«Politik ist ein emotionales Geschäft»

Sicherheitsdirektor Reto Nause will im Nationalrat eine Pop-Up-Bar auf der Bundesterrasse erreichen und räumt Fehler bei der Kommunikation des Demoverbots ein. – Das Interview zur neuen Doppelrolle.

Reto Nause, Nationalrat Mitte und Gemeinderat Bern fotografiert am Dienstag, 12. Dezember 2023 in Bern. (VOLLTOLL / Manuel Lopez)
Als Nationalrat ist Reto Nause in Zukunft vermehrt vor dem Bundeshaus anzutreffen. (Bild: Manuel Lopez)

Herr Nause, Sie sind neuerdings sowohl Berner Gemeinderat wie auch Nationalrat. Wie bringen Sie die beiden Jobs unter einen Hut?

Das ist in der Anfangsphase natürlich eine Herkulesarbeit – bis die beiden Agenden aufeinander abgestimmt sind. Aber im Parlament hat man während der Debatten viel Zeit zum Arbeiten. Daher ist das machbar.

Sie sitzen im Nationalrat, arbeiten aber für die Stadt?

Ja.

Wie machen Sie das jeweils am Mittwoch? Dann tagt der Nationalrat und findet gleichzeitig die Sitzung der Stadtregierung statt.

Wir regeln das wie damals, als Stadtpräsident Alexander Tschäppät im Nationalrat sass, und schieben die Gemeinderatssitzung von morgens um 8 Uhr in die Mittagspause des Nationalrates auf 13 Uhr. Mit Tschäppät haben wir ab und zu sogar im Bundeshaus getagt. Er hat sich dann jeweils kurz für die Abstimmung in den Nationalratssaal verabschiedet und kam wieder zurück in die Sitzung.

Zur Person

Reto Nause (52) ist seit 2009 Teil der Berner Stadtregierung und in dieser für die Direktion Sicherheit, Umwelt und Energie zuständig. Mit dem Ende der städtischen Legislatur 2024 muss er seinen Posten aufgrund der Amtszeitbeschränkung abgeben.

Aufgewachsen ist Nause in Birmenstorf im Kanton Aargau. Noch als Teenager findet er den Weg in die Politik und gilt rasch als Polittalent. Ab 2001 und bis zu seiner Wahl in den Berner Gemeinderat ist Nause Generalsekretär der CVP Schweiz. Für diese Stelle zieht der zweifache Vater nach Bern.

Bei der Wahl im Herbst 2023 schafft Nause als Kandidat der fusionierten Mitte-Partei den Sprung in den Nationalrat.

Sie sind seit 15 Jahren Regierungsmitglied, stehen im Stadtparlament Red und Antwort. Jetzt sitzen Sie wieder als Parlamentarier in den Bankreihen. Wie ist das?

Speziell. In der Nationalratssitzung soeben haben wir über diverse Postulate abgestimmt, die irgendwelche Berichte vom Bundesrat einfordern. Als Gemeinderat nervt es mich oft, wenn der x-te Bericht gefordert wird, bei dem man den Eindruck hat, damit werde primär die Verwaltung beschäftigt.

Also lehnen Sie diese Postulate im Nationalrat alle ab?

Nicht alle. Aber soeben hat der Nationalrat zum Beispiel ein FDP-Postulat zum Kulturgüterschutz verhandelt. In der Stadt Bern bin ich für dieses Thema zuständig. Die Städte machen das gut; da muss jetzt der Bund nicht auch noch drin rumwuseln.

In welcher Kommission werden Sie sitzen?

In der Sicherheitspolitischen Kommission. Das war meine Wunschkommission. Da gibt es verschiedene kommunale Themen, bei denen möglicherweise eine Anpassung der nationalen Rahmenbedingungen nötig ist.

Zum Beispiel?

Das Ausländerrecht wird immer wieder verschärft. Und doch ist es in der Schweiz möglich, sich mit gefälschten Papieren anzumelden, denn viele Gemeinden verfügen nicht über Pass-Scanning-Geräte. In Bern haben wir solche Scanner und fischen damit jährlich etwa 80 Leute raus, die mit gefälschten Papieren die Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz erschleichen wollen. Wenn man die Aufenthaltsbewilligung mal hat, erhält man auch Sozialleistungen.

