Polizeieinsatz beim Asylbunker in Brünnen

Beim unterirdischen Rückkehrzentrum in Bern Brünnen hat die Polizei am Donnerstag mit vorgehaltener Waffe und Taser einen aufgebrachten Bewohner der Unterkunft angehalten.

Rückkehrzentrum Bern Brünnen
Auf dem Weg beim Eingang zum Rückkehrzentrum Brünnen hat die Polizei einen Mann angehalten, der Glasscherben in den Händen hielt. (Bild: Manuel Lopez)

Unter dem Coop-Verteilzentrum in Bern Brünnen wohnen seit Januar abgewiesene Asylsuchende in einer unterirdischen Zivilschutzanlage. Hilfsorganisationen warnen schon länger, dass diese prekäre Wohnsituation für die Bewohner, welche lediglich Nothilfe erhalten, psychisch belastend sei. Laut Aktivist*innen von Hilfsorganisationen, welche Kontakt zu Personen im Zentrum haben, sind im unterirdischen Rückkehrzentrum immer wieder traumatisierte Afghanen untergebracht.

Diese Woche kam es zu einer Auseinandersetzung eines Bewohners mit der Zentrumsleitung, die einen Polizeieinsatz nach sich zog. Laut dem Migrant Solidarity Network, einem Verein aus Bümpliz, der sich für Migrant*innen einsetzt, hat sich am Donnerstagmorgen ein Bewohner geweigert, «gratis Reinigungsarbeiten im Bunker zu verrichten». In der Folge sei es zu Spannungen zwischen der betroffenen Person und einem ORS-Mitarbeiter gekommen. Die private Firma ORS ist die Betreiberin des Rückkehrzentrums. 

Der abgewiesene Asylsuchende drohte laut dem Migrant Solidarity Network, sich selbst mit einem Spiegelsplitter zu verletzen. Die Situation sei eskaliert und die ORS habe die Polizei gerufen. Die Person sei aus dem Bunker geflüchtet und vor der Unterkunft von den Polizeibeamten angehalten worden. Diese haben laut dem Migrant Solidarity Network beim Einsatz eine Schusswaffe und einen Taser auf den aufgebrachten Bewohner gerichtet. Der eine Beamte habe schliesslich die Person mit einem Elektroschock ruhiggestellt.

Rückkehrzentrum Bern Brünnen
Der Eingang zur Zivilschutzanlage in Bern Brünnen, in der abgewiesene Asylsuchende untergebracht sind. (Bild: Manuel Lopez)

Die Berner Kantonspolizei bestätigt auf Anfrage der «Hauptstadt» den Polizeieinsatz beim Rückkehrzentrum. Am Donnerstag um 10.15 Uhr sei eine Meldung eingegangen, dass sich ein Bewohner im Zentrum drinnen renitent verhalte und Mobiliar zerschlage. Als die Polizist*innen vor Ort eintrafen, habe sich der betreffende Mann vor dem Zentrum auf einem Weg befunden. «Die Einsatzkräfte stellten sofort fest, dass er in beiden Händen Glasscherben hielt und dass er im Bereich von Hals und Bauch Verletzungen aufwies», schreibt die Medienstelle der Polizei. 

Weil die Patrouille nicht wusste, was vor ihrem Eintreffen passiert war, hätten sie von einer Gefährdung für den Mann selbst, aber auch für andere Personen ausgehen müssen, so die Polizei. «Die Einsatzkräfte forderten den Mann entsprechend unter Waffenhoheit auf, die Glasscherben fallen zu lassen, worauf er jedoch keine Reaktion zeigte.»

Der Mann wurde in ärztlicher Obhut belassen

Der Mann hat laut der Polizei in der Folge die Glasscherben weiterhin gegen sich selbst gerichtet. «Die Polizisten entschieden folglich, unter anderem auch zum Schutz des Mannes, das Destabilisierungsgerät einzusetzen.» Daraufhin sei der Mann arretiert worden. Er wurde sofort ins Spital gebracht und dort medizinisch versorgt. «Für weitere Abklärungen bezüglich seinem psychischen Gesundheitszustand sowie für allfällige in diesem Zusammenhang notwendige Massnahmen wurde der Mann in ärztlicher Obhut belassen», schreibt die Polizei weiter. Weitere Abklärungen – auch in Bezug auf mögliche strafrechtliche Folgen – seien aktuell noch im Gang.

Weniger ausführlich Auskunft gab das kantonale Amt für Bevölkerungsdienste, das für das Rückkehrzentrum zuständig ist. Es bestätigt zwar den Vorfall: «Das renitente Verhalten eines Bewohners hat am 30. März 2023 einen Polizeieinsatz im Aussenbereich des RZB Bern-Brünnen erforderlich gemacht.» Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes will das Amt aber keine weiteren Details kommunizieren. 

Das Amt weist aber «ausdrücklich» darauf hin, dass das vor Ort anwesende Betreuungspersonal korrekt gehandelt habe. Das Wohl und die Sicherheit der Bewohnerinnen und Bewohner wie auch des Betreuungspersonals in den Rückkehrzentren hätten oberste Priorität.

Lärm, abgestandene Luft, keine Rückzugsmöglichkeit

Das Migrant Solidarity Network kritisiert in seiner Stellungnahme das Nothilfe-Regime und die «entmenschlichenden und krankmachenden Bedingungen» im unterirdischen Bunker: «Der andauernde Lärm, der Mangel an Rückzugsmöglichkeit, die abgestandene Luft, die Kontrollen von ORS AG bringen die Menschen an den Rand ihrer psychischen Grenzen.» Die Berichte von Betroffenen dazu seien eindeutig. Das Leben im Bunker sei zusätzlich zu den Einschränkungen des Nothilfe-Regimes spezifischen «Hausregeln» unterworfen: Tägliche Präsenzpflicht, gratis Reinigungsarbeiten und beschränkte Benutzung der Infrastruktur. Das bringe Menschen, die ohnehin ohne Tageslicht und frische Luft leben, zusätzlich unter Druck. Es brauche dann leider nicht viel, um die banalste Situation zum Eskalieren zu bringen, so das Migrant Solidarity Network.

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