Bedrängte Wissenschaft
Der Krieg im Nahen Osten fordert weltweit auch Universitäten heraus. Wie geht die Uni Bern um mit den Kontroversen um Postkolonialismus, Aktivismus und Wissenschaftsfreiheit?
Nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 ist an verschiedenen Universitäten in Europa und den USA Ähnliches passiert: Aktivistische – bis hin zu gewaltverherrlichende – Positionierungen von Forschenden und Studierenden lösten heftige Gegenreaktionen aus.
Die Präsidentin der amerikanischen Harvard Universität musste im Januar ihren Posten räumen. Studierende hatten Schreiben veröffentlicht und Aktionen organisiert, die Israel die alleinige Schuld an den Hamas-Angriffen gab. Präsidentin Claudine Gay verstrickte sich in ungeschickten Formulierungen und versäumte es, die Ereignisse moralisch zu verurteilen. Zu den Antisemitismus- gesellten sich Plagiatsvorwürfe. Sie musste, nach nur sechs Monaten im Amt, zurücktreten.
Im Februar wurde der libanesisch-australische Professor für Anthropologie, Ghassan Hage, vom deutschen Forschungsverbund Max-Planck-Gesellschaft entlassen. Seine Äusserungen in den sozialen Medien (israelkritisch oder – je nach Ansicht – antisemitisch) seien «mit den Grundwerten der Max-Planck-Gesellschaft unvereinbar». Die Institution schrieb: «Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit findet seine Grenze in den wechselseitigen Pflichten zur Rücksichtnahme sowie Loyalität im Arbeitsverhältnis.» Aus dem akademischen Umfeld erhält Hage derzeit zahlreiche Solidaritätsbekundungen.
An der Universität Basel entfachte sich eine Kontroverse um das Fach Urban Studies, nachdem Angehörige des Fachs auf der Uni-Website ein Schreiben veröffentlicht hatten, das Israel alleine für die Gewalteskalation verantwortlich machte und den Hamas-Terror nicht erwähnte. Die Universitätsleitung gab eine Untersuchung des Fachs in Auftrag. Die postkolonialen Forschungsansätze, die dort gelehrt werden, gerieten stark in Kritik.
Und die Universität Bern entliess im Oktober einen Dozenten, nachdem er auf X Posts abgesetzt hatte, die den Terror der Hamas verherrlichten. Der Dozent ist ausgerechnet mit der Leiterin seines Instituts liiert, der Islamwissenschaftlerin Serena Tolino. Die Uni ordnete eine externe Untersuchung an. Im Februar löste die Unileitung das Institut für Studien zum Nahen Osten und zu muslimischen Gesellschaften auf, um es inhaltlich neu auszurichten. In der Untersuchung wurden Polarisierung, Führungsfehler und mangelnde Grenzziehung zwischen Wissenschaft und politischem Engagement festgestellt.
Die Fälle zeigen: Reaktionen auf die Eskalation im Nahen Osten stellen Universitäten vor grosse Herausforderungen. Es gäbe dazu zahlreiche weitere Beispiele aus den vergangenen Monaten zu erzählen. Auf den Druck von Medien und Öffentlichkeit hin müssen sich Forschungs- und Bildungseinrichtungen aktuell schwierigen Fragen stellen: Wo hört Wissenschaft auf und wo beginnt politisches Engagement? Wann soll eine Uni eingreifen – und ab wann ist die Wissenschaftsfreiheit in Gefahr?
Die Universität Bern nimmt diese Debatte offensichtlich nicht auf die leichte Schulter. Auf eine Interview-Anfrage der «Hauptstadt» bietet sie gleich drei hochkarätige Expert*innen auf:
Generalsekretär Christoph Pappa (der den krankheitshalber verhinderten Rektor Christian Leumann vertritt)
Peter J. Schneemann, Dekan der philosophisch-historischen Fakultät
Patricia Purtschert, Professorin für Geschlechterforschung und Co-Leiterin des Interdisziplinären Zentrums für Geschlechterforschung.
Das Gespräch zeigt schon in seiner Anlage den Kern der Kontroverse auf: Die Dinge sind komplex. Das müssen wir manchmal aushalten.
