Berner Kopf der Woche: Bettina Hahnloser
Die Autorin Bettina Hahnloser (65) hat ein sorgfältig recherchiertes Buch über die erste Berner Regierungsrätin Leni Robert geschrieben. Sie porträtiert auch ein konfliktreiches Stück Berner Polit-Geschichte.
Bettina Hahnloser, einst Wirtschaftsjournalistin beim «Bund» und Korrespondentin in Moskau, heute Mediatorin und Autorin, liess nicht locker. Sie kennt Leni Robert (89) seit über 30 Jahren. Über Jahre versuchte sie, die einstige Politikerin von einer Biografie zu überzeugen. Als ihr Robert 2021 grünes Licht gab, durchforstete Hahnloser Roberts Privatarchiv und vertiefte sich in stundenlange Gespräche mit ihr. Eines sei ihr erst mit der Zeit klar geworden, sagt Hahnloser zur «Hauptstadt»: «Leni Robert stieg und steigt messerscharf argumentierend in öffentliche Debatten. Das kontrastiert mit ihrem eher schüchternen Charakter. Privat scheut sie zwischenmenschliche Konflikte.»
Politisch stand Leni Robert in den 1980er-Jahren im Zentrum einer unbernisch heftigen Auseinandersetzung. Sie war bestgewählte FDP-Grossrätin, ein aufstrebender Star des mächtigen Berner Freisinns. Doch mit ihrem humanistischen, antiautoritären Weltbild eckte sie in wirtschaftsliberalen Kreisen an. Nach einer unbewilligten Demo im September 1982, als die Berner Jugendbewegung für die Reitschule als autonomes Jugendzentrum kämpfte, kritisierte die Stadtbernerin Robert den harten Einsatz der damaligen Stadtpolizei. Die FDP verweigert ihrem Zugpferd eine Kandidatur für den Nationalrat. Leni Robert trat aus der Partei aus, wurde Mitgründerin der grünliberalen Freien Liste – und schaffte 1983 die Wahl in den Nationalrat. 1986, nach dem Berner Finanzskandal, gelang ihr der grosse Coup. Sie wurde als erste Frau in die Berner Kantonsregierung gewählt. Die FDP stürzte tief und verlor beide Regierungsratssitze.
Bettina Hahnloser hält Leni Robert für eine politische Schlüsselfigur in Bern. Weil sie als FDP-Politikerin Machtmissbrauch und die Folgen des Wirtschaftswachstums anprangerte, «sensibilisierte und ermächtigte sie auch Teile der bürgerlichen Gesellschaft, für Toleranz und Umweltschutz einzustehen». Fasziniert ist die Biografin, wie unerschrocken Robert den Liebesentzug ihrer Parteifreund*innen in Kauf nahm – und aushielt. Immer wieder traf Hahnloser auf den Hass, der Leni Robert entgegenschlug. «Sie galt bei der Parteielite als eine Art Verräterin», sagt Hahnloser, «blitzgescheit und fähig, den Männern die Stange zu halten. Trotz bürgerlichem Auftritt hinterfragte sie bürgerliche Gewissheiten. Das trieb viele zur Weissglut, bis heute.»
Beeindruckt ist Bettina Hahnloser, wie geschickt Leni Robert, die nach dem frühen Tod ihres Mannes Alleinerziehende ihres Sohnes wurde, ihren politischen Aktivismus inszenierte. Sie war eine Influencerin, bevor es Social Media gab. Sie arbeitete mit provokativen, witzigen Inseraten, gründete Vereine. Hauptmessage: Wir sind den Mächtigen nicht ausgeliefert.
Sie habe viele Menschen ermutigt, für ihre Anliegen öffentlich einzustehen. «Ich wünschte mir», sagt Biografin Hahnloser, «ich selber hätte in meinem Leben auch öfter öffentlich für Dinge gekämpft, die ich als richtig und wichtig erachte».
Bettina Hahnloser: Leni Robert – Die Unbezähmbare. 350 Seiten. Rüffer&Rub. Öffentliche Vernissage: Montag, 27. Oktober, 18 Uhr, Berner Rathaus. Eintritt frei.
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