Könizer Gefühlsbäder

Die Wahlen in Köniz brachten parteipolitisch keinen Wandel. Die Politik wird sich trotzdem verändern – weil neue Köpfe regieren. Und weil sich grosse Zukunftsfragen stellen.

SCHWEIZ - KÖNIZ - Bekanntgabe der Resultate der Gemeindewahlen von Köniz im Schloss. Hier L-R Kathrin Gilgen, SVP; Dominic Amacher, FDP; Tanja Bauer, SP; Dominique Bühler, Grüne; Thomas Marti, GLP; - 28. September 2025 © Raphael Hünerfauth - https://www.huenerfauth.ch
Die neue Könizer Regierung (von links): Kathrin Gilgen (SVP), Dominic Amacher (FDP), Tanja Bauer (SP), Dominique Bühler (Grüne), Thomas Marti (GLP). (Bild: Raphael Hünerfauth)

In diesem Moment möchte man auf keinen Fall in der Haut von ambitionierten Könizer Lokalpolitiker*innen stecken: Am Sonntagabend um punkt 19.15 Uhr verkündet Gemeindeschreiber Pascal Arnold im gerammelt vollen, aber für ein paar Minuten gespenstisch stillen Rossstall des Schlosses Köniz in weichem Walliserdeutsch das harte Wahlergebnis. Aus der vordersten Sitzreihe, wo die Kandidierenden für die Regierung sitzen, gehen bange Blicke zu Arnold hoch. Innert Sekunden wird klar, ob man am Anfang Januar einen neuen Job hat – oder keinen mehr.

Gemeindepräsidentin Tanja Bauer (SP), der Bisherige Thomas Marti (GLP) sowie die neu angetretenen Dominic Amacher (FDP), Kathrin Gilgen (SVP) und Dominique Bühler (Grüne) können erleichtert aufatmen. Gewählt! 

Géraldine Mercedes Boesch hingegen, die für die SP einen zweiten Sitz holen wollte, muss die Enttäuschung wegstecken, es knapp nicht geschafft zu haben.

Politisch bleiben die Mehrheiten in Köniz damit unverändert. Aber passiert ist trotzdem viel. Hier erfährst du in acht kurzen Bildergeschichten, was die Wahlen für Köniz bedeuten.

SCHWEIZ - KÖNIZ - Bekanntgabe der Resultate der Gemeindewahlen von Köniz im Schloss. Hier (M) Tanja Bauer, SP; und (R) Géraldine Mercedes Boesch, SP; - 28. September 2025 © Raphael Hünerfauth - https://www.huenerfauth.ch
Tanja Bauer (Mitte), links von ihr SP-Parlamentarierin Brigitte Rohrbach, rechts Géraldine Boesch. (Bild: Raphael Hünerfauth)

Die Überfliegerin

Gemeindepräsidentin Tanja Bauer (Bildmitte), vor drei Jahren ins Amt gewählt, hat der Politik in Köniz ihren Stempel aufgedrückt. Niemand traute sich, sie herauszufordern. Ihre Wiederwahl war wie erwartet glanzvoll. In ihrem Sog legte auch die SP, ohnehin die mit Abstand stärkste Partei in Köniz, im Vergleich zu den Wahlen 2021 noch einmal um vier Prozent zu. Nun kommt sie auf einen Wähler*innenanteil von 30 Prozent.

Das liege nicht nur an ihr, sondern an den starken Kandidaturen auf der SP-Liste, sagt Bauer am Wahlabend zur «Hauptstadt». Zu ihrem Regierungsverständnis fügt sie an: «Mir ist es ein Anliegen, dass sich der Gemeinderat als Team versteht. Dann schaffen wir es, in schwierigen Dossiers Lösungen zu finden.»

Teamwork über Parteigrenzen hinweg wird die logische Konsequenz des Wahlresultats sein. Der Angriff von SP und Grünen in Köniz ist klar gescheitert. In der fünfköpfigen Regierung bleibt es bei der sogenannten Zauberformel. Die fünf grössten Parteien – SP, Grüne, GLP, FDP, SVP – behalten je einen Sitz. Das Kräfteverhältnis zwischen linkem und bürgerlichem Lager ist unentschieden, und in der Mitte steht die GLP. 

Sie verstehe sich nicht als Chefin der Regierung, sondern als die Person, die in den Vordergrund rücke, «wenn ein Thema eskaliert», sagt Bauer. Die Gemeindepräsidentin, die auch Grossrätin ist, investiert aussergewöhnlich viel in Direktbegegnungen mit der Bevölkerung, aber auch in die Bewirtschaftung ihrer Social-Media-Accounts. Dort erfährt man ab und zu auch private News – zum Beispiel, dass sie unlängst SP-Grossrat David Stampfli (im Bild schräg hinter ihr) geheiratet hat.

