Pflegeassistent hier – Spitalgründer dort
Der Ugander Job Zilaba hat in seiner Heimat ein Spital aufgebaut. Mit seinem Lohn als Pflegeassistent am Inselspital zahlt er die Mitarbeiter*innen im Namutumba Community Hospital.
Es ist kurz nach vier Uhr nachmittags, Job Zilaba kommt gerade von einer Schicht auf der Intensivstation des Inselspitals. Er lacht herzlich. «Ich liebe meinen Job», sagt er. Obwohl die Patient*innen, wenn er sie verabschiede und «auf Wiedersehen» sage, immer abwinken würden. «Dann sagen sie, nein, hier wollen sie mich nicht mehr treffen.» Er grinst, ein kleiner Witz unter Intensivpfleger*innen.
Der 40-jährige Job Zilaba arbeitet 70 Prozent als Pflegeassistent, daneben schaut er zu seinen zwei kleinen Söhnen. Einen grossen Teil des Verdienstes im Spital investiert er in seinen Traum. Er hat in Uganda, seiner Heimat, ein Spital aufgebaut. Im Juli 2021 hat es eröffnet. Diesen Winter hat sogar das Inselspital ausgemusterte Ambulanzwagen gespendet.
Bis dahin war es ein langer, zäher Weg. Doch Job Zilabas Geschichte zeigt, dass es sich lohnt, gross zu träumen. Und an seinen Visionen festzuhalten, auch wenn andere nicht daran glauben. Denn zuerst wurde seine Idee in der Schweiz belächelt. «Sorry, ich muss das jetzt sagen, aber die Schweiz ist ein Dream-Killer», sagt Job Zilaba, der deutsch versteht, aber besser Englisch spricht. Es wird das einzige Mal an diesem heissen Nachmittag sein, dass er sich negativ äussert.
Job Zilaba ist einer, der an das Gute im Menschen glaubt. Und der die Missstände sieht. In seiner Heimat arbeitete er als Sozialarbeiter. In dieser Funktion kam er auch erstmals in die Region Namutumba, etwa 150 Kilometer östlich der ugandischen Hauptstadt Kampala gelegen. 2006, als 23-Jähriger, absolvierte er dort ein Praktikum. «Die Probleme waren offensichtlich: Schlechte Ernährung, viele Todesfälle im Wochenbett, keine Spitalversorgung», zählt er auf. Er schrieb an die Regierung, und die sagten, ja, sie würden sich um die Probleme kümmern.
Nichts passierte. 2008 begleitete Zilaba eine schwangere Frau auf dem Velo ins Spital im 40 Kilometer entfernten Iganga. Das Kind lag falsch herum. Unterwegs begannen die Presswehen. «Die Frau brauchte sofort eine Operation.» Damals gelang es ihm, gleichzeitig Geburtshilfe zu leisten und einen Transport ins entfernte Spital zu organisieren. Aber ihm wurde klar, dass sich im Grossen nie etwas ändern würde, handelte er nicht selbst.
Seine Mutter, die ihn während des Kriegs unter ebenso prekären Umständen geboren hatte, schoss das Geld vor, mit dem er ein Grundstück kaufte. «Zu Baustoffen kommt man in Uganda, es gibt viel Sand und Ziegel», sagt Zilaba. Das Namutumba Community Hospital war von Anfang an ein Gemeinschaftsprojekt, die Bevölkerung arbeitete mit, spendete Baumaterial. «Es ging nur mit Naturalleistungen, denn dort sind alle arm», erklärt Job Zilaba. Mit dem Einbezug der Bevölkerung ging auch ein Versprechen einher: Wenn das Spital einmal stehen würde, sollten die Bewohner*innen der Region so weit wie möglich Anstellungen erhalten.
Im April hat Job Zilaba zum ersten Mal seit der Eröffnung das Spital besucht. «Es passiert wirklich», sagt er unter einem Baum im Parkareal des Inselspitals. Er sagt es beinahe ungläubig. «Die Leute sind überzeugt vom Projekt, man spürt eine Veränderung.» Während seines Aufenthalts in Uganda wurde ein Kind ins Community Hospital gebracht, das eine Bluttransfusion brauchte. «Wir haben es gerettet, da wusste ich, alles hat sich gelohnt», sagt Job Zilaba.
