Wer dominiert das Berner Pop-Up-Game?

Ob Sommer oder Winter, die Pop-Ups in Bern haben immer Hochkonjunktur. Allein in den letzten zwei Wochen eröffneten drei neue temporäre Bars.

Impressionen vom Aufbau des Kater Karlo 3 Popup von Mosaik Events, fotografiert am Donnerstag, 5. Oktober 2023 in Bern. (Hauptstadt / Manuel Lopez)
Zwei Firmen wetteifern um ihr Zielpublikum und stampfen Pop-Up um Pop-Up aus dem Boden: Kater Karlo im Postparc. (Bild: Manuel Lopez)

Umgebaute Container und Sitzflächen aus Paletten: Die etwas gebastelt und amateurhaft wirkenden, darum aber umso charmanteren und persönlicheren Pop-Up-Bars findet man nicht nur im Sommer auf vielen Plätzen der Stadt Bern. In den letzten zwei Wochen haben drei Pop-Up-Bars, eingemietet als Zwischennutzung, eröffnet: Kater Karlo, Sir Edward Rabe und Maison Bern.

Das lässt auf den ersten Blick auf ein vielfältiges und wechselndes Gastroangebot schliessen. Doch hinter vielen Pop-Ups in Bern stehen immer wieder dieselben zwei Firmen: Mosaik und TT Concepts.

Zwei Platzhirsche

Die Eventfirma Mosaik startete vor gut zehn Jahren mit Elektro-Musik-Veranstaltungen, bis sie 2017 mit der Pop-Up-Bar Peter Flamingo auf der grossen Schanze die Pop-Up-Kultur der Stadt Bern quasi einläutete. Hinter Mosaik stehen Camil Schmid, Claudio Maestretti und Dominic Kummer. Seither ploppen nicht nur weitere Pop-Ups der Firma Mosaik auf, deren Markenzeichen es ist, dass die Namen der Bars an Comicfiguren erinnern. Auch weitere kleinere und grössere Firmen haben solche Bars eröffnet.

Der zweite grosse Player im Berner Pop-Up-Game ist die Firma TT Concepts. Die Firma gehört Tom Weingart, der punktuell immer wieder mit Sternekoch Markus Arnold zusammenarbeitet. Die beiden haben sich schon, bevor sie sich in die Pop-Up-Branche begaben, in der Berner Gastro-Szene einen Namen gemacht: Koch Markus Arnold wurde mit dem Restaurant Steinhalle 2020 mit einem Michelin Stern und 2021 mit 17 Punkten bei Gault Millau ausgezeichnet.

TT Concepts betreibt unter anderem auch das Pop-Up Park am Wasser im Dalmazipark, sowie das eben erst eröffnete Maison Bern, wo wahrscheinlich zum ersten Mal in einem Berner Pop-Up Musik von DJs bis in die frühen Morgenstunden serviert wird. Gemeinsam mit Markus Arnold betreibt Tom Weingart des weiteren die Bar im Museumspark sowie den Berner Sternenmarkt.

Impressionen vom Aufbau des Kater Karlo 3 Popup von Mosaik Events, fotografiert am Donnerstag, 5. Oktober 2023 in Bern. (Hauptstadt / Manuel Lopez)
Claudio Maestretti, Dominic Kummer und Camil Schmid leiten die Eventfirma Mosaik (v.l.n.r.). (Bild: Manuel Lopez)

Die beiden Platzhirsche setzen nicht nur auf Pop-Ups. Mosaik betreibt das Badibeizli im Marzili und führt im Wankdorf und in der Genfergasse zwei fixe Bars. Tom Weingart und Markus Arnold stehen auch hinter der Rooftop Brasserie im Globus oder Mamas Momos in der Christoffelgasse.

Hier haben sich in den letzten Jahren zwei neue Berner Gastro-Riesen gebildet.

