«Mein Sonntag ist und bleibt handyfrei»
Ein guter Neujahrsvorsatz: Weniger Zeit am Handy verbringen. Seit drei Jahren lässt Janine Friedrich sonntags ihr Handy links liegen. In diesem Text teilt sie ihre Erfahrungen.
Es war der 28. März 2020, als ich meiner Familie und engen Freunden auf WhatsApp verkündete: «Ich mach jetzt übrigens immer sonntags einen handyfreien Tag.» Bedeutet, dass ich mein Smartphone an Sonntagen weder benutze noch erreichbar bin. Es bleibt also – wie sowieso schon jede Nacht – einfach aus. Die Angst, ich könnte etwas verpassen, kam gar nicht erst auf. Wahrscheinlich deshalb, weil ich mich ganz bewusst dafür entschied. Ausserdem wusste ich durch eine dreiwöchige Handy-Detox-Erfahrung auf Bali, dass mir nichts Weltbewegendes entging.
Daher lautete die Frage gar nicht: Was verpasse ich, wenn ich mein Handy nicht benutze? Sondern vielmehr: Was verpasse ich alles, wenn ich es ständig benutze?
Die Antwort ist klar: Das Hier und Jetzt! Wenn ich smarter bin als mein Smartphone, kann ich nur dazugewinnen. All die Erlebnisse und Eindrücke bei allem, was ich tue, kann ich viel intensiver wahrnehmen; meine Zeit viel besser geniessen. Ohne die Möglichkeit zu haben, Nachrichten zu empfangen, zu schicken, auf etwas in der virtuellen Welt zu reagieren oder irgendetwas zu ecosieren (das nachhaltigere Googlen), bin ich viel präsenter im Moment und viel mehr bei mir. Mein Kopf ist freier, ich entspannter.
Sorry, not sorry!
Paradoxerweise bin ich ohne Handy und Internet viel mehr verbunden. Aber eben mit meiner unmittelbaren Umgebung, der Natur, den Menschen hier vor Ort, mir selbst, meiner inneren Stimme, meinen Sinnen. Und nicht über WhatsApp mit den alltäglichen Belangen von anderen und der Welt da draussen. Mehr Raum, Stille und Freiheit für mich und meine Bedürfnisse und ein einziger grauer Haken für alle, die mir versuchen zu schreiben. Sorry, not sorry!
Deshalb sind handyfreie Sonntage ein nicht mehr wegzudenkender Bestandteil meines Lebens. Darin können natürlich auch andere Menschen involviert sein: Nur muss ich Verabredungen, Zeit und Treffpunkt dann schon am Vortag klären. Das klappt super.
Apropos Treffpunkt: Es kam schon häufig vor, dass dieser ein für mich bisher unbekannter Ort war. Wie ich es trotzdem geschafft habe, dort ohne Google Maps anzukommen? Wenn der digitale Wegweiser keine Option mehr ist, hilft nur ganz oldschool Leute fragen und auch dem eigenen Orientierungssinn wieder mehr Vertrauen zu schenken.
Das Bewusstsein der anderen
Wenn mir allerdings jemand sonntags schreibt, um spontan etwas gemeinsam zu unternehmen, dann wird daraus logischerweise nichts. So ist das eben. Inzwischen hat sich mein Umfeld – vor allem auch die, die weit weg wohnen – daran gewöhnt, dass ich am letzten Tag der Woche nicht verfügbar bin. Manchmal werde ich noch von Freunden gefragt, ob ich am Sonntag Lust habe zu telefonieren – worauf dann aber direkt folgt: «Ach, geht ja nicht, du hast ja handyfrei.» Sehr spannend, wie es nach und nach auch im Bewusstsein der anderen verankert ist.
Klar gibt es Ausnahmen: Zum Beispiel, wenn der Geburtstag eines Menschen, der mir wichtig ist, auf einen Sonntag fällt. In diesem Fall breche ich gern meine eigene Regel und mache einfach nach dem Geburtstags-Anruf wie gewohnt handyfrei. Oder, wenn ich am Sonntag Lust habe, Musik zu hören: In diesem Fall benutze ich Spotify und mache meine heruntergeladene Playlist an – im Flugmodus bleibt mein Handy trotzdem. Diese zwei Minuten, die ich in solchen Ausnahmefällen mal auf den Bildschirm schaue, sind vollkommen okay. Es geht ja vor allem darum, nicht erreichbar zu sein.
Auch mal inkonsequent sein
Zu Beginn meiner neuen Gewohnheit gab es aber auch Tage, an denen ich den Drang verspürte, doch mein Internet anzumachen. Manchmal verflog dieser durch eine andere Tätigkeit wieder. Manchmal auch nicht – und wenn es sich in dem Moment richtiger anfühlte, sich mit der virtuellen Welt zu verbinden, dann habe ich der Versuchung nachgegeben. Dabei ist es wichtig, immer verständnisvoll mit sich selbst zu bleiben und sich klarzumachen: Man darf auch mal inkonsequent sein – und das sogar, ohne sich dabei schlecht zu fühlen. All das gehört dazu, wir sind schliesslich Menschen und keine Maschinen.
Mittlerweile habe ich diesen Drang nicht mehr, da ich immer sehr froh bin, mich der virtuellen Welt für diesen einen Tag in der Woche komplett zu entziehen und nicht verfügbar zu sein. Ich weiss nun aus meinen unzähligen Erfahrungen, wie gut es tut und was ich alles Wundervolles mit der vielen freien Zeit anfangen kann. Mein Smartphone bleibt dabei unbeachtet und ausgeschaltet auf einem Schrank im Wohnzimmer liegen und kann seinen ebenfalls freien Tag geniessen.
Diese sonntägliche Gewohnheit hat noch dazu zu besseren Gewohnheiten an allen anderen Wochentagen geführt. Morgens schalte ich mein Handy erst nach meiner Morgenroutine ein, und zwar erst, nachdem ich in aller Ruhe gefrühstückt habe. Ansonsten wäre es so, als liesse ich schon jede Menge Menschen in mein Haus, ohne mich vorher auf mich selbst besonnen zu haben.
Stumm geschaltet, keine Pushs
Auch tagsüber habe ich mittlerweile mein Handy oft im Flugmodus, checke es nur ein paar Mal zwischendurch und benutze es maximal anderthalb Stunden pro Tag. Das braucht ein bisschen Disziplin und vor allem Koordination bezüglich Telefonaten. Hinzu kommt, dass es generell auf stumm gestellt ist – alle WhatsApp-Chats übrigens ebenso – und auch Push-Benachrichtigungen gibts bei mir keine. Das führt dazu, dass ich Anrufe verpasse – doch es sollte ja andererseits auch nicht von mir erwartet werden, dass ich immer erreichbar bin. Wenn es mir passt, rufe ich zurück – easy.
All das resultierte daraus, dass ich mich irgendwann gefragt hab: Benutze ich mein Handy oder benutzt mein Handy mich? Ich möchte selbst entscheiden, wann ich zum Handy greife. Sollte dieses Gerät nicht ursprünglich ein Helfer im Alltag sein? Meine Detox-Erfahrung sagt: Es ist genau das nur dann, wenn man es sinnvoll und in Massen nutzt.