«Wir erleben eine Banalisierung des Fliegens»

Markus Nauser von den Klima-Grosseltern Region Bern hat das Angebot von 13 Schweizer Reiseanbieter*innen konsequent auf ihre Klimaverträglichkeit hin untersucht. Was sagt das neue Ranking aus?

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Markus Nauser nimmt nicht nur an der Ferienmesse Bern Tourismusanbieter*innen unter die Lupe. (Bild: © marion bernet fotografie)

Zu Klimafragen bringt Markus Nauser viel Knowhow mit. Er ist Mitinhaber eines Umweltbüros in Bern, ausgebildeter Geograf und hat jahrelang für das Bundesamt für Umwelt (BAFU) gearbeitet. Er wohnt in Mittelhäusern und engagiert sich seit seiner Pensionierung in der Region Bern bei den Klima-Grosseltern. Die Klima- und Umweltschutzorganisation hat ihren Ursprung in der Romandie und verfügt heute über sechs Westschweizer und sechs Deutschschweizer Regionalgruppen.

Markus Nauser, Sie haben ein Klima-Ranking erstellt. In erster Linie untersuchen Sie dabei, wie einfach es die Reiseanbieter*innen ihrer Kundschaft machen, eine klimaverträgliche Reisewahl zu treffen. Wie kamen Sie darauf?

Ich fand es schade, dass in der Diskussion um klimaverträgliches Reisen häufig nur die Konsument*innen in die Verantwortung genommen werden – die ihre CO2-Emissionen zum Beispiel freiwillig kompensieren sollen. Grosse Tourismuskonzerne haben sich zwar Klimaziele gesteckt, aber ich möchte sie beim Wort nehmen. Halbieren sie wirklich ihre Emissionen bis 2030, wie einige ankündigten? Und mit welchen Angeboten? Das erstellte Klima-Ranking ist ein Versuch, auf diese Frage eine Antwort zu finden.

Zu welchen Schlüssen kommen Sie? 

Es gibt auf jeden Fall noch grosses Potenzial für bessere Zugänglichkeit und mehr Transparenz bei klimaschonenden Angeboten. Gleichzeitig stelle ich fest, dass klimaverträgliche Produkte (zum Beispiel Ferienreisen innerhalb Europas mit Anreise per Bahn) heute immerhin bei rund der Hälfte der bewerteten Anbieter Teil des Sortiments sind.

Klima-Ranking

Das Klima-Ranking der Klimagrosseltern basiert auf einem Grundlagenbericht.

Anbieter

Gesamtnote

Berg + Tal

8,3 🙂

WeitWandern

8,3 🙂

Imbach Reisen

7,5 🙂

railtour suisse

6,7 😐

Twerenbold Reisen

6,7 😐

Baumeler Reisen

5,8 😐

Travelhouse

4,2 🙁

Migros Ferien

3,8 🙁

Ship'n'Train Travel

3,8 🙁

Globetrotter Travel Service

3,3 🙁

Helvetic Tours

1,7 🙁

TUI Suisse

1,3 🙁

Kuoni Reisen

0,8 🙁

Wer schneidet vergleichsweise gut ab?

Kleine Anbieter*innen, die in Nischen, wie zum Beispiel Trekking-Reisen oder Wanderferien, unterwegs sind, setzen mehr auf regionale Angebote. Sie erfüllen damit eher Kriterien der Klimaverträglichkeit. Aber auch bei grösseren Anbietern gibt es interessante Ansätze. Travelhouse operiert weltweit und hat dabei eine eigene Kategorie für nachhaltige Angebote geschaffen. In dieser wird ebenfalls auf unnötige Flüge verzichtet und es sind keine emissionsintensiven Leistungen wie Helikopterflüge, Flugsafaris oder Touren mit einem 4x4-Fahrzeug enthalten. Aber es bleibt eben momentan bei einer Angebotskategorie und geschieht nicht übergreifend. 

Wie sind Sie genau vorgegangen und gibt es nicht schon ähnliche Vergleichsmöglichkeiten für nachhaltiges Reisen? 

