«Köniz braucht Wirtschaftsförderung»

Tanja Bauer (SP) möchte am 25. September Könizer Gemeindepräsidentin werden. Nähe zu den Menschen herzustellen, das hält die Politologin und Grossrätin für die Grundaufgabe in diesem Amt.

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«Wirtschaftspolitik gehört zur DNA der SP»: Tanja Bauer auf dem Aussichtsturm auf dem Gurten. (Bild: Danielle Liniger)

Tanja Bauer, warum sind Sie in der SP?

Ich habe schon als junger Mensch immer SP gewählt. Mir gefällt, dass die Menschen im Zentrum stehen. Und zwar alle Menschen, auch die verletzlichen Gruppen. Politisiert wurde ich, als ich selber Mutter wurde und realisierte, dass wir gleichstellungspolitisch weniger weit sind als ich gedacht hatte. Ich lancierte eine Petition für die Verbesserung der Tagesschulen in Köniz, das war mein Einstieg in die Lokalpolitik. Daraus entstand später eine SP-Motion für die Einführung einer Ganztagesschule. Als eine von ganz wenigen Gemeinden verfügt nun Köniz über eine erste Ganztagesschule.

Was hat die SP als wähler*innestärkste Partei in den letzten Jahren konkret für die Gemeinde gemacht?

Die Chancengleichheit am Anfang des Lebens ist für mich ein zentrales Thema. Die SP hat in Köniz viel für Kinder gemacht, für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Aber auch im Bereich der Nachhaltigkeit, zu der einerseits Umwelt- und Energiefragen, anderseits aber auch wirtschaftliche Themen wie Finanzen und Arbeitsplätze gehören.

Wie kommen Sie darauf? Die SP ist nicht gerade als Partei der Wirtschaft bekannt.

Das sehe ich anders. Wirtschaftspolitik gehört zur DNA der SP. In der Coronakrise haben wir uns national für das Gewerbe ins Zeug gelegt. Wir sind Sozialpartner und sehen beide Seiten der Wirtschaft. Wir kämpfen für faire Löhne und faire Arbeitsbedingungen. Aber wir wollen auch, dass die Unternehmen gute Bedingungen haben zum Produzieren.

SP gegen SVP

Am 25. September entscheiden die Könizer Stimmberechtigten, ob der bisherige Gemeinderat Christian Burren (SVP) oder Tanja Bauer (SP), Grossrätin und Gemeindeparlamentarierin, das Gemeindepräsidium der bereits zurückgetretenen Annemarie Berlinger (SP) übernehmen. Die «Hauptstadt» hat mit beiden Kandidierenden ein Interview geführt (hier gehts zum Gespräch mit Christian Burren).

Falls Burren gewählt würde, wird Tanja Bauer nicht automatisch «normale» Gemeinderätin. In diesem Fall müsste eine weitere Ersatzwahl für den vakanten Sitz des zum Gemeindepräsidenten promovierten Christian Burren durchgeführt werden. Der Gemeinderat hat diese auf den 12. März 2023 angesetzt. Denkbar ist auch eine stille Wahl, die im Januar 2023 stattfände. Bis dahin würde der Gemeinderat zu viert weiterregieren. (jsz)

Als SP-Wirtschaftspolitikerin wären Sie in Köniz gefordert. Die Sparzitrone ist ausgepresst, Köniz braucht mehr Steuereinnahmen. Wo sollen diese herkommen?

Mir ist besonders als SPlerin klar: Wenn die Finanzen aus dem Lot geraten, kommen als erstes die verletzlichen Gruppen unter Druck. Köniz braucht wirklich mehr Einnahmen. Eine Möglichkeit, das zu schaffen, ist eine aktive Wirtschaftsförderung. Und Wirtschaftsförderung ist Chefinnensache.

Konkret?

Dazu gehört zum Beispiel, mit bereits ansässigen Unternehmen, aber auch mit den Grundeigentümer*innen im Gespräch zu sein, um Bedürfnisse und sich anbahnende Konflikte zu erkennen. Ein Beispiel: Aktuell wird auf einer der letzten Könizer Industrielandreserven, die der Migros gehört, das neue Polizeizentrum gebaut. Der Gemeinde bringt das keine Steuereinnahmen. Ich glaube, Köniz müsste wirtschaftspolitisch proaktiver sein, um gute Lösungen zu finden.

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Stadt oder Land? Stadt und Land! Blick vom Gurten über Köniz, im Hintergrund Bümpliz. (Bild: Danielle Liniger)

Wie erklären Sie eine*r Unternehmer*in, dass er oder sie ihr Unternehmen in Köniz ansiedeln soll?

Ich würde nicht bloss erklären, sondern den oder die Unternehmer*in überzeugen. Das ist schon mal eine andere Haltung. Köniz wird aktuell als Problemgemeinde wahrgenommen, und das ist fatal. Das will ich wieder ändern. Unter anderem, indem ich regional denke. Die Stadt Bern hat immer mehr Mühe, geeigneten Gewerbe- und Wirtschaftsraum zu bieten. Mit einer intelligenten Flächenstrategie kann Köniz eine wertvolle Ergänzung sein.

Wäre es demnach sinnvoll, die Fusionsdiskussion mit Bern auch in Köniz zu führen?

Von mir aus gesehen kann man schon diskutieren. Es geht ja um Zusammenarbeit, und die Frage ist, wie eng sie sein soll. Zur Fusion sage ich aber nein. Sie ist politisch unrealistisch, man würde sehr viel reden, und am Ende passiert nichts. Es geht auch darum, die Vorteile einer schlanken Verwaltung und kurzer Wege für die Einwohner*innen zu erhalten. Es ist schon in Köniz schwierig genug, Nähe zu den Bürger*innen zu schaffen, und in einem noch grösseren Gebilde entfernt sich die Exekutive noch weiter von den Menschen.