Reto Nause, Nationalrat Mitte und Gemeinderat Bern fotografiert am Dienstag, 12. Dezember 2023 in Bern. (VOLLTOLL / Manuel Lopez)
Mit Alain Berset und Ueli Maurer hat Reto Nause bereits über ein Pop-Up auf der Bundesterrasse verhandelt. Nun will er das Heft selbst in die Hand nehmen. (Bild: Manuel Lopez)

Was wird Ihr erster Vorstoss als Nationalrat sein?

Es gibt ein altes «Hobby», das ich schon mit etwa fünf Bundespräsidenten diskutiert habe. Es geht um die Sicherheitsprobleme auf der Bundesterrasse. Wir haben dort am Freitag- und Samstagabend oft wilde Ansammlungen von 200 bis 300 Leuten, die Alkohol konsumieren und laut Musik hören. Immer wieder fliegen dabei Flaschen runter Richtung Marzili. Es gibt sogar Junge, die sich einen Sport daraus machen, mit den Flaschen eine Dachlukarne zu treffen. Wenn man die Bundesterrasse mit einem Pop-Up-Gastroangebot beleben würde, hätte man völlig andere Verhältnisse. Auf der Grossen Schanze haben wir das erfolgreich durchexerziert.

Sie wollen quasi eine Bundeshaus-Bar auf der Bundesterrasse?

Richtig. Weil diese mehr Sicherheit bringt. Ich hatte mich mit Herrn Berset und Herrn Maurer – als diese jeweils Bundespräsident waren – eigentlich schon geeinigt. Dann versickerte das aber immer wieder in den Tiefen des Bundesamtes für Bauten und Logistik. Jetzt kann ich selber vorstössig werden und im Nationalrat schauen, ob das mehrheitsfähig ist.

Wie und wann soll die Bar betrieben werden?

Ich stelle mir zunächst einmal einen Pilotversuch vor. Das würde allen Kritikern aufzeigen, dass ein Pop-Up eine echte Beruhigung bringt. Anschliessend würde man weiterschauen.

Aktuell sind Sie der einzige Bürgerliche in der Stadtregierung. Den zweiten Sitz können die Bürgerlichen wohl nur zurückerobern, wenn alle Parteien von GLP bis SVP auf einer gemeinsamen Liste antreten.

Das gäbe zwei Sitze, ja. Und jede Direktion, die wieder in bürgerlicher Hand ist, ist eine gute Direktion. Dort werden die Entscheidungen vorgespurt und inhaltliche Schwerpunkte gesetzt. Die Grünliberalen müssen jetzt entscheiden, ob sie mit einer gemeinsamen Liste ihren Beitrag zu zwei bürgerlichen Sitzen leisten wollen oder nicht.

Verstehen Sie die Bedenken der GLP, mit der SVP auf einer Liste zu kandidieren?

Das Stadtberner Wahlsystem zwingt Parteien zu breiten Allianzen. Und wenn ich sehe, dass RGM ein relativ breites Spektrum abdeckt, frage ich mich, warum ein Bündnis von der Mitte gegen rechts nicht möglich sein sollte.

In welchen Situationen hat Ihnen in den vergangenen sieben Jahren eine zweite bürgerliche Stimme in der Regierung gefehlt?

Ich habe 95 Prozent meiner Geschäfte in der Regierung durchgebracht. Aber in einer 4-zu-1-Konstellation ist es undenkbar, ausserhalb der eigenen Direktion politische Schwerpunkte zu setzen. In der Verkehrspolitik beispielsweise kann ich keine Akzente setzen.

Dann haben Sie das gar nicht erst versucht?

Ab und zu habe ich schon ein wenig versucht, der Stachel im Fleisch zu sein. Aber inhaltlich war das letztlich chancenlos. Und wenn man in der Regierung die Kritik an Geschäften anderer auf die Spitze treibt, dann schadet man sich bei den eigenen Geschäften. Schwierig waren immer die Diskussionen rund um die Kundgebungen. Dort hätte ich mir eine zweite bürgerliche Stimme gewünscht. Da muss ich in der Regierung jeweils um jede Stimme für vernünftige Regelungen kämpfen.