Was uns dabei helfen kann: Ein paar grundsätzliche Fragen stellen.
Was ist eigentlich Postkolonialismus?
Steht dieser Ansatz dem politischen Aktivismus zu nahe?
Soll Wissenschaft frei von Werthaltungen sein?
Wie sollen sich Wissenschaftler*innen öffentlich äussern dürfen?
Ist die Wissenschaftsfreiheit in Gefahr?
Was ist gefährlicher: Aktivismus an Unis oder pauschale Angriffe auf Wissenschaftszweige?
Was ist eigentlich Postkolonialismus?
Postkolonialismus, zuvor eher kein landläufiger Begriff, ist gerade zu einem Reizwort geworden.
Weil der Forschungsansatz, auf den Nahostkonflikt angewandt, Israel generell als weisse, kolonialistische Besatzungsmacht begreife, steht er in der Kritik. Ausserdem stehe Postkolonialismus dem politischen Aktivismus zu nahe. Deshalb sei er nicht wissenschaftlich, argumentieren vorwiegend konservative Medien.
In einem Interview mit der Sonntagszeitung stimmte die Rektorin der Uni Basel dem Journalisten zu, als er den Forschungsansatz als «Ideologie» bezeichnete, «die die Welt in Täter und Opfer unterteilt und keinerlei Grautöne zulässt». Unter Studierenden löste die Aussage Empörung aus.
Patricia Purtschert verfolgt als Wissenschaftlerin postkoloniale Forschungsansätze. Was das ist, erklärt sie so: «Die Ansätze beschäftigen sich mit dem Kolonialismus und seinen Folgen für die Gegenwart.» Zentral sei die Analyse von Macht- und Unrechtsverhältnissen, zum Beispiel Formen von Rassismus. Seit den 1980er-Jahren etablieren sich diese Ansätze in der Forschung vermehrt. Purtschert selbst beschäftigt sich vor allem mit der postkolonialen Geschichte der Schweiz.
Postkoloniale Ansätze, sagt Purtschert, würden in ganz verschiedenen Wissenschaftsbereichen verfolgt. Von Politikwissenschaft bis zur Klimaforschung. «Es ist eine Querschnitts-Frage», sagt Purtschert. «Aber aktuell wird daraus ein Monolith gemacht.»
Der Konflikt zwischen Israel und Palästina stehe nicht im Zentrum des Postkolonialismus. Viel häufiger gehe es um den indischen Subkontinent oder die Beziehungen zwischen Afrika, Amerika und Europa. «Es macht aber durchaus Sinn, über den sogenannten Nahen Osten aus postkolonialer Perspektive nachzudenken», sagt Purtschert. Zum Beispiel, weil er Einflussgebiet von europäischen Kolonialmächten wie Grossbritannien und Frankreich war. Oder um sich zu fragen, weshalb man von einem «Nahen Osten» spreche, was eine eurozentristische Sichtweise zum Ausdruck bringe. Aber die postkoloniale Diskussion beziehe sich weit darüber hinaus auf unterschiedlichste geopolitische Verhältnisse.
Was ihr Sorgen bereitet: «Gewisse Darlegungen behaupten derzeit, dass der Postkolonialismus grundsätzlich antisemitisch sei», sagt Purtschert. Diese pauschale Behauptung stimme nicht und sie verdecke zwei Dinge: «Einerseits, dass es postkoloniale Forschung gibt, die das Verhältnis von Antisemitismus und kolonialem Rassismus untersucht und damit zum Verständnis von Antisemitismus beiträgt – auch wenn diese Schnittstelle noch stärker bearbeitet werden sollte.» Zum anderen werde die wichtige Forderung, dass es eine Auseinandersetzung mit Antisemitismus geben muss, auf die postkolonialen Studien verengt. «Die Untersuchung von und Kritik an antisemitischen Positionen und Inhalten ist jedoch eine Aufgabe, die die ganze Wissenschaft angeht, die postkolonialen Studien genauso wie alle anderen Forschungsfelder.»
Steht der postkoloniale Ansatz dem politischen Aktivismus zu nahe?
