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Palästina-Demo – Stadtrat-Brief #17/2025

Sitzung vom 16. Oktober 2025 – die Themen: Diskussion zur Demo; Rücktritte; Lorrainebad; Amtszeitbeschränkung.

Stadtrat-Brief
(Bild: Silja Elsener)

Am Donnerstag waren die Medien- und Zuschauerränge im Berner Stadtparlament aussergewöhnlich gut besetzt. Der Stadtrat widmete sich der eskalierten Palästina-Demo vom vergangenen Samstag, die schweizweit zu reden gibt. 

Praktisch einstimmig wurde die Diskussion zu diesem aktuellen Ereignis gewährt. Damit erhielten alle im Rat vertretenen Parteien fünf Minuten Redezeit. Anschliessend teilten sich Stadtpräsidentin Marieke Kruit (SP) und Sicherheitsdirektor Alec von Graffenried (GFL) zehn Minuten.

Die Debatte war intensiv, aber in grossen Teilen konstruktiv. Alle Parlamentarier*innen von links bis rechts verurteilten die gewaltvollen Ausschreitungen eines Teils der Demonstrierenden explizit. 

Die Linksparteien AL, PdA, JA und GB forderten daneben auch eine ernsthafte Aufarbeitung der von der Polizei ausgegangenen Gewalt, an der etwa die Demokratischen Jurist*innen und Amnesty International Kritik üben. «Es gilt, Gleichzeitigkeiten und Widersprüche auszuhalten», sagte Lea Bill (GB). Sie betonte, dass friedliches Protestieren an einer unbewilligten Demo nicht verboten sei. 

Auch Dominik Fitze (SP) sagte: «Die klare Mehrheit der Demonstrierenden wollte ein friedliches Zeichen setzen.» Die gewalttätige Minderheit habe dem berechtigten Anliegen, für einen gerechten Frieden in Gaza zu demonstrieren, massiv geschadet.

Interessant war in diesem Zusammenhang das selbstkritische Votum von David Böhner (AL). «Von links bis rechts können wir nun auf die Chaoten zeigen», sagte er. Die Linke mache es sich damit aber zu leicht. Sie habe es versäumt, den vielen Menschen schweizweit eine friedliche Alternative zu bieten, die zu Recht in Solidarität mit den Menschen in Gaza demonstrieren wollten. «Es gab ein grosses Bedürfnis nach friedlichem Protest, aber keine Organisation hat ihn ermöglicht. Wo waren SP, Grüne, Gewerkschaften, AL, PdA und die Reitschule?», fragte Böhner.

Die SVP forderte wenig realitätsnah ein generelles Demoverbot in der Berner Innenstadt. Da schlossen sich die anderen bürgerlichen Parteien dann auch nicht an. FDP, Mitte und GLP dankten den Behörden und der Polizei für ihren Einsatz.

Es meldeten sich fast alle Parteien zu Wort. Kein Votum kam von der Juso, die zuvor in den Tamedia-Zeitungen kritisiert worden war, weil sie den Demo-Aufruf geteilt hatte. Der einzige Sitz der Partei ist jedoch just in dieser Sitzung nach dem Rücktritt von Sofia Fisch an Gourab Bhowal übergegangen, der am Donnerstag zum ersten Mal im Rat war.

Portraits von Ratsmitgliedern des Stadtrats Bern fotografiert am Donnerstag, 22. Mai 2025 in Bern. (hauptstadt.be / Daniel Buergin)
Ratsmitglied der Woche: Debora Alder-Gasser

Debora Alder-Gasser (40) sitzt seit 2024 für die EVP im Stadtrat. Sie arbeitet als Relationship Managerin und Fundraiserin bei Compassion Schweiz, eine Organisation, die sich für Kinder in extremer Armut in 29 Ländern des globalen Südens einsetzt. Sie ist auch Mitgründerin der Kleiderausleihe-Initiative Teil in Bern. Warum sind Sie im Stadtrat? Ich durfte vor rund 1,5 Jahren im Stadtrat nachrutschen. Politik hat mich zwar immer interessiert, aber ich habe über Jahre hinweg eigentlich eher als Listenfüllerin kandidiert. Als ich zum nachrutschen angefragt wurde, war das Timinig kurz vor der Mutterschaftspause zwar nicht ideal, aber wir haben als Familie trotzdem entschieden, dass ich es versuche. Der Stadtrat ist mein erstes politisches Amt und Engagement. Als begeisterte Bernerin macht es mir Freude, unsere tolle Stadt so von einer komplett anderen Seite kennenzulernen und zusammen mit 79 anderen Menschen mitzuhelfen, unsere Stadt noch besser zu machen. Wofür kennt man Sie im Rat – auch ausserhalb Ihrer Partei? Ich denke, man kennt mich wohl am ehesten für meine Vorstösse und Voten zum Thema Antisemitismus. Dafür, dass ich mich dort nicht nur für die Minderheit von jüdischen Menschen in Bern eingesetzt habe, sondern auch für eine respektvolle Debatte auf Augenhöhe, selbst wenn wir unterschiedlicher Meinung sind. Ich hoffe, man kennt mich für meine Ansicht, dass wir als Verantwortungstragende einen wichtigen Beitrag zu leisten haben, in welchem Klima Meinungsverschiedenheiten in der Stadt Bern ausgetragen werden.  