Reto Nause, Nationalrat Mitte und Gemeinderat Bern fotografiert am Dienstag, 12. Dezember 2023 in Bern. (VOLLTOLL / Manuel Lopez)
«Die Linke will aus der Demoverbot-Debatte politisches Kapital schlagen», sagt Nause zum juristischen Vorgehen gegen den städtischen Entscheid. (Bild: Manuel Lopez)

Mit dem Demoverbot gibt es ein aktuelles Beispiel, bei dem Sie im Gemeinderat mit ihrer Haltung durchgekommen sind. Die Kontroverse und den Demoverbots-Entscheid des Gemeinderats vom 8. November hält an.

Diese Kontroverse ist sinnlos aufgeblasen. Der Beschluss besagt, dass wir auf dem Bundesplatz bis zum 24. Dezember keine Grosskundgebungen mit erhöhten Sicherheitsrisiken durchführen möchten. Das betrifft konkret den Palästina-Konflikt. Da sind viele Emotionen im Spiel, die Stimmung ist extrem aufgeheizt. Man sah sogar Leute mit Taliban-Fahnen und Hakenkreuzen. Vor diesem Hintergrund hat der Gemeinderat Umzüge in der Innenstadt untersagt. Wir haben aber auch nach dem Beschluss Kundgebungen zu Palästina auf der Schützenmatte und dem Rosalie-Wenger-Platz bewilligt.

Dennoch war der Gemeinderat offenbar selbst unzufrieden über den kommunizierten Entscheid. Stadtpräsident Alec von Graffenried sagte im Stadtrat an Sie gerichtet, die Kommunikation sei nicht gut gewesen. Was hätten Sie anders machen müssen?

Das müssen Sie ihn fragen. Sein Votum war etwas verwirrlich. Nun will die Linke natürlich aus der Debatte politisches Kapital schlagen. Der Alternativen Linken hätten wir für ihre Demo gegen das Demoverbot sogar den Bundesplatz offeriert und dennoch haben sie auf einem Umzug durch die Stadt bestanden. Die Verfügung blieb dann aber offenbar tagelang in ihrem Postfach liegen. Das ist nur noch politische Schaumschlägerei.

Jetzt gehen mit dem Grünen Bündnis und der SP zwei Regierungsparteien juristisch gegen den Demo-Entscheid vor. Was halten Sie davon?

Diese Beschwerde ist gegenstandslos. Eine anfechtbare Verfügung erhält, wer ein Demogesuch stellt. Beschwerde kann man nur gegen den Einzelfallentscheid führen. Und es gibt kein Grundrecht, wonach man an einem frei zu wählenden Ort jederzeit irgendeinen Umzug durchführen darf. Im Gegenteil. Kundgebungen müssen bewilligt werden, um bei der Nutzung des öffentlichen Raums verschiedene Ansprüche aneinander vorbeizubringen. Und das ist bundesgerichtlich gestützt. Als Bewilligungsbehörde haben wir einen Ermessensspielraum und können sagen, dass aus Sicherheitsgründen kein Umzug möglich ist.

In der Medienmitteilung zur Demo-Richtlinie fehlte der Vermerk, dass auch im Dezember jedes Gesuch im Einzelfall geprüft werde. Würden Sie das heute anders formulieren?

Ja. Wir hätten explizit schreiben müssen, dass bei Kundgebungsgesuchen wir nach wie vor im Einzelfall prüfen, was möglich ist. In den letzten Wochen haben wir den Tatbeweis längst erbracht, dass kein generelles Demoverbot verhängt wurde. So haben wir etwa die GSoA-Kundgebung auf der Schützenmatte bewilligt.

Warum war es Ihnen so wichtig, die Demo-Einschränkung zu verkünden, wenn weiterhin jedes einzelne Gesuche geprüft wird?

Der Entscheid stützte unsere Vollzugsleute, die mit Gesuchen bombardiert werden. Wir sind grundsätzlich eine sehr liberale Bewilligungsbehörde. Angesichts der aktuellen Lage mit zahlreichen aufgeheizten Demonstrationen wollten wir aber eine Zurückhaltung kommunizieren.