Der Aktivismus, wie etwa die «Black Lives Matter»-Bewegung, könne Forschenden Anstösse bieten, die sie dann wissenschaftlich untersuchen, sagt Purtschert.
Was Wissenschaftlichkeit bedeutet, sei aber klar umrissen: «Man muss Argumente belegen, transparent machen, woher man spricht, und den Raum öffnen für Diskussion. Das gilt auch für Wissenschaftler*innen mit einem Interesse an aktivistischen Bewegungen.»
Vom 4. bis zum 8. März gastierte die «Hauptstadt» an der Universität Bern. Die Redaktion verlegte ihren Standort für eine Woche ins Hauptgebäude und tauchte ins Uni-Leben ein. Artikel, die während diesen Aufenthalt entstanden, werden auch in den nächsten Wochen noch publiziert.
Im Fokus steht die Universität nicht nur als Ort der Wissenschaft. Sondern als vielfältiger, dynamischer gesellschaftlicher Lebensraum in der Länggasse. Wir fragen auch: Wie muss man sich ein Student*innenleben – jenseits der Vorurteile – vorstellen? Und wie kommen Studierende in der Länggasse gastronomisch über die Runden?
Hier geht es zum thematischen Schwerpunkt.
Purtschert findet aber: Solche Abgrenzungsfragen bestehen nicht nur in politisch exponierten Forschungsgebieten, sondern in sämtlichen Bereichen der Wissenschaft. Oft arbeiten Universitäten etwa mit der Industrie zusammen. «Da muss man sich auch ständig fragen: Wie forscht man so, dass man sich nicht von den ökonomischen Interessen treiben lässt?», sagt die Professorin.
Die Idee der absoluten und ahistorischen Objektivität und Neutralität in der Wissenschaft sei überholt.
«Jede Wissenschaft ist auf irgendeine Art und Weise situiert», sagt Purtschert. Und die Arbeit werde besser, wenn man die eigene Position unmissverständlich ausweise. Hier sei der Postkolonialismus anderen Wissenschaftsbereichen sogar voraus: «Weil diese Ansätze in der Forschung lange kein Mainstream waren, mussten sie schon immer verstärkt den eigenen Standpunkt darlegen und reflektieren.»
Soll Wissenschaft frei von Werthaltungen sein?
Peter J. Schneemann, Dekan der philosophisch-historischen Fakultät, sagt: «Kein Wissenschaftsbereich ist frei von Werthaltungen. Das wäre ja schlimm.»
Ethik sei nicht umsonst eng mit der Wissenschaftsgeschichte verbunden. Moralische Haltungen dürften die wissenschaftlichen Erkenntnisse aber nicht trüben.
Die grosse Herausforderung dabei: «Wir müssen Komplexität aushalten», sagt Schneemann. Das gelte für Forschende selbst und auch für die Allgemeinheit. In der öffentlichen Diskussion werde aktuell aber verzweifelt nach Eindeutigkeiten gesucht.
Schneemann sieht den wachsenden öffentlichen Druck auf die Universitäten aber auch als Chance. «Es bringt uns weiter, dass die Öffentlichkeit so kritisch nachfragt», sagt er.
Lange seien geisteswissenschaftliche Disziplinen als irrelevante Orchideenfächer verschrien worden. «Jetzt wird deutlich, welche Relevanz unsere Forschung hat, weil sie zentrale Aushandlungsprozesse in der Gesellschaft betrifft», sagt er.
Die Skepsis und die Ideologie-Vorwürfe seien für die Universität allerdings ein Zeichen, mehr in die Wissenschaftskommunikation zu investieren. Es müsse in der Gesellschaft auch ankommen, was die Wissenschaft leiste, was man von ihr erwarten könne und was nicht. «Natürlich verhandeln die Geisteswissenschaften politische Fragen», sagt er. «Die Frage ist, wie wir darüber reflektieren.»
Bei der Kontroverse um das Nahost-Institut an der Uni Bern habe sich gezeigt, dass Studienrichtungen thematisch nicht zu eng sein dürfen. Ein Studium müsse verschiedene Forschungsansätze umfassen. Und Professor*innen mit verschiedenen Ansätzen müssten sich gegenseitig stärker kritisch herausfordern.