Die Politologin

Tanja Bauer (39) ist in Krattigen über dem Thunersee aufgewachsen und hat in Genf Politologie studiert. Sie hat als Projektleiterin bei der Swisscom und in Kaderpositionen in der Verwaltung des Kantons Freiburg gearbeitet. Sie ist Mutter dreier Kinder und lebt in Wabern.

Falls Christian Burren Gemeindepräsident würde und nicht Sie, würden Sie nicht automatisch Gemeinderätin. Es wäre eine weitere Wahl Anfang 2023 nötig. Werden Sie antreten?

Ich fokussiere im Augenblick voll auf das Gemeindepräsidium. Was allenfalls danach kommt, entscheide ich nach dem 25. September.

In Ihrer Wahlkampagne versprechen Sie, neuen Wind in die Regierung zu bringen. Aus was besteht er? 

Ich bin im Wahlkampf sehr viel unterwegs, und ich würde das auch als Gemeindepräsidentin sein. Was ich gemerkt habe: Die Leute haben die Nähe vermisst, wegen Corona, aber auch schon vorher. Das ist für mich eine Grundaufgabe des Präsidiums: Nähe zu den Menschen herzustellen.

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«Grosse Sprünge liegen trotz der Steuererhöhung keine drin», sagt Tanja Bauer. (Bild: Danielle Liniger)

Die Könizer Regierung hat eine bürgerliche Mehrheit, deren Haltung Sie als SP-Gemeindepräsidentin vertreten müssten. Warum wollen Sie das, obschon Annemarie Berlinger in dieser Konstellation das Handtuch warf?

Die Arbeit in der Exekutive ist weniger Parteipolitik als in der Legislative. Das Hauptproblem war, dass die Regierung ihre Vorlagen nicht durchs Parlament brachte. Das hat nicht so sehr mit rechts und links zu tun. Ein wichtiger Faktor ist, dass sich das Parteiengefüge verändert. Rot-Grün hat bei den letzten Wahlen beinahe eine Mehrheit erreicht. Aktuell sind die Mehrheitsverhältnisse volatil, das stellt hohe Anforderungen an die Kommunikation. Und es ist zentral, bei wichtigen Vorhaben alle Kräfte frühzeitig abzuholen und einzubinden.

Wie erklären Sie einem Laien, warum das wachsende und scheinbar blühende Köniz in finanzielle Schwierigkeiten schlitterte?  

Köniz ist eine Flächengemeinde, hat aber eine Tiefsteuerstrategie gefahren wie keine vergleichbare Gemeinde. Die Strategie ist gescheitert, und wenn wir es früher geschafft hätten, die Steuern zu erhöhen, hätten wir sie nicht so stark erhöhen müssen. Nun ist das gelungen, aber es ist bloss der erste Schritt. Grosse Sprünge liegen keine drin.

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«Köniz wird weiterwachsen, aber nicht einfach blind.» Tanja Bauer will namentlich die Morillonmatte für Wohnungsbau entwickeln. (Bild: Danielle Liniger)

Wie halten Sie als eher urban orientierte Person die städtischen und ländlichen Teile von Köniz zusammen?

Ich bin in Krattigen im Berner Oberland aufgewachsen, ich habe also Stadt und Land in meinem Leben. Ich finde: So unterschiedlich sind die Menschen gar nicht, die in den städtischen und ländlichen Teilen von Köniz leben. Die meisten haben, wie ich, beides in sich. Nicht selbstverständlich ist jedoch das Gefühl der Solidarität zwischen Stadt und Land. Das herzustellen ist eine der wichtigsten Aufgaben des Gemeindepräsidiums. Ich werde dafür rausgehen zu den Menschen, und ich weiss, dass das ein Rund-um-die-Uhr-Job sein wird.

Reden reicht?

Aus meiner Sicht ist Kommunikation wirklich absolut zentral. Das ist keine Floskel. Köniz ist eine Willensgemeinde, ähnlich wie die Schweiz eine Willensnation ist. Eine nahbare Persönlichkeit, die die Leute kennen und die eine positive Dynamik auch ausstrahlt, kann die Entwicklung beeinflussen. Und ich glaube, dass Köniz auch wieder ein Identifikationsprojekt braucht. Wie es der Liebefeldpark ist, über den man sich jahrzehntelang Gedanken machte, dessen Gestaltung zuerst auf Skepsis stiess und der jetzt ein Ort ist, der von Menschen aus allen benachbarten Quartiere genutzt wird.  

Wie sieht Köniz in 10 Jahren aus?

Köniz wird weiter wachsen, aber nicht einfach blind, sondern im Rahmen der vorbildlichen Ortsplanung, die den Siedlungsraum klar begrenzt. Köniz wächst nicht aus Selbstzweck, sondern, um gesellschaftliche Bedürfnisse abzudecken, etwa nach Wohnraum in Stadtnähe, damit die Menschen kurze Arbeitswege haben und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie möglich wird. Die Entwicklung der Morillonmatte an der Grenze zu Bern für den Wohnungsbau ist ein Vorhaben, das ich deshalb entschlossen vorantreiben möchte.

Sagen Sie uns zum Schluss etwas Positives über die SVP Köniz.

Die Könizer SVP ist verantwortungsbewusst. Sie bringt eine Sensibilität und eine Geschichte mit, die wichtig sind, damit man Mehrheiten findet. Man kann sich sehr gut mit der SVP austauschen.

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