Kulturagenda in Bund und BZ?
Weil der gedruckte Anzeiger verschwindet, verliert die Berner Kulturagenda ihr Trägermedium. Möglich, dass der Zürcher Tamedia-Verlag einspringt.
Am kommenden 8. Mai entscheidet sich die Zukunft der Berner Kulturagenda (BKA). Das haben über 100 Vertreter*innen von Berner Kulturinstitutionen entschieden, die sich am Dienstag zu einer ausserordentlichen Versammlung in der Dampfzentrale getroffen haben, wie der Verein BKA in einer Mitteilung schreibt.
Die Zukunftsfrage, der sich der Verein stellen muss, ist komplex. Die Kulturagenda, die von einer eigenen Redaktion kuratiert wird, ist seit über 15 Jahren eine Institution im Berner Kulturleben, die gratis angeboten wird. Quasi eine gepflegte Visitenkarte. Publizistisch steht sie auf zwei Pfeilern: Online und Print.
Aufgelöster Anzeiger
Ein Problem kommt auf die gedruckte Ausgabe zu: Sie liegt heute dem Anzeiger Region Bern bei und gelangt so jeden Mittwoch in 150’000 Haushalte. Damit ist es Ende dieses Jahres allerdings vorbei: Der Anzeigerverband, der den Anzeiger herausgibt, löst sich auf.
Der Grund: Die veränderte kantonale Gesetzgebung erlaubt es Gemeinden künftig, ihre amtlichen Mitteilungen nur noch online zu veröffentlichen. Deshalb verzichten viele von ihnen ab 2024 darauf, sich an einem teuren gedruckten Anzeiger zu beteiligen. Köniz ist bereits ausgestiegen, auf dem Gemeindegebiet wird kein Anzeiger mehr ausgetragen.
Der Verein Berner Kulturagenda will sich trotzdem bemühen, die Option Printausgabe ohne Anzeiger mindestens ernsthaft zu prüfen. Aber wie? Wie die BKA in ihrer Mitteilung schreibt, wird die dafür eingesetzte Kommission, die aus Vereinsmitgliedern besteht, bis zum 8. Mai Lösungskonzepte erarbeiten und diese der Versammlung zur Abstimmung unterbreiten.
SR Medien oder Tamedia
Wer sich in der Berner Print-Landschaft umschaut, kommt rasch zum Schluss, dass wohl nur zwei Optionen in Frage kommen:
Aktuell ist die SR Medien Group AG in Belp mit Herstellung und Vertrieb der Kulturagenda betraut. Es ist dieselbe Gruppe, die auch den Anzeiger produziert und vertreibt. Daraus hat sich eine für die BKA vorteilhafte Konstellation ergeben: Weil sie dem Anzeiger beiliegt, hat die BKA keine Vertriebskosten.
Christof Ramseier, Chef der SR Group, signalisierte gegenüber der «Hauptstadt» schon vergangenen Sommer sein Interesse an einer Weiterführung der Kooperation mit der BKA. Dass die gedruckte BKA ohne das Trägermedium Anzeiger überlebensfähig sein soll, bezeichnete er als «sehr grosse Herausforderung», schloss diese Möglichkeit aber nicht aus.
Setzt die BKA auch künftig auf eine Kooperation mit der SR Medien Group stellt sich die Frage der Abdeckung: In wie viele Haushalte könnte sie so überhaupt noch verteilt werden, wenn kein Trägermedium vorhanden ist?
Die naheliegendste Alternative zur SR Group wäre eine Kooperation mit dem Zürcher Grossverlag Tamedia. Praktisch würde das bedeuten, dass die Berner Kulturagenda einmal wöchentlich Bund und Berner Zeitung beigelegt würde, möglicherweise auch noch den Lokalausgaben im Berner Oberland.
«Beiderseitiges Interesse»
Aus Sicht von Tamedia könnte der Einbezug der in der Berner Kulturszene breit getragenen Kulturagenda eine publizistisch interessante Ergänzung sein. Aus Sicht der BKA käme ihr Printprodukt zwar nicht mehr gratis und nicht mehr in ganz so viele Haushalte wie mit dem Anzeiger, aber die Abdeckung wäre die breitest mögliche in der Nach-Anzeiger-Ära.
Aus politischer Sicht könnte man sich die Frage stellen, ob eine mit öffentlichen Geldern mitfinanzierte Kulturagenda in Zeitungen eines kommerziellen Grossverlags am richtigen Ort ist.
Philip Kuhn, Mediensprecher von Tamedia, schreibt jedenfalls auf Anfrage: «Wir sind im Gespräch mit der BKA, können über Einzelheiten und Inhalte jedoch noch keine konkreten Aussagen machen. Klar ist jedoch: Es besteht beiderseitiges Interesse an einer künftigen Zusammenarbeit.»
Carmen Inniger und Robi Maurer, die den Verein BKA im Co-Präsidium führen, bestätigen gegenüber der «Hauptstadt» das Interesse an einer Kooperation von Tamedia und BKA. Die Option, mit dem Verlag von Bund und BZ zusammenzuarbeiten, sei vom Vorstand an der ausserordentlichen BKA-Mitgliederversammlung in der Dampfzentrale präsentiert worden.
Print nicht um jeden Preis
Inniger und Maurer halten fest, dass die Verhandlungen über eine mögliche Lösung erst jetzt beginne und der Ausgang offen sei. Man werde das Angebot des bisherigen Partners SR Medien Group ebenso seriös und gleichberechtigt prüfen und das Resultat der Evaluation den Mitgliedern am 8. Mai unterbreiten, die über eine allfällige Kooperation mit Tamedia abschliessend befinden.
Laut Maurer und Inniger strebt der BKA-Vorstand nicht um jeden Preis eine Print-Zukunft für die Kulturagenda an. «Es ist», sagt Robi Maurer, «am Ende selbstverständlich eine Frage der Kosten». Deshalb prüft die BKA mit beiden Verhandlungspartnern auch eine Option ohne Print, nur online – falls sich herausstellt, dass eine gedruckte Variante die finanziellen Möglichkeiten übersteigt. Nicht verhandelbar ist laut Maurer und Inniger der Grundsatz, dass die Kulturagenda von einer eigenen Redaktion betrieben wird.
Stadt zahlt für online
Besonders gross ist der finanzielle Spielraum der BKA nicht. Aktuell setzt sich das Jahresbudget der BKA von rund 450’000 Franken im Wesentlichen zusammen aus den Mitgliederbeträgen der Kulturinstitutionen sowie einer Subvention der Stadt Bern im Umfang von rund 100’000 Franken pro Jahr.
Und die Stadt Bern wird sich nicht stärker an der Kulturagenda beteiligen, schon gar nicht für eine Print-Ausgabe, wie die Vorsteherin von Kultur Stadt Bern, Franziska Burkhardt, auf Anfrage bekräftigt: «Die Stadt stellt nach wie vor einen Förderbeitrag von rund 100'000 Franken an eine Online-Agenda in Aussicht», so Burkhardt. Die Unterstützung sei «für die beste, von Veranstalter*innen getragene Lösung» vorgesehen und auch für die Finanzperiode 2024 bis 2027 eingeplant.
Burkhardt unterstreicht, dass die Stadt mit diesem Geld eine zeitgemässe Online-Agenda unterstütze, und es nicht als Beitrag an eine Redaktion, die auch noch eine Printausgabe editiere, zu verstehen sei. Diese Haltung sei der BKA mehrfach kommuniziert worden.