Entlassung und Loyalitätskonflikt

Nach seinen Posts zu Terrorattacken der Hamas entlässt die Universität Bern ihren Dozenten fristlos. Sie kündigt auch eine Untersuchung am Institut an. Und entbindet die Leiterin – und Ehefrau des Dozenten – von ihren Aufgaben.

Impressionen der Medienkonferenz der Universitaet Bern zu den Vorgaengen rund um das Institut fuer Studien zum Nahen Osten und zu muslimischen Gesellschaften (ISNO), fotografiert am Dienstag, 17. Oktober 2023 in Bern. (Hauptstadt / Manuel Lopez)
Die Leitung der Universität Bern informierte am Dienstagnachmittag über ihre Entscheidungen nach den menschenverachtenden Posts eines Dozenten. (Bild: Manuel Lopez)

Die Uni Bern schrieb schon in der Einladung zur Medienkonferenz, der Fall habe eine enorme Resonanz ausgelöst. Und sei für die Universität präzedenzlos.

Letzte Woche machte 20-Minuten» die menschenverachtenden Posts publik, die ein Mitarbeiter und Dozent des Instituts für Studien zum Nahen Osten und zu muslimischen Gesellschaften der Universität Bern auf der Plattform X (ehemals Twitter) veröffentlicht hatte. Einen Tag später stellte die Universität den Dozenten frei. Doch auch das Institut und vor allem seine Co-Leiterin Serena Tolino, die mit dem Dozenten verheiratet ist, gerieten unter grossen Druck. Die «Hauptstadt» berichtete.

Am Dienstagnachmittag informierte die Universität Bern deshalb an einer Medienkonferenz. Es herrschte wie erwartet ein grosser Andrang, es wurde gestreamt und getickert.

Fristlose Kündigung und Untersuchung

«Wir sind sehr betroffen», sagte Christian Leumann, Rektor der Universität Bern, vor den Medienschaffenden. Er präsentierte die Entscheidungen der Unileitung:

  • Die Universität hat dem Dozenten fristlos gekündigt.
  • Sie leitet eine Untersuchung des Instituts ein. Währenddessen wird die Professorin und Co-Institutsdirektorin Serena Tolino von ihren Aufgaben entbunden.

Die fristlose Kündigung sei so schnell wie rechtlich möglich erfolgt, erklärte Generalsekretär Christoph Pappa. Die Äusserungen, die der Dozent in den Tweets zum Ausdruck gebracht hatte, bezeichnete er als untolerierbar. Sie hätten zu einem Vertrauensverlust geführt, der es ausschliesse, den Dozenten weiter zu beschäftigen.

Die geplante Untersuchung am Institut diene, so Pappa, der Qualitätssicherung und Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit. 

Der emeritierte Professor und ehemalige Rektor der Universität Basel Antonio Loprieno wird die Untersuchung leiten. Als Ägyptologe kenne er sich im Forschungsgebiet des Instituts aus.

Die Führung, die Prozesse sowie die Positionierung des Instituts sollen «gründlich untersucht» werden. Das wird etwa zwei Monate in Anspruch nehmen. Während dieser Zeit ist Serena Tolino von ihren Aufgaben entbunden, muss aber zur Verfügung stehen, wenn die Situation es erfordert.

Loyalitätskonflikt der Ehefrau und Professorin

Der Universität Bern war bei der Einstellung des Dozenten bewusst, dass es sich um den Ehepartner der Institutsleiterin handelte. Die Uni hatte bereits letzte Woche klargestellt, dass sie dabei die internen Vorschriften für solche Fälle berücksichtigt habe.

Rektor Leumann erklärte, warum solche Konstellationen an der Universität nicht selten vorkommen: «Wir wollen auch für Forschende aus dem Ausland attraktiv sein. Dabei kommt es immer wieder zu ‘Dual Career’-Situationen», erklärte er. Situationen also, in denen ein Forscher*innen-Paar im Doppelpack an der Universität angestellt wird. 

Christian Leumann, Rektor der Universitaet Bern an der Medienkonferenz der Universitaet Bern zu den Vorgaengen rund um das Institut fuer Studien zum Nahen Osten und zu muslimischen Gesellschaften (ISNO), fotografiert am Dienstag, 17. Oktober 2023 in Bern. (Hauptstadt / Manuel Lopez)
Christian Leumann, Rektor der Universität Bern, sagte, der Fall habe sehr viele Rückmeldungen ausgelöst. (Bild: Manuel Lopez)

Im Fall von Serena Tolino und ihrem Ehemann sprach Leumann von einem «Loyalitätskonflikt». Sie hatte ihn letzte Woche dahingehend in Schutz genommen, dass sie betonte, seinen Äusserungen liege «keine antisemitische Intention» zugrunde. 

Ein Loyalitätskonflikt wie dieser sei für die Universität Bern ein Präzedenzfall. Das nehme die Uni zum Anlass, den Umgang mit solchen Konstellationen zu überdenken.

Serena Tolino sei von ihren Aufgaben entbunden worden, um das Institut ergebnisoffen zu untersuchen. Die Entscheidung habe nichts mit ihrem direkten Verhalten zu tun. 

Rückmeldungen aus dem Umfeld

In der Fragerunde liess die Unileitung durchblicken, dass im Verlauf der letzten Woche auch die Arbeit des Instituts und seines Dozenten – unabhängig von den Posts – in Kritik geraten sind. «Es sind sehr viele Rückmeldungen bei uns eingegangen», sagte Leumann. Diese müssten in die administrative Untersuchung einfliessen.

Studierende des Instituts forderten letzten Freitag in einem Brief an die Universitätsleitung die Entlassung des Dozenten. Sie wiesen auch auf einen weiteren Post vom jetzt gelöschten Profil des Mannes hin. Der Beitrag ist zehn Jahre alt. Sein Verfasser macht sich darin über den Holocaust lustig.

Ein Journalist merkte an der Pressekonferenz an, dass der Dozent auch durch problematische Äusserungen im Rahmen seiner Arbeit aufgefallen sein soll. Mitarbeitende und Studierende sollen in Vergangenheit bereits darauf aufmerksam gemacht haben. Die Unileitung betonte, dass sie davon bis letzte Woche keine Kenntnis hatte.

All das wird Gegenstand der Untersuchung sein. «Wir sehen diese als Chance, dass das Institut wieder auf die Beine kommt», sagte der Dekan Peter J. Schneemann.

tracking pixel