Ich engagiere mich in Bern bei den Klima-Grosseltern und habe mit deren Mitgliedern erste Kriterien für ein Ranking erstellt. Ein wichtiges Kriterium ist zum Beispiel die Auffindbarkeit: Kann ich auf dem Internetportal des jeweiligen Anbieters leicht klimafreundliche Angebote finden? Ein weiteres Kriterium: Wird auf klimabelastende Produkte innerhalb eines Reisepakets, zum Beispiel eine Kreuzfahrt, verzichtet? Ich habe mich ausserdem auf den Kriterienkatalog des «Forum Anders Reisen» aus Deutschland gestützt. Dieses setzt sich für sozial und ökologisch vertretbare Reiseformen ein.

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20’000 Besuchende kamen an die Ferienmesse Bern 2025. (Bild: © marion bernet fotografie)

Bergen derlei Vergleiche nicht grundsätzlich grosse Schwierigkeiten?

Es ist in der Tat so, dass die Tourismusbranche sehr heterogen ist. Global operierende Tourismuskonzerne stehen kleineren Playern gegenüber, die sich auf ein spezielles Kundensegment konzentrieren. Aus Sicht des Klimaschutzes gilt es, den Fokus nicht zu verlieren: Auf der einen Seite stehen Anbieter*innen mit tausenden Hotels inklusive Flug, auf der anderen Dienstleister für massgeschneiderte Reisen, bei denen man vorab nur von einem groben Reiseplan erfährt. Wichtig ist, was unter dem Strich herauskommt. Mit den erwähnten Kriterien lässt sich die Klimaverträglichkeit gut vergleichen.

Wie kompliziert ist das Ranking für Anwender*innen?

Mir geht es im Ranking um simple Dinge, die für mich als Reisekunden 2025 eigentlich eine Selbstverständlichkeit darstellen: Finde ich rasch Angebote, bei denen ich auch ohne Flug ans Ziel komme? Oder kann ich zumindest den Flug aus einem Paket streichen und erhalte Beratung für eine andere Anreise?

Mit anderen Worten: Es sollte nicht mehr geflogen werden?

Es geht mir nicht darum, dass überhaupt nicht mehr geflogen wird, aber man soll nicht davon ausgehen, dass es eine Selbstverständlichkeit ist, das Flugzeug zu benutzen. Viele Pauschalangebote führen zu einer Banalisierung des Fliegens, was schlicht nicht klimakompatibel ist.

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Nauser hat vorgesehen, per Anfang 2026 eine weitere Bewertungsrunde durchzuführen. (Bild: © marion bernet fotografie)

Da schwingt viel Hoffnung mit. Was denken Sie, können Sie mithilfe des Rankings erreichen?

Ich denke schon, dass sich unser Verständnis von Ferienmachen und Erholung ändern kann. Was macht eine Reise überhaupt attraktiv? Da nehme ich die Angebotsseite in die Pflicht, dass sie Neugier für Angebote weckt, die in unserer Nähe liegen. Momentan tut das Marketing häufig das Gegenteil. Ein Beispiel wäre der amerikanische Grand Canyon oder eben der Grand Canyon du Verdon in Frankreich, wo man auch ohne Flug gut hinkommt.

Wie reagieren die Reiseanbieter*innen auf Ihr Ranking?

 Ich war für das Ranking mit den Reiseanbieter*innen im direkten Kontakt. Manche haben sich offen und dankbar gezeigt, manche skeptisch, wenn ich sie mit meinen Kriterien konfrontiert habe. Beinahe niemand bestreitet, dass Flugreisen kritisch sind, aber sie dominieren nun mal das Angebot und viele setzen bei Flügen auf die trügerische Möglichkeit der CO2-Kompensation. Flugverkehrsprognosen gehen von einem jährlichen Wachstum von drei bis fünf Prozent aus. Wenn die Anbieter*innen wirklich innert zehn bis fünfzehn Jahren ihre Emissionen massiv reduzieren wollen, muss sich jetzt etwas ändern.

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