Magische Anziehung 

Schnell ist klar: Pop-Ups sind eine gute Möglichkeit, um Neues auszuprobieren. Durch die zeitlich begrenzte Nutzung ist das Risiko kleiner, rote Zahlen zu schreiben. Denn das Publikum wird fast magisch angezogen von der limitierten Verfügbarkeit. Das lässt sich mit einer Aktion im Supermarkt vergleichen: Jede*r will ein Stück davon haben, weil die Aktion bald wieder vorbei sein wird. 

Wenn das Geschäft nicht gut läuft, ist es für die Betreiber*innen nicht ganz so schlimm, wie wenn sie dauerhaft eingemietet sind: Die Fixkosten sind im Vergleich tiefer, der Aufwand kleiner.

Dass solche Bars seit 2017 immer häufiger in Bern auftauchen, ist zwar kein Zufall, aber auch nicht von der Stadt direkt gesteuert, schreibt Norbert Esseiva, Leiter Orts- und Gewerbepolizei, auf Anfrage. «Wir haben einige davon als Pilotprojekte ermöglicht und sie in den Folgejahren – wenn nichts dagegen sprach – erneut bewilligt.»

Ein weiterer Grund für die wachsende Zahl der Pop-Ups kann auch deren pragmatische Bewilligung sein. Sie passen zum Sicherheitskonzept der Stadt Bern, das – unter anderem – Sicherheit durch Belebung des öffentlichen Raums anstrebt. 

Das bestätigt auch Schmid: «Es ist einfach, eine Pop-Up Bewilligung zu erhalten. Wenn der Platz frei ist und du die Unterlagen korrekt einreichst, bekommst du sie.»

Impressionen vom Aufbau des Kater Karlo 3 Popup von Mosaik Events, fotografiert am Donnerstag, 5. Oktober 2023 in Bern. (Hauptstadt / Manuel Lopez)
Immer wieder Auf- und Abbauen: Das ist weniger nachhaltig als ein fester Standort. (Bild: Manuel Lopez)

Es gibt einige Rahmenbedingungen: Auf öffentlichem Grund dürfen die Bars nicht länger als drei Monate am Stück stehen, die Miete definiert die Stadt Bern. Voraussetzungen sind etwa die Instandhaltung des Ortes und keine Konsumpflicht der Gäst*innen. 

In Innenräumen entstehen Pop-Up-Bars hingegen oft durch Zwischennutzungen: Leerstehende Gebäude, in denen später etwas anderes vorgesehen ist oder die bald abgebrochen werden. Die Miete ist tiefer als für fix eingemietete Firmen und wird mit den oft auch privaten Vermieter*innen verhandelt.

Innovativ oder nachhaltig

Auffällig ist: Es gibt immer mehr von diesen kleinen befristeten Bars in Bern. Braucht die Stadt so viele kommerzialisierte Orte, auch wenn sie bereits vorher belebt waren? Und ist das Pop-Up-Geschäft eine Goldgrube, weil die Zielgruppe auf alles springt, das neu ist? 

Sowohl Camil Schmid von Mosaik wie auch Norbert Esseiva verneinen. Nicht alle Pop-Ups seiner Firma würden sich lohnen, findet Schmid. Aber ihr Grundsatz ist ein anderer: «Wir wollen innovativ sein und lieben es, Neues zu konzipieren. Mit einem fixen Standort können wir das nicht.» So sei zum Beispiel die Winter-Pop-Up-Bar Oscar Elch in Bern die erste ihrer Art gewesen oder das Sommer Pop-Up Peter Flamingo biete Themenabende, alternative Kulturprojekte oder experimentelle Musik. 

Das sich ständig neu erfinden hat aber auch eine Kehrseite, wie Schmid einräumt: «Unsere zeitlich begrenzten Bars sind nicht nachhaltig.» Das wiederholte Auf- und Abbauen brauche viele Ressourcen. 

