcke in den Lastwagen heben. Das führe zu Gesundheitsschäden. 

Jetzt sind die Pläne geplatzt. Weil die Stadt die Kehricht-Container wegen rechtlichen Problemen mit einem Stadtbild-Paragrafen in der Bauordnung nicht überall einsetzen will, müssen Belader*innen also weiterhin täglich tausende Säcke hieven. Die Gewerkschaft VPOD kritisiert das.

«Wir haben kein Verständnis, dass man die Gesundheit von Menschen weniger hoch gewichtet als das Stadtbild», sagt VPOD-Sekretär Michel Berger zur «Hauptstadt». Offenbar wolle die Politik eine «Ballenberg-Stadt» pflegen. «Vorgärten sind in Bern wichtiger als die Gesundheit der Arbeitnehmenden.» Er sei skeptisch, ob diese Missachtung des Gesundheitsschutzes verfassungskonform sei. Denn der Gemeinderat habe eine Fürsorgepflicht. «Für uns ist die Containerpflicht nicht vom Tisch», sagt Berner. «Sie wurde vom Stimmvolk beschlossen und sollte umgesetzt werden.»

Rücken- und Gelenkbeschwerden

Sie sei noch immer die beste Lösung, weil sie das Problem langfristig beseitige. Berger bezweiflet, dass sich der Gemeinderat bewusst sei, welche Konsequenzen diese Nicht-Umsetzung der Containerpflicht für die Belader*innen habe. «Das Gewicht der Kehrichtsäcke und die hohe Anzahl Hebebewegungen sind eine extreme Belastung, die unter anderem zu Rücken- und Gelenkbeschwerden führt.»

Die Gewerkschaft VPOD sei mit der zuständigen Direktion von Marieke Kruit im Gespräch, um möglichst viele Container umzusetzen. Der VPOD fordert, dass man die Belastung der Belader*innen weiter senke. «Sollte die Containerpflicht wirklich nur teilweise umgesetzt werden, braucht es weitere Massnahmen», sagt Berger. Bei schweren Arbeiten müsse man die Arbeitszeit verkürzen und die Idee einer früheren Pensionierung von körperlich- und psychisch schwer belasteten Arbeitnehmenden wieder aufnehmen. 

Belader*innen arbeiten heute 40 Stunden die Woche und gehen mit 63 Jahren in Pension. Zum Vergleich: Auf dem Bau gehen Arbeiter*innen mit 60 Jahren in Pension.

«Als Gewerkschaft wollen wir aber lieber die schwere Arbeit beseitigen, als Arbeitnehmer*innen zu entschädigen», sagt Berger. Zudem müsse man sich verstärkt auf technische Lösungen fokussieren. In Stockholm zum Beispiel  werde bei Neubauquartieren eine Entsorgung über ein Röhrensystem eingebaut.

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Diskussion

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Ruedi Muggli
27. April 2024 um 10:30

Sicher kein Scherbenhaufen. Sondern ein klassischer Zielkonflikt. Dass alle Interessengruppen via Medien Druck aufbauen, ist wenig erstaunlich. Vielenorts scheinen Container möglich und sollten durchgesetzt werden.