Notfall Parkplatz
Warum es in der Innenstadt genug Parkplätze für Handwerker*innen braucht. Und für wen Tempo 30 kein Problem ist. Unterwegs mit Lift-Servicetechniker Christian Bauen.
Beim Fischermätteli stehen wir nur kurz am Rotlicht. Am Loryplatz rollen wir sanft durch den Kreisel. Und auch im Monbijou ist der Verkehr flüssig. Es ist 8 Uhr morgens. Lift-Servicetechniker Christian Bauen fährt von Köniz Richtung Innenstadt. An der Schauplatzgasse – zwischen Loeb und Bundesplatz – steht die Wartung eines Liftes an. «Heute ist es ruhig auf der Strasse», sagt Bauen. «Aber bei einem Personeneinschluss hat es meist grad Stau.» Wenn Bauen von einem Personeneinschluss spricht, meint er damit, dass jemand in einem Lift stecken geblieben ist.
Viel hat die Politik in den letzten Jahren über den Verkehr in der Stadt Bern gestritten. Links-grün will weniger Autos und mehr Velospuren. Die Bürgerlichen kämpfen gegen Tempo 30 und für Parkplätze. Jene aber, die täglich mit dem Auto in die Stadt Bern fahren müssen, weil ihr Beruf dies erfordert, sind selten Teil dieser lauten Debatten. Dabei wüssten sie am besten, wo die links-grün dominierte Verkehrspolitik dem Berufsverkehr wirklich Probleme bereitet und welche hitzig diskutierten Massnahmen die Handwerker*innen kalt lassen.
Einer dieser Berufsfahrer ist Christian Bauen, Chef-Techniker bei der Berner Lift-Firma Emch. Drei bis vier seiner Service-Techniker sind täglich in der Berner Innenstadt unterwegs. Sie machen Wartungen an hunderten Liftanlagen in Geschäfts- und Wohnhäusern und rücken aus, wenn ein Lift stecken bleibt.
«Bei einem Personeneinschluss muss es schnell gehen», sagt Bauen und kurvt um den Casinoplatz. Innert einer halben Stunde sollte der Servicetechniker vor Ort sein. Für Bauen ist klar: «Die grosse Herausforderung in Bern ist das Parkieren.» Die Parkplätze in der Stadt seien weniger geworden. Bauen und seine Leute haben zwar eine Handwerker-Parkkarte. Sie können also auf den Feldern mit den gelben Kreuzen parkieren. Doch diese seien vielfach mit normalen Autos belegt. «Die Parkhäuser sind ja nicht mehr so günstig», sagt Bauen. Wenn einer etwas im Geschäft holen wolle, parkiere er schnell mal auf einem Handwerker-Parkplatz.
«Die grosse Herausforderung in Bern ist das Parkieren.»
Christian Bauen, Servicetechniker
In der Schauplatzgasse sind um 8.15 Uhr alle Parkfelder belegt. Bauen steuert langsam in die Gurtengasse. «Meist sind um diese Zeit auch hier alle Plätze schon weg.» Wir haben Glück, heute hat es noch einen Platz. Bauen stellt das Auto ab, nimmt aus dem Kofferraum den Rucksack mit dem Laptop sowie den Rollkoffer mit dem Werkzeug und geht in Richtung Schauplatzgasse. Vor der Nummer 29 öffnet er links neben der Eingangstüre knapp über dem Boden einen Schlüsseltresor, nimmt den Hausschlüssel und geht hinein. «Der Schlüsseltresor ist sehr hilfreich, wenn wir jemanden aus dem Lift holen müssen», sagt Bauen. Sonst müsse man den Hauswart holen.
Beim Lift klebt Bauen einen Wartungs-Zettel an den Bedienungsknopf und geht in den Keller zum Maschinenraum. Heute steht eine Wartung «Variante A» an. Das heisst: Funktionen kontrollieren, und putzen, wo nötig. Bauen kontrolliert zuerst das Service-Buch und fährt dann ins oberste Geschoss. Dort lässt er den Lift eine halbe Etage hinunterfahren, öffnet manuell die Türen und steigt auf den Lift. So fährt er nun langsam hinunter, kontrolliert das Notrufsystem, die Türen, die Rollen und putzt dort, wo es notwendig ist. Als Bauen unten ist, sagt er: «Ich muss schnell zum Auto, eine neue Batterie fürs Notruftelefon holen.»
Das ist der wichtigste Grund, warum die Parkplätze für die Servicetechniker unerlässlich sind. Rucksack und Koffer sind nicht gross genug, um für alle Fälle das Richtige dabei zu haben. Bei jeder Wartung, bei jedem Notfall, kann ein anderes Teil wichtig sein. «Wenn mein Auto nun in der Speichergasse wäre, bräuchte ich 20 Minuten, nur um diese Batterie zu holen.»