Impressionen vom Aufbau des Kater Karlo 3 Popup von Mosaik Events, fotografiert am Donnerstag, 5. Oktober 2023 in Bern. (Hauptstadt / Manuel Lopez)
Die Konkurrenz schläft nie: Das Pop-Up der Firma TT Concepts hat drei Stunden länger geöffnet als die Pop-Up-Bars von Mosaik. (Bild: Manuel Lopez)

«Die Gebühren für gute Plätze sind relativ hoch, die Betriebszeiten eingeschränkt und das Risiko für schlechtes Wetter und weniger Umsatz relativ gross», zählt Stadt-Vertreter Esseiva die Nachteile auf. Der Standort von Peter Flamingo koste zum Beispiel 30’000 Franken Miete für drei Monate. 

Kein Ende in Sicht

Maison Bern, das neueste Pop-Up von TT Concepts, hat bis um halb vier Uhr morgens geöffnet. Die Betriebe von Mosaik nur bis um halb eins. Schmid ist ein bisschen neidisch auf die Überzeitbewilligung der Konkurrenz. Dieser Wettstreit sorge aber auch für Spannung, man sei immer wieder herausgefordert durch die Konkurrenz und dazu gezwungen, besser und innovativer zu werden, sagt Schmid. 

Auch Mosaik macht sich in der Gastroszene mit seiner umfassenden Präsenz nicht nur Freund*innen. Das bestätigt Schmid: «Es gibt auch Leute, die uns nicht so mögen. Aber ich denke, das ist normal in der Szene. Es allen recht zu machen ist leider nicht möglich.» Da komme es nicht darauf an, ob es sich dabei um ständige Betriebe oder Pop-Up-Bars handle. 

Impressionen vom Aufbau des Kater Karlo 3 Popup von Mosaik Events, fotografiert am Donnerstag, 5. Oktober 2023 in Bern. (Hauptstadt / Manuel Lopez)
Wissen, wie das Geschäft läuft: Die Vorbereitungen für das Pop-Up von Mosaik laufen auf Hochtouren. (Bild: Manuel Lopez)

Dafür, dass in Bern vor allem zwei grosse Player das Pop-Up-Business dominieren, sieht sich die Stadt nicht verantwortlich. «Unsere Aufgabe ist es nicht, den Markt zu regulieren», sagt Esseiva. Die Stadt prüfe die Gesuche und wenn der Platz frei sei und materiell nichts gegen eine Bewilligung spreche, werde beim Gemeinderat das OK abgeholt.

Schnell ist klar: Ob bereits zuvor im Gastro-Business tätig wie Tom Weingart von TT Concepts oder durch Learning-by-Doing und Erfahrung im Veranstalten von Events wie bei Mosaik, beide Firmen sind durch das gegenseitige Anspornen Profis geworden. Sie wissen, wie das Geschäft läuft, sie kennen die Gastro-Szene, sie haben das Material. Sie haben aber auch Beziehungen und kennen verschiedene Quellen, um zu erfahren, wo ein attraktiver Standort frei wird. «Wir sind in gutem Kontakt mit der Politik, der Gewerbepolizei und Liegenschaftsverwaltungen», bestätigt Camil Schmid.

Vermutlich werden auch in Zukunft charmante Pop-Ups aufploppen. Und vermutlich werden auch in Zukunft meistens professionelle Betreiber dahinterstehen. Denn, so gebastelt alles wirkt, ist es doch ein knallhartes Geschäft. 

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Diskussion

Unsere Etikette
Sajeela Schmid
17. Oktober 2023 um 07:01

Der Artikel ist sehr interessant. Gerne würde ich auch über die Pop-ups der jenigen lesen, die keine Gastroprofis sind. Wie läuft es bei denen, wie schaffen sie es etc. Danke.

Manuel C. Widmer
17. Oktober 2023 um 05:34

Gut gebrüllt, Löwin. Das Fazit "Denn, so gebastelt alles wirkt, ist es doch ein knallhartes Geschäft" ist richtig und wichtig. Das soll und darf man sich auch mal bewusst machen, ohne dass es den Charme der Veranstaltungen schmälert. Aber bei der Abschöpfung und in Verhandlungen darf das durchaus auch eine Rolle spielen. Danke für die sorgfältige Recherche.