Alles. Die 13 Jahre Bauzeit. Das investierte Geld, das zu einem grossen Teil von Zilaba selbst kam. «2010 landete ich der Liebe wegen in der Schweiz», erzählt er. Er schrieb 450 Bewerbungen, bis er endlich Arbeit im Inselspital fand. «Ein Glück», findet er. «Vielleicht hätte ich schon lange aufgegeben, wenn ich nicht hierher gekommen wäre.» Was er damit meint: Mit dem Einkommen, das er in Uganda verdienen würde, hätte er das Spital nicht finanzieren können. «Nun musste ich nicht mehr Investoren suchen, ich wurde selber der Investor», sagt er. Seit 2010 überweist er Monat für Monat über die Hälfte seines Einkommens nach Namutumba. Er verzichtet dafür auf Ausgang, auf eine Lizenz für die Fussballmeisterschaft mit dem FC Weissenstein. «Alles Geld, das ich hier ausgebe, ist Geld, das dem Spital fehlt», sagt er.
Er reibt sich mit den Händen über den Kopf. «Jetzt werde ich glatzköpfig, ich bin 40», sagt er. «Es wäre verrückt, wenn ich sagen würde, ich würde es nochmals machen.» Denn der Bau des Spitals stellte sich nicht als grösster Stolperstein heraus: Es war die Ausstattung, die sich eine grosse Hürde erwies. Es brauchte Spitalbetten. Und es brauchte vor allem auch ein Labor. «Ohne Labor ist ein Spital kein Spital», sagt er. Dort werden Proben von Blut, Stuhl, Urin etc. analysiert. «Ich konnte das nicht stemmen», sagt er, der bereits zu einem früheren Zeitpunkt einen Kredit beim Kreditinstitut Cembra aufgenommen hatte – und dafür von seinen Schweizer Bekannten kritisiert worden war. «Hätte ich aber als Schweizer ein Auto geleast, hätte niemand was gesagt», sagt Job Zilaba.
Doch nun, zu diesem Zeitpunkt im Herbst 2018, wusste Job Zilaba nicht weiter. Er beschloss, ein Fundraising-Gala-Diner zu organisieren, Familie und Freund*innen unterstützten ihn in der Küche, eingeladen waren seine Arbeitskolleg*innen. Und dann geschah das für Job Zilaba Unglaubliche: Stephan Jakob, Direktor und Chefarzt der Universitätsklinik für Intensivmedizin, spendete 50 Spitalbetten. Als Job Zilaba jetzt davon erzählt, muss er sich die Tränen aus den Augen wischen. Es war der Kippmoment, endlich wurde er in der Schweiz nicht mehr für seinen Traum belächelt. 2020 schliesslich spendete das Inselspital 60’000 Franken. Es war das Geld, das Job Zilaba noch für ein Labor gefehlt hatte. 2021 gab das Inselspital erneut 25’000 Franken für einen Operationssaal. Daraufhin wusste er: Jetzt kann das Spital eröffnen.
Ende gut, alles gut? Noch nicht ganz. Nach wie vor zahlt Job Zilaba das Spitalpersonal aus seiner eigenen Tasche. Dazu ist nun eine saftige private Steuerrechnung in der Schweiz gekommen. «Ich kann sie nicht bezahlen», sagt Job Zilaba, «ich bin kein guter Schweizer». Er zuckt mit den Schultern, aber ohne dabei zu lachen. Das ist ernst. Also stottert er die Steuern in Raten ab, gleichzeitig muss er manche Angestellten in Uganda auf später vertrösten, kann manche Löhne nicht mehr pünktlich zahlen. «Ich kann einfach nicht alles gleichzeitig machen.»
«Ich wünschte ich hätte genug finanzielle Unterstützung gehabt, dann wäre ich mit den Steuern nicht in Rückstand geraten», sagt er. Sein Engagement bereut er aber nicht. «Wenn Leute einem von seinen Träumen abraten wollen, hält man sich am besten die Ohren zu», sagt er – und zeigt es gleich vor. Auch seine Schweizer Frau, die jetzt anruft und fragt, wo er so lange bleibe, unterstütze ihn voll. «Zum Glück wusste sie nicht von Anfang an, wie lange das alles dauern würde», sagt er. Und grinst.
Mehr Infos: https://namutumbacommunityhospital.ug/