Morgens sei die Parkplatz-Suche noch recht einfach. Wenn man aber mitten am Tag in die Lorraine oder die Länggasse müsse, könne es schwierig werden. «Ein Kollege hat kürzlich in der Länggasse 20 Minuten nach einem geeigneten Parkplatz gesucht.» Besonders schwierig sei das Parkieren zwischen 11 und 14 Uhr. «Und natürlich dann, wenn in anderen Kantonen Festtage sind und die Leute mit ihren Autos nach Bern strömen.»
Das Auto ist für Bauen und seine Mannen nicht nur Ersatzteil- und Werkzeug-Lager, sondern auch ein wichtiger Rückzugsort, Büro und Pausenraum in einem. «In der Corona-Zeit hat fast jeder im Auto zu Mittag gegessen», sagt Bauen. Wenn es schneit und windet, kann Bauen im Auto Notizen machen und telefonieren. «Je nach Haus sehen sie es nicht so gern, wenn man im Treppenhaus sitzt und Büroarbeiten macht.»
«Ob ich mit 30, 40 oder 50 km/h durch die Stadt fahre, macht keinen Unterschied.»
Christian Bauen, Servicetechniker
Bauen legt die neue Batterie ins Notruftelefon und fährt den Lift wieder ins Kellergeschoss. Die Parkplatzsituation habe sich für die Handwerker*innen mit der Umgestaltung der Speichergasse verschärft. «Mehr Velo- und weniger Auto-Parkplätze», sagt Bauen. Auch andere Massnahmen der letzten Jahre merke man, so etwa den Spurabbau auf der Lorrainebrücke. «Da steht man nun minim länger.» Tempo 30 hingegen stört Bauen überhaupt nicht: «Ob ich mit 30, 40 oder 50 km/h durch die Stadt fahre, macht keinen Unterschied.»
Aber noch mehr Parkplätze streichen? Das gehe nicht. Man sage in der Liftbranche auch ab und zu: «Parkplätze werden nur so lange abgebaut, bis mal der Falsche im Lift stecken bleibt.»
Bei einem Personeneinschluss kommt es auf jede Minute und jeden Meter an. Bei gewissen Liften – etwa bei der SBB – habe die Liftfirma sogar einen Vertrag, dass sie Personen innert einer Stunde rausholen müssen. «Selbstverständlich versuchen wir bei allen Notfällen, die Ausfallzeit möglichst kurz zu halten.» Darum sei er auch schon beim Bundesplatz durchs Fahrverbot, damit er schneller in Richtung Casino zu einem Notfall fahren konnte. «Da hat mich die Polizei verfolgt, gestoppt und zur Rede gestellt», sagt Bauen. «Als ich vom Personeneinschluss erzählte, zeigten sie aber Verständnis.»
Normalerweise versucht Bauen, in diesen Situationen nicht zu emotional zu sein und nicht zu hasten. «Es bringt nichts, wenn man völlig ausser Atem beim Lift ankommt und dann im Stress das Falsche zu macht.» Die Firma Emch strebt an, einen Personeneinschluss in der Stadt innerhalb einer halben Stunde zu beheben. «Wenn wir merken, dass wir mehr als eine Stunde haben, um hinzukommen, bieten wie die Feuerwehr auf», sagt Bauen. Das komme aber selten vor.
Wenn Leute aus einem Lift befreit würden, seien sie froh, verlören aber laut Bauen meist nicht viele Worte. «Viele Lift-Notfälle passieren wegen Überladung.» Mehrheitlich seien das Gruppen von Jugendlichen. Und am Bahnhof Wankdorf bleibe der Lift bei YB- oder SCB-Matches auch oft stecken, nachdem sich 15 bis 20 Leute in den Lift gestopft hätten. Mit Corona hätten aber die Störungen abgenommen, da die Aufzüge weniger gebraucht wurden, sagt Bauen.
Wie sich das Verkehrsregime der Berner Innenstadt bei einem Notfall auswirkt, zeigte sich kürzlich in Bauens Alltag: Die Zentrale meldete um 17 Uhr einen Personeneinschluss in der Amthausgasse. Bauen war gerade auf dem Heimweg, stand im Wankdorf schon fast auf der Autobahn. «Da man aber nur morgens bis elf Uhr über die Kornhausbrücke Richtung Casino darf, musste ich über Lorrainebrücke, Bahnhof und Monbijou quasi um die ganze Stadt fahren.» Das habe über eine halbe Stunde gedauert.
Bauen putzt zum Schluss seiner Wartung mit Schaufel und Besen die Schacht-Grube unter dem Lift. Er kontrolliert den Abstand zwischen Gegengewicht und Puffer und spritzt etwas Schmiermittel in ein Gelenk. «Verkehrstechnisch gibt es schlimmere Städte als Bern», sagt Bauen noch. Die Kollegen in Zürich stünden jeweils deutlich länger im Stau.
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