«Wir können Parkplätze nicht beliebig reduzieren»
SP-Gemeinderätin Marieke Kruit prüft eine Rationierung der Anwohnenden-Parkkarte, um mehr Parkplätze zu Containerplätzen machen zu können.
Marieke Kruit, die Stadt kann die Containerpflicht und das Farbsack-System nicht umsetzen, wie man es der Stimmbevölkerung versprochen hatte. Warum kam es zu diesem Debakel?
Marieke Kruit: Ich bedaure sehr, dass wir das Projekt nicht wie ursprünglich geplant umsetzen können. Aber gleichzeitig bin ich froh, haben wir einen Marschhalt eingelegt, bevor das grosse Geld ausgegeben wurde. Ich würde daher nicht von einem Debakel sprechen, sondern von einer Korrektur der Vorlage. Wir können schlicht zu wenig Container auf privatem Grund realisieren, was bei einem Festhalten an der Containerpflicht zu einer Überlastung im öffentlichen Raum führen würde. Denn was auf Privatgrund nicht möglich ist, müsste vom öffentlichen Grund aufgefangen werden. Und da müssen wir die Frage stellen: Wie viele Container verträgt der öffentliche Raum?
Für eine grosse Zahl von privaten Containerstandplätzen hätte man Zäune, Mauern und Hecken unterbrechen müssen. Das beeinträchtigt offenbar das Stadtbild zu stark. Warum hat man das erst jetzt festgestellt und nicht vor der Abstimmung?
Abgeklärt haben wir das vor der Abstimmung. Eine direktionsübergreifende Gruppe hat das evaluiert. Man sprach zwar miteinander, hat aber offensichtlich nicht vom Gleichen gesprochen. Das wurde erst anhand von realen Beispielen und konkreten Rückmeldungen im Stadtteil Mattenhof-Weissenbühl festgestellt.
Dann kam das Veto von Denkmalschutz und Stadtplanungsamt?
Wir haben realisiert, dass man nicht vom Gleichen ausging. Und nach der rechtlichen Beurteilung zeigte sich, dass so viel weniger private Standplätze möglich sind. Andernfalls käme es zu unverhältnismässigen Eingriffen ins Stadt- und Erscheinungsbild.
Das Stadtbild ist nun nach der Abstimmung also wichtiger als der im Abstimmungskampf viel zitierte Gesundheitsschutz der Belader*innen der Kehrichtfahrzeuge?
Das ist sicher nicht so. Es geht nicht nur um das Stadtbild. Es gab auch andere Gründe für die Unzumutbarkeit von privaten Standplätzen, so etwa zu viele Treppenstufen. Aber die Gesundheit der Beladerinnen und Belader ist für uns zentral. Und mit dem neuen Modell werden wir viel mehr Container einsetzen können, als bisher.
Im Stadtteil III – im Mattenhof – hätten Sie für die Umsetzung des Containerpflicht statt 20 Prozent rund 50 Prozent öffentliche Standplätze anbieten müssen. Warum haben Sie das nicht einfach durch die Aufhebung von mehr Parkplätzen umgesetzt?
Es ist nicht nur eine Parkplatzfrage. Im öffentlichen Raum brauchen wir auch Klimaanpassungsmassnahmen und eine hohe Aufenthaltsqualität. Öffentlicher Raum ist kostbar. Wir wollen nicht einfach alles mit Containern zustellen.
Die Stadt hat sich in ihrer Klimastrategie 2019 zum Ziel gesetzt, die Hälfte der rund 17’000 Parkplätze im öffentlichen Raum abzubauen. Davon ist man noch weit entfernt. Warum nutzen Sie die Containerpflicht nicht, um aus Parkplätzen Containerstandplätze zu machen?
Der öffentliche Raum verträgt nur eine gewisse Anzahl an Containern.
Warum ist eine Reihe von Containern problematischer als eine Reihe parkierter Autos?
Grundsätzlich darf der öffentliche Raum nicht übernutzt werden. Wir bauen schon heute Parkplätze ab, für Velostrassen, für die Verkehrssicherheit und bald auch für Container. Dabei müssen wir aber die Verhältnismässigkeit berücksichtigen. Wenn wir in ganzen Strassenzügen praktisch alle Parkplätze wegräumen, wäre das nicht mehr verhältnismässig. Bei fast jedem Parkplatzabbau haben wir Einsprachen. Wenn der Abbau nicht verhältnismässig ist, wird er nicht bewilligt.
Im Mattenhof müssten Sie wohl rund 325 Parkplätze aufheben für eine volle Umsetzung der Containerpflicht. Das dürfte rund ein Zehntel der Parkplätze sein. Wäre das unverhältnismässig?
Relevant ist die Situation vor Ort, nicht der Durchschnitt über einen gesamten Stadtteil. Bei einem grossflächigen Abbau könnte das wegen Unverhältnismässigkeit gerichtlich kassiert werden.
Wurden Sie schon gerichtlich gebremst?
Eben nicht. Weil wir den Parkplatzabbau bisher verhältnismässig umsetzen. Wir wollen deshalb an diesem Weg festhalten. Was wir ebenfalls beachten müssen: Wir können nicht Anwohnendenparkkarten frei herausgeben und gleichzeitig die Parkplätze beliebig reduzieren. In Quartieren mit bereits knapper Parkplatzsituation würde das zu zunehmendem Suchverkehr führen und die juristischen Risiken erhöhen.
Sie könnten ja die Anzahl der Parkkarten beschränken.
Das stimmt. Wir werden prüfen, ob die Herausgabe von Anwohnendenparkkarten an gewisse Kriterien geknüpft werden und so reduziert werden kann.
Warum setzen Sie das nicht gleich um?
Das bräuchte eine rechtliche Anpassung, die nicht von heute auf morgen möglich ist. Wir wollen den Ansatz dennoch verfolgen. Denn er kann dazu führen, dass in Zukunft mehr Lösungen für Container im öffentlichen Raum möglich werden.