Gräben zuschütten
Beim letzten Hauptsachen-Talk in dieser Saison ging es um die Landwirtschaft. Fazit: Um den Graben zwischen Stadt und Land zuzuschütten, braucht es mehr Kommunikation von den Produzent*innen und mehr Verständnis und Interesse von den Konsument*innen.
Eigentlich sollte es am Hauptsachen-Talk am Donnerstagabend in der Aula im Progr nicht hauptsächlich um Gräben gehen. Und doch kam der Begriff immer wieder auf. Das Thema war die Landwirtschaft und die Frage, ob es eine Entfremdung zwischen Konsumierenden in der Stadt und Produzent*innen auf dem Land gebe.
Ob dieser ominöse Graben überhaupt existiere, wollte «Hauptstadt»-Redaktorin und Moderatorin Flavia von Gunten als erstes von ihren Gästinnen wissen. «Nein», fand Kathy Hänni, Seniorchefin des Biohofs Heimenhaus in Kirchlindach. «Schon in den 80er Jahren, als ich den Hof übernahm, wollte ich immer für ein Gegenüber produzieren, für ein Gesicht.» Darum habe sie als Produzentin auch laufend die Kontakte zur Stadt ausgebaut und schon vor Jahrzehnten ein Gemüseabo eingeführt. Einen Graben spüre sie nicht.
Auch die beiden anderen Teilnehmerinnen, die grüne Nationalrätin Christine Badertscher und Magdalena Schindler, Wissenschaftlerin und frühere Direktorin der Agrarhochschule Zollikofen, wollten nicht von einem Graben sprechen. «Ich würde sagen, es gibt eine gewisse Entfremdung von Stadt und Produzenten», sagte Schindler, während Badertscher nachdoppelte: «Beide Seiten haben das Gefühl, sie kommen zu kurz und die anderen haben etwas gegen sie, obwohl beide eigentlich nichts gegen einander haben.»
Nun war das Thema gesetzt. Eloquent und sympathisch bemühten sich die Gästinnen in der folgenden Stunde darum, den Graben zuzuschütten. «Stadt und Land wollen eine regionale Landwirtschaftsproduktion. Nachhaltig. Das verbindet uns. Und darauf sollte man aufbauen können», fand Christine Badertscher, die auch im Vorstand des Berner Bauernverbands sitzt.
Die Rolle der Detailhändler
Die dominante Rolle von Coop und Migros, die in der Schweiz 80 Prozent des Lebensmittelmarkts beherrschen, wurde angeschaut. Magdalena Schindler zeigte anschaulich auf, wie die Preisabhängigkeit zu schwieriger Planbarkeit bei den Landwirt*innen führt. «Sie gehen in einen Sektor, zum Beispiel Schweinezucht, in dem es gute Preise gibt. Aber wenn das zu viele machen, ist der Verkaufspreis wieder tief. Dann hören sie damit auf.» Das passiere beispielsweise jetzt bei der Bio-Milch, fügte Badertscher an. «Zu wenig oder zu viel sind so nah beieinander.»
Kathy Hänni hatte dafür einen einleuchtenden Tipp: «Es ist wichtig, dass man sich als Produzentin nicht nur auf etwas festlegt. Gut ist, wenn man mehrere Sachen produziert, dann ist es weniger schlimm, wenn ein Bereich nicht mehr gut läuft.»
Die Rolle der Konsument*innen
Und was können die Konsument*innen konkret tun? Nicht mehr Einkaufstourismus im Ausland machen, sagt Magdalena Schindler. Bewusster konsumieren, sagt Christine Badertscher. Denn «jeder Franken, der ausgegeben wird, ist verantwortlich dafür, was produziert wird.» Und Kathy Hänni hat sogar einen ganz konkreten Vorschlag. «Geht morgen in eure Kantine, fragt nach Bio-Essen. Ich mache das immer mit Biowein im Restaurant. Jedes Mal frage ich danach. Und nach ein paar Mal haben sie vielleicht einen.»
Doch auch aus dem Publikum gab es Vorschläge. Er sei Beizer in der Stadt Bern, und ihm fehle die Kommunikation von Seiten der Landwirtschaft, meinte ein Zuschauer. Er wolle auf der Website eines Betriebs nicht erfahren, welche Getreidesorte wann genau gesät worden sei. «Ich will wissen, was ein realistischer Preis für ein Kilo Erdbeeren oder sechs Bio-Eier ist.»
«In der Landwirtschaft hat man das Gefühl, man kommuniziert die ganze Zeit. Aber vielleicht kommunizieren wir das Falsche?», antwortete Christine Badertscher. Sie wolle diesen Hinweis mitnehmen und in ihrem landwirtschaftlichen Netzwerk einbringen. Und Kathy Hänni ergänzte etwas provokativ: «Der Bauernverband kommuniziert sehr viel, aber ich fühle mich dort nicht repräsentiert.» Sie sei nach wie vor überzeugt, dass Betriebe wie der ihrige mit Direktvermarktung und vielen verschiedenen Produkten Vordenker seien und anderen als Vorbild dienen könnten.
Zum Schluss zeigten sich die Teilnehmerinnen auf dem Podium erstaunt, dass um die 70 Menschen gekommen waren, um einer Diskussion über Landwirtschaft zuzuhören. «Vielleicht», sinnierte Kathy Hänni ganz am Schluss, «ist dieser Abend der Anfang einer neuen Zusammenarbeit zwischen Konsument*innen und Produzent*innen.»