Welches ist Ihr grösster Misserfolg im Rat? Ich bin wie gesagt noch nicht so lange im Rat und kann deshalb noch keinen wirklichen Misserfolg vorweisen. Vielleicht war ich aber auch einfach noch zu wenig risikofreudig…

Worauf sind Sie stolz bei Ihrer Ratsarbeit? Als kleine Partei sind wir immer auf andere angewiesen, um etwas zu bewegen. Aber das ist auch gut so. Wir möchten eine Partei sein, die sich für das Miteinander einsetzt und Brücken baut. Deshalb macht es mich immer stolz, beziehungsweise erfüllt mich mit Freude, wenn ich für ein Anliegen über möglichst viele Parteien hinweg Unterstützung finde. Wie für unsere Vorstösse im Bereich Antisemitismus oder auch für den jüngsten Vorstoss zum Thema lokale Altkleiderverwertung.  Welches ist Ihr liebster Stadtteil und warum? Ich bin in der Stadt Bern aufgewachsen und jedesmal, wenn ich mit dem Zug über die Lorrainebrücke in die Stadt einfahre und den Blick über die Aare, die Altstadt und dahinter die Berge schweifen lassen, bin ich einfach dankbar, dass ich in dieser wunderbaren Stadt leben darf. Mein liebster Stadtteil ist das Marzili. Das Bähnli führt einen fast ein bisschen in eine andere Welt und weg vom Gewusel des Stadtzentrums. So viele Menschen gehen ins Marzili um sich zu erholen, um die Aare und das schöne Wetter zu geniessen, und das finde ich toll.

Diese Themen waren ebenfalls wichtig:

  • Rücktritte: Zu Beginn der Sitzung musste Präsident Tom Berger (FDP) zwei Rücktritte vermelden. Es sind Nummer sechs und sieben der laufenden Legislatur. Francesca Chukwunyere (GFL) widmet sich nach sechs Jahren im Stadtrat beruflichen Veränderungen. Sie glaubt, dort ihre Qualitäten besser einbringen zu können und hatte im Rat das Gefühl, «nichts zu bewegen». Ihren Sitz übernimmt Christoph Leuppi. Gabriela Blatter (GLP) tritt aus persönlichen Gründen zurück. Ihr Mann ist unheilbar an Krebs erkrankt, was sie in einem berührenden Rücktrittsschreiben erläuterte. 
  • Lorrainebad: Der Stadtrat will das Lorrainebad sanieren. Er stimmte mit 64 zu 6 Stimmen für den Baukredit von knapp 22,3 Millionen Franken. Das Bad – eines der ältesten Flussbäder der Schweiz – soll unter anderem ein neues Becken, mehr Bäume und einen Kinder-Badebereich erhalten. Die Vorlage kommt voraussichtlich im März 2026 vors Stimmvolk. Geplant ist bisher, dass der Umbau auf die Badesaison 2028 hin abgeschlossen sein soll. An der Sitzung sprach Stadtpräsidentin Marieke Kruit (SP) aber von einer wahrscheinlichen Verschiebung um ein Jahr.
  • Amtszeit: Mit dem sogenannten «Buebetrickli» soll im Stadtrat Schluss sein. Der Rat hat mit 50 zu 10 Stimmen bei 11 Enthaltungen eine Motion überwiesen, die eine echte Amtszeitbeschränkung auf drei Legislaturen fordert. Für eine Wiederwahl soll neu eine vierjährige Karenzfrist gelten. Grund ist, dass die eigentlich seit 1959 geltende Amtszeitbeschränkung mit dem «Trickli» teilweise umgangen wurde: Wer kurz vor Ende der Legislatur zurücktrat, konnte den Bisherigenstatus formell ablegen und trotzdem wieder antreten. Das haben zum Beispiel die amtierenden SVP-Stadträte Alexander Feuz und Ueli Jaisli getan. Jaisli ist, mit Unterbruch von einem Jahr, seit 2004 für die SVP im Stadtrat; Feuz seit 2011. Das verleitete Mirjam Roder (GFL) zur Bemerkung: «Lieber Ueli, als du zum ersten Mal über das Budget verhandelt hast, war ich neun Jahre alt.» Nun soll es den Sesselklebern (offenbar sind es immer Männer) an den Kragen gehen. 

PS: Den Rekord für die längste Amtszeit im Stadtrat hält der 2023 verstorbene Luzius Theiler. Der linksgrüne Politiker sass ab 1967 mit ein paar Unterbrüchen insgesamt 33 Jahre lang im Stadtparlament. Daneben war er auch 14 Jahre lang Grossrat.

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Diskussion

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Manuel C. Widmer
Grossrat / Lehrer / DJ

Luzifer Theiler

Ja, Luzius hat den unangefochtenen Rekord an Stadtratsjahren innen. Allerdings hatver sich nie des "Buebe-Tricklis" bedient, mit dem Feuz und Jaisli die Amtszeitbeschränkung umgehen. Er hat sich nach jeweils längeren Karenzzeiten von über 4 Jahen wieder in den Rat wählen lassen.