«Eine Diversität der Perspektiven ist wichtig», sagt Schneemann. Interdisziplinäre Studienprogramme seien deshalb sinnvoll. Darauf will er bei der Neuausrichtung des Instituts achten.
Wie sollen sich Wissenschaftler*innen öffentlich äussern dürfen?
Die Uni Bern hat dazu vor drei Jahren neue Leitlinien definiert. Sie haben auch damals schon zu kontroversen Diskussionen geführt. Nun ist diese Frage wieder aktuell.
Generalsekretär Christoph Pappa sagt: «Politisches Engagement von Uni-Angestellten ist per se kein Problem. Sie müssen aber klar abgrenzen, worum es sich handelt: die persönliche Meinung, die wissenschaftliche Position oder die Position der Uni.»
Die Meinungsfreiheit gestatte es allen Mitarbeitenden, ihre persönliche Meinung zu vertreten. Doch sie dürften die Universität dabei nicht als Vehikel zum Transportieren dieser Meinung benutzen. «Eine Meinungsäusserung hat ein anderes Gewicht, wenn man sie im Namen der Uni macht, als wenn man sie als Privatperson macht.» Und je exponierter und bekannter jemand sei, umso genauer werde in der Öffentlichkeit hingeschaut.
Ist die Wissenschaftsfreiheit in Gefahr?
Die Debatte um die Wissenschaftsfreiheit geht über den Postkolonialismus und den Krieg in Gaza hinaus. Eine beträchtliche Zahl von geisteswissenschaftlichen Forscher*innen fühlt sich aktuell von konservativen Meinungsmacher*innen und Medien unter Druck.
Ausdruck davon ist ein offener Brief, der eine Gruppe von Forschenden der Uni Bern am 27. Februar zusammen mit weiteren Schweizer Professor*innen lancierte.
Der Brief verlangt von den Universitäten, dass sie auf die Angriffe konservativer Kräfte auf die Wissenschaftsfreiheit reagieren. Über 30 Professor*innen und Dutzende weitere Forscher*innen der Uni Bern haben den Brief unterzeichnet. Sie erhalten Zuspruch von hunderten Forscher*innen und Professor*innen aus der Schweiz und aller Welt.
Die Autor*innen machen sich «grosse Sorgen über die Erosion der akademischen Freiheit sowie über das zunehmend anti-wissenschaftliche Klima in der Schweiz». Gemeint sind dabei die «verstärkten Angriffe von Teilen der Medien und Politik auf die Sozial- und Geisteswissenschaften».
Im Brief wird auch die Universität Bern kritisiert. Sie habe mit ihren Untersuchungen des Nahost-Instituts indirekt akzeptiert und legitimiert, wie die Medien kritische Forschung als «ideologisch» und unwissenschaftlich diskreditierten. Dieses mediale Bild sei aber wissenschaftlich unqualifiziert und politisiert.
Die Universitätsleitung wird aufgefordert, gemeinsame Strategien gegen externen politischen Druck zu entwickeln.
Die Universitätsleitung habe den offenen Brief zur Kenntnis genommen, sagt Generalsekretär Christoph Pappa. Er versteht allerdings nicht, weshalb viele Berner Professor*innen anonym unterschrieben haben. «Wir sind gerne bereit, uns als Universität der Debatte zu stellen.» Aber Anonymität in einem öffentlichen Brief sei ein Widerspruch.
Der Brief enthalte bedenkenswerte Überlegungen. «Niemand darf angegriffen werden, nur weil er oder sie ein gewisses Forschungsfeld bearbeitet», sagt Pappa. Hier müsse die Universitätsleitung stärker klarstellen: «Die Forschungsfreiheit beinhaltet auch die Freiheit, gewisse Gebiete zu beforschen, und das mit unterschiedlichen wissenschaftlichen Methoden.»
Professorin Patricia Purtschert will nicht offenlegen, ob sie den offenen Brief unterzeichnet hat.
