Super-Tuesday bei den Grünliberalen
Die Grünliberalen schicken Nationalrätin Melanie Mettler (46) ins Rennen um einen Sitz in der Berner Stadtregierung. Das war ein Grund für die Partei, sich selbst zu feiern.
2008 traten die Grünliberalen erstmals zu den städtischen Parlamentswahlen an und holten 5 Stadtratssitze (von 80). Nach mehreren gescheiterten Versuchen will die GLP, inzwischen die drittstärkste Partei in der Stadt Bern, nun am 24. November 2024 einen Sitz in der fünfköpfigen Stadtregierung holen. «Wir dürfen es auf keinen Fall vermasseln», sagte GLP-Stadträtin Gabriela Blatter am Dienstagabend an der ausserordentlichen Mitgliederversammlung, «denn der Preis, den wir zahlen, ist hoch.»
Der hohe Preis, den Gabriela Blatter ansprach, ist die breite Mitte-Rechts-Liste «Gemeinsam für Bern», auf der die GLP zusammen mit EVP, Mitte, FDP und SVP für die Gemeinderatswahlen antritt. Das Risiko des Zusammenspannens mit Rechtsaussen muss sich für die GLP auszahlen, am liebsten in zweifacher Form: Erstens als erster GLP-Sitz in der Stadtregierung. Und zweitens als Ende der 4:1-Regierungsmehrheit von Rot-Grün-Mitte, also mit einem zweiten Sitz für die Mitte-Rechts-Liste.
Anfeuerung inklusive
Dass es für die GLP in den nächsten Monaten um sehr viel geht, zeigte sich an der Mitgliederversammlung, an der die Kandidatin bestimmt wurde, die den GLP-Sitz in der Regierung holen soll. Es lag US-Vorwahlstimmung in der Luft des Eventraum der Europäischen Bewegung Schweiz in der Länggasse, wo die Kandidatinnenkür stattfand.
Und ja, es war sogar spannender als in Amerika.
Als einzige Stadtberner Partei leistete es sich die GLP, ihren Mitgliedern mit Grossrätin Marianne Schild und Nationalrätin Melanie Mettler zwei praktisch gleichwertige Kandidatinnen vorzuschlagen. Beide haben Gemeinderätinnen-Format, und die Parteileitung verzichtete darauf, vorgängig eine Favoritin zu benennen.
Es gab eine launige Vorstellungsrunde der beiden, inklusive lustiger Fotos; danach echte Endorsement-Speeches – eine Art Anfeuerungsreden von Unterstützer*innen im US-Style. Klar, der Event fand nicht in einem riesigen Stadion mit brüllender Menge statt. Sondern vor 37 Parteimitgliedern, die auf harten Stühlen konzentriert der Dinge harrten. Aber trotzdem: Für die GLP war es eine Art Super Tuesday, in Berner Diät-Ausführung.
Der Schosshalden-Friedhof
Man erfuhr etwa, wie gut die beiden Kandidatinnen befreundet sind. Melanie Mettler hatte Marianne Schild einst motiviert, in die Politik einzusteigen. Mettler und Schild wohnen gleich nebeneinander, an der Strasse, die am Schosshalden-Friedhof vorbeiführt, und beide fühlen sich als Lokalpatriotinnen so sehr mit Bern verbunden, dass sie sich gut vorstellen können, dereinst genau dort die ewige Ruhe zu finden.
Man erfuhr auch, wie sich die Kandidatinnen in spe die GLP-Rolle in der künftigen Stadtregierung vorstellen, die fast sicher auch künftig eine rot-grüne Mehrheit haben wird: Mehr Debatte in die Regierung bringen. Die Rolle der politischen Mitte engagierter einnehmen als dies der eigentlich ebenfalls zur Mitte neigende Stadtpräsident Alec von Graffenried tue. Die an rot-grüne Dominanz im Übermass gewohnte Verwaltung ausstauben. Die Finanzpolitik so ausrichten, dass sie Spielraum für Investitionen schafft. «Es ist wichtig, sich als Gemeinderätin wirklich als Teil dieser Stadt zu verstehen», sagte Melanie Mettler zu ihrem Verständnis von Bürger*innennähe.
Die GLP-Mitglieder erkoren schliesslich Mettler – in geheimer Wahl – klar zu ihrer Gemeinderatskandidatin. Den Ausschlag gegeben haben dürften auch taktische Überlegungen. Die «Mettler-Anfeurerin» Gabriela Blatter hatte aufgezählt, was ins Gewicht fällt: Als Nationalrätin sind Melanie Mettler TV-Auftritte in den nächsten Monaten sicher. Auch wenn es nationale Themen sind, am Fernsehen zu erscheinen entfalte auch in einem lokalen Wahlkampf mehr Breitenwirkung als Standaktionen am frühen Morgen. Zudem ist Melanie Mettler nach elf Jahren Parlamentsarbeit breit vernetzt, auch in der Wirtschaft, etwa als Verwaltungsratsmitglied der Baumanagementfirma Emch und Berger Immoconsult.
Die Konkurrenzfrage
Und so sehen die Kandidierenden-Listen acht Monate vor den Wahlen aus. Auf der Mitte-Rechts-Liste treten an:
für die FDP: Florence Pärli
für die Mitte: Béatrice Wertli
für die SVP: Janosch Weyermann
für die GLP: Melanie Mettler
für die EVP: noch offen.
Auf der Gegenseite, bei Rot-Grün-Mitte, sind nominiert:
für das Grüne Bündnis: Ursina Anderegg
für die GFL: Alec von Graffenried
für die SP: Nomination steht noch aus. Vorgesehen sind Marieke Kruit (bisher) und Nationalrat Matthias Aebischer (neu).
Spannende Fragen zeichnen sich in beiden politischen Lagern ab: Wie entwickelt sich das Verhältnis von interner Unterstützung und internem Konkurrenzdenken? Schaut man eher, dass man gemeinsam, als Liste, gut abschneidet? Oder interessiert man sich mehr dafür, die Konkurrenz auf der eigenen Liste auf Distanz zu halten?
Für die GLP ist das Ziel klar. Sie will am Abend des Wahlsonntags Melanie Mettler auf Rang eins der Mitte-Rechts-Liste bejubeln. Schild und Mettler hielten sich am Dienstag die Hände, als das Resultat der Kandidatinnenkür verkündet wurde. Mettler jubelte, Schild applaudierte. Minuten später versammelte sich die Stadtberner GLP zu einem fotografischen Wimmelbild, leicht berauscht, auch ob sich selbst.
Wer sich im Wahlkampf engagieren wolle, rief Melanie Mettler noch, solle sich direkt bei ihr melden. Ab sofort.