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Tanja Bauer gibt ein Sieger*innen-Interview, während hinten Parteikollegin Géraldine Mercedes Boesch ihre Niederlage erklärt. (Bild: Raphael Hünerfauth)

Sieg & Niederlage

Die SP ist die Wahlsiegerin, aber die Partei ist gleichzeitig auch gescheitert: Wie schon vor einem Jahr bei der Ersatzwahl für den zurückgetretenen Gemeinderat Thomas Brönnimann (GLP) gelang es Boesch nicht, für die SP den vor 12 Jahren verlorenen zweiten Sitz zu holen und eine rot-grüne Mehrheit herbeizuführen.

Beim Blick über den Könizer Tellerrand zeigt sich folgendes Bild: Der Trend, dass Rot-Grün in den Agglomerationsgemeinden von Bern stärker wird, bestätigt sich in Köniz nicht. Köniz ist mit 44’000 Einwohner*innen ganz knapp hinter Thun die viertgrösste Gemeinde im Kanton Bern. Bern und Biel sind klar links regiert, Thun hat eine bürgerliche Mehrheit – und Köniz bleibt schön eingemittet.

Géraldine Boesch steckt ihre Nichtwahl mit einer gewissen Gelassenheit weg. «Vielleicht waren wir etwas zu früh», sagt sie zur «Hauptstadt». «In vier Jahren stehen die Chancen wohl besser.» Die Linke rechnet damit, dass sich das Bevölkerungswachstum in Köniz politisch zu ihren Gunsten auswirkt.

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Etwas Rauch muss sein: SVP-Bratwürste am Wahlsonntag. (Bild: Raphael Hünerfauth)

Bratwürste

Am Wahlabend richten sich die grossen Parteien traditionell in den Räumlichkeiten im und ums Schloss Köniz ein – und machen damit auch kulinarisch eine Ansage. Während bei der SP elegante Canapés bereitliegen und die Grünen Vegetarisches knabbern, machen sich die Freisinnigen über grosszügig Raclette-Portionen her. Die SVP Köniz, bei der Parteiprominenz wie Grossrat Thomas Fuchs (hinten im Bild) oder Nationalrat Erich Hess vorbeischaut, lässt gastronomisch nichts anbrennen: Sie setzt auf währschafte Bratwürste.

Am Wahlresultat dürfte die SVP so viel Freude haben wie an den Bratwürsten: : Die Partei legt um drei Wähler*innenprozente zu, überholt die Grünen und wird neu die zweitstärkste politische Kraft in Köniz. Im Parlament zahlt sich das mit zwei zusätzlichen Sitzen aus.

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Dominique Bühler (Grüne), Thomas Marti (Grünliberale). (Bild: Raphael Hünerfauth)

Grüne Verluste

Die Blicke sagen alles: Dominique Bühler (Grüne) und Thomas Marti (Grünliberale) freuen und sorgen sich gleichzeitig. Beide haben die Wahl in die Gemeinderegierung geschafft – aber das Wort «grün» im Parteinamen hat die Wahlberechtigten nicht begeistert. Die Grünen verlieren vier, die Grünliberalen drei Prozent Wähler*innenanteile. Beide Parteien müssen einen Sitz im Parlament preisgeben.

Deshalb musste Thomas Marti doch ernsthaft um seine Wiederwahl zittern. Die Grünen wiederum haben verloren, was die SP gewonnen hat. Deshalb bleibt Rot-Grün auf einem Wähler*innenanteil von 45 Prozent stehen – und die rot-grüne Mehrheit ist so weit entfernt wie vor vier Jahren.

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Alles neu: Kathrin Gilgen. (Bild: Raphael Hünerfauth)

Neue Herausforderung

Sie habe es in den letzten Wochen gut verdrängen können, sagt Kathrin Gilgen im Rossstall, und weiss jetzt nicht recht wohin mit dem Blumenstrauss: «Ich bin schon gerade chli neben den Schuhen», gesteht sie.

Für sie ist der Wechsel ins Gemeinderatsamt ein richtiger Neuanfang. Mit ihrer Familie managt die langjährige Könizer Parlamentarierin einen Milchwirtschaftsbetrieb auf dem Hubel oberhalb von Oberwangen. Für den Gemeinderatswahlkampf habe sie sich ein wenig überwinden müssen, sich selber anzupreisen. Allerdings gelang der SVP Köniz etwas, was sonst eher die Linke beherrscht: die eigene Wählerschaft zu mobilisieren, im Fall der SVP im ländlichen Teil von Köniz. 

Dabei setzte Kathrin Gilgen ganz auf analoge Kontakte, ein Bauern-Zvieri zum Beispiel. Social-Media-Accounts hat sie keine, und nie würde sie es sich nehmen lassen, mit dem Hund in den Wald zu gehen: «Da bin ich kurz weg von allem», sagt sie. «Das ist wichtig für mich.»