Aber im Gespräch kritisiert auch Purtschert die Auswirkungen der aktuellen Debattenkultur auf die Forschung. «In der verkürzten Darstellung von Postkolonialismus, die in vielen Medien zirkuliert, erkenne ich oftmals mein eigenes Forschungsgebiet nicht wieder», sagt sie. Man könne über vieles streiten in der postkolonialen Forschung. «Aber zu sagen, es handle sich um eine Ideologie und nicht um eine Wissenschaft, beendet die konstruktive Auseinandersetzung.» Dann könne sie nicht mehr aus dem eigenen Forschungsfeld heraus argumentieren, sondern müsse zeigen, dass sie überhaupt Wissenschaft betreibe.
Die Tendenz konservativer Kreise, Wissenschaft als Ideologie zu diskreditieren, betreffe auch weitere Forschungsgebiete. Etwa die Klimawissenschaft. Diese Entwicklung bringe Wissenschaftler*innen in schwierige Positionen. «Wenn ich jedes Mal erklären muss, dass die Welt keine Scheibe ist, komme ich gar nicht dazu, über die relevanten Forschungsergebnisse zu sprechen», sagt Purtschert.
Was ist gefährlicher: Aktivismus an Unis oder pauschale Angriffe auf Wissenschaftszweige?
Es läuft darauf hinaus, sich zu fragen: Ist die Wissenschaft stärker gefährdet durch einen politischen Aktivismus an Instituten oder durch die pauschalen Angriffe auf den Postkolonialismus von Zeitungen wie der NZZ oder konservativen Ideolog*innen?
Generalsekretär Christoph Pappa sagt, die Frage sei schwierig zu beantworten. Die Wissenschaftsfreiheit müsse man immer wieder und gegenüber allen Seiten verteidigen: die Möglichkeit, Forschungsgegenstände und Methoden zu wählen, Hypothesen aufzustellen und diese zu überprüfen.
«Wenn von irgendwoher der Anspruch kommt: Ihr dürft das nicht forschen, oder ihr müsst so und nur so forschen, dann ist das eine grosse Herausforderung», sagt Pappa.
Er glaubt, dass eine stärkere Spaltung in der Gesellschaft den Druck auf die Wissenschaft überhaupt erhöhe. Die Kritik an Forschung und Universitäten wachse – von konservativer wie auch von progressiver Seite. Mit anderen Worten: Man spüre an den Unis sowohl den rechten Kampf gegen «Wokeismus» als auch das, was gemeinhin als linke «Cancel Culture» bezeichnet werde. Als Beispiel nennt Pappa den Vortrag der Verhaltensbiologin Marie-Luise Vollbrecht, den diese im Rahmen der «Langen Nacht der Wissenschaften» an der Humboldt-Universität Berlin zu den zwei Geschlechtern in der Biologie halten wollte. Aktivistinnen und Aktivisten hatten bereits in den Tagen zuvor in den sozialen Medien zu Protesten gegen die Veranstaltung aufgerufen, worauf der Vortrag abgesagt wurde.
Angriffe der Konservativen auf die Geisteswissenschaften beschäftigen auch die philosophisch-historische Fakultät. Etwa ein Artikel der Sonntagszeitung, der eine Reihe von geisteswissenschaftlichen Nationalfonds-Studien als fragwürdig kritisierte. «Wir haben uns extrem geärgert über diese Auflistung von Forschungsthemen», sagt Dekan Schneemann.
Er sieht deshalb aber nicht schwarz. Man könne diese Liste durchgehen und überall zeigen, warum diese Themen wichtig sind, die «vielleicht am Sonntagmorgen beim Zeitunglesen nicht allen gleich einleuchten».
«Wir müssen die Wissenschaftskommunikation sehr ernst nehmen und intensivieren», sagt Schneemann. «Wissenschaft galt lange Zeit als eine Doktrin, verhandelt von Eliten – doch das ist heute ein alter Hut.» An diesem Punkt sei man zum Glück nicht mehr. «Aber jetzt müssen wir auch dazu stehen, dass diese öffentlichen Diskussionen stattfinden.»
Wichtig sind ihm dabei die Studierenden, die durch öffentliche Kritik nicht entmutigt werden dürften: «Wir wollen diesen engagierten jungen Menschen unbedingt das Selbstbewusstsein vermitteln, dass es gut ist, sich auch mit Fragen zu beschäftigen, die kontrovers diskutiert werden.»