Ihre beiden erwachsenen Söhne arbeiten seit ein paar Jahren mit auf dem Hof, deshalb könne sie es sich erlauben, etwas Neues anzufangen. Jetzt, wo es so weit sei, komme es ihr schon etwas «stotzig» vor. Aber, sagt sie, «Herausforderungen sind da, um angenommen zu werden.» Sie sei bereit.  

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«Puh!»: Dominic Amacher. (Bild: Raphael Hünerfauth)

Durchatmen

Dominic Amacher (FDP) hat alles auf eine Karte gesetzt – und gewonnen. Bereits vor einigen Monaten kündigte er seinen Job als Geschäftsführer einer Baufirma, um sich voll dem Wahlkampf zu widmen – obschon die FDP einen Gemeinderatssitz keinesfalls auf sicher hatte. Im vergangen Dezember startete er seinen Wahlkampf und stand erstmals vor der Migros, um für sich zu werben.

«Ich bin sehr erleichtert», sagt Amacher kurz nach der Wahl zur «Hauptstadt». Mit seiner «All-in»-Mentalität werde er jetzt auch sein Amt als Gemeinderat antreten. Ihn begeistere an der Politik in Köniz, dass keine Partei einfach ihre Positionen durchdrücken könne. «Nichts führt daran vorbei, dass wir über alles miteinander reden müssen.»

Amacher beschert seiner Partei im urbanen Umfeld einen eher seltenen Erfolg. In der Stadt Bern verlor die FDP 2016 ihren letzten Gemeinderatssitz und versucht seither vergeblich, in die Regierung zu zurückzukommen.

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Geburt während des Wahlkampfs: Dominique Bühler am Wahlsonntag im Schlosshof. (Bild: Raphael Hünerfauth)

Frauenmehrheit

Der Takt im Leben von Dominique Bühler (Grüne) ist hoch. Bis im Sommer war sie Grossratspräsidentin, dann stieg sie – bereits hochschwanger – in den Könizer Wahlkampf ein. Vor drei Wochen kam ihre zweite Tochter zur Welt.

Weil sie zur politischen Prominenz gehört, schien ihre Wahl in Köniz als sicher. Sie selbst sei schon ziemlich nervös, gibt sie zu, als sie mit dem Töchterchen im Schloss Köniz auftaucht. Zwei Stunden später ist sie froh, hat es trotz der Verluste der Grünen geklappt mit ihrem Regierungssitz. Sie wird ihre aktuelle Anstellung als Wissenschaftlerin beim Bundesamt für Gesundheit noch diesen Monat kündigen und Anfang Januar als Exekutivpolitikerin anfangen.

Mit Bühlers Wahl hat Köniz mit den drei anderen Städten in einem Punkt gleichgezogen: Wie in Bern, Biel und Thun sind ab 2026 auch in der Könizer Regierung die Frauen in der Mehrheit.

«Ich werde mich im Gemeinderat dafür einsetzen, dass Entscheide im Interesse der ganzen Bevölkerung und der kommenden Generationen gefällt werden», sagt Bühler zu ihrem Rollenverständnis. 

Köniz kämpft mit den gleichen Herausforderungen wie alle Städte: Sie muss für die in Köniz besonders stark wachsende Bevölkerung Infrastruktur wie Schulen oder Sportanlagen zur Verfügung stellen und gleichzeitig in Klimamassnahmen investieren – ohne mit Steuererhöhungen gute Steuerzahler*innen zu vergraulen.

SCHWEIZ - KÖNIZ - Bekanntgabe der Resultate der Gemeindewahlen von Köniz im Schloss. Hier (M) Mayra Faccio, SP; - 28. September 2025 © Raphael Hünerfauth - https://www.huenerfauth.ch
Im Licht des Smartphones: Mayra Faccio (Mitte) studiert die Wahlresultate. (Bild: Raphael Hünerfauth)

Ab ins Parlament!

Mayra Faccio hat auf der Liste der SP-Frauen die Wiederwahl ins Könizer Parlament geschafft. Sie gehört zu den Sieger*innen, die SP hat einen Sitz dazugewonnen – allerdings auf Kosten der Grünen.

An der Stärke der drei politischen Lager – links, Zentrum, bürgerlich – im 40-köpfigen Parlament hat sich nur ein Detail verändert: Die GLP verliert einen Sitz an die SVP. Somit kommen SP und Grüne zusammen auf 18 Sitze, SVP und FDP haben 13 Sitze. Dazwischen befindet sich das Zentrum (GLP, EVP, Mitte) mit neuerdings noch 9 Sitzen.

Was für die Regierung gilt, trifft auch für das Könizer Parlament zu: Politische Mehrheiten kommen – anders als etwa in der Stadt Bern – nur durch Allianzen über die ideologischen Gräben hinweg zustande.

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