Reto Nause, Nationalrat Mitte und Gemeinderat Bern fotografiert am Dienstag, 12. Dezember 2023 in Bern. (VOLLTOLL / Manuel Lopez)
Seine Rolle als Sicherheitsdirektor beschreibt Nause als «Verschleissjob». Deshalb sei er ein Stück weit froh, sein Amt nächstes Jahr abzugeben. (Bild: Manuel Lopez)

Sie zeigen sich im Stadtparlament oft genervt, so zum Beispiel in der Sitzung zum Thema Demoverbot. Warum ist das so?

Das sind einfach Emotionen. Politik ist ein emotionales Geschäft. Ich bin natürlich überzeugt, dass das, was wir im Rat zur Abstimmung vorlegen, vernünftig, gut und richtig ist. Was der Rat zum Teil fordert, hier konkret Herr Böhner von der Alternativen Linken, ist Nonsens. Dann ist es nicht verboten, emotional zu werden.

Das sind Sie oft bei Vorstössen zur Polizei.

Nach 15 Jahren als Sicherheitsdirektor weiss ich nicht mehr, wie viele Kundgebungen ich bereits aus der Nähe erlebt habe. Damals bei «Tanz dich frei» wurde ich vom Schwarzen Block quasi überrannt. Und wenn Sie die Gewaltbereitschaft und das sinnlose Zerstören einmal aus der Nähe erlebt haben und nachher im Ratssaal Voten hören, wonach die Polizei provoziert habe, dann sage ich: Sorry, das ist einfach gelogen.

Sind Sie froh, nächsten Herbst ihr Exekutivamt abzugeben?

Ja und nein. Ich habe ja mittlerweile viel erlebt: Die linken Saubannerzüge, Kuhglocken-Treichler aus dem rechtsnationalen Spektrum und nun die emotionalen Kundgebungen zu internationalen Konflikten. Sicherheitsdirektor zu sein ist ein Verschleissjob. Gleichzeitig habe ich die Direktion mit den besten Angestellten. Das sind geerdete Menschen, die sich für das Wohl der Allgemeinheit engagieren und sogar die eigene körperliche Unversehrtheit riskieren. Das gilt für einen Feuerwehrmann, für einen Rettungssanitäter und für einen Polizisten. Dieses Engagement werde ich massiv vermissen.

«Bern ist eine absolut lebenswerte Stadt. Das bestätigt Ihnen auch jeder Bürgerliche.»

Die Linke weigert sich in der Stadt Bern seit 30 Jahren, das Ressort Polizei zu übernehmen, kritisiert Ihre Arbeit aber die ganze Zeit.

Nicht nur die Linken kritisieren, auch die Rechten. Diese sagen, ich sei ein Weichbecher, die Linken sagen, ich sei ein Pitbull. So gesehen habe ich den Job wohl nicht so schlecht gemacht.

Wen wünschen Sie sich als Nachfolger*in?

Béatrice Wertli, die Gemeinderatskandidatin der Mitte. Sie würde das auch können.

Soll nicht mal eine RGM-Partei die Sicherheitsdirektion verantworten?

Das soll der künftige Gemeinderat diskutieren. Die Linke gefällt sich in der Rolle, die Sicherheitsdirektion zu kritisieren. Selber hinzustehen wäre schwieriger.

RGM ist seit über 30 Jahren an der Macht. Was hat das Bündnis aus Bern gemacht?

Bern ist eine absolut lebenswerte Stadt. Das bestätigt Ihnen auch jeder Bürgerliche. Punkto Finanzen sind wir aber definitiv aus der Schiene gesprungen. Punkto Sicherheit hingegen stehen wir gut da. Insbesondere wenn man sich die Verhältnisse im Bern der 90er-Jahre mit offenen Drogenszenen in Erinnerung ruft.

Reto Nause, Nationalrat Mitte und Gemeinderat Bern fotografiert am Dienstag, 12. Dezember 2023 in Bern. (VOLLTOLL / Manuel Lopez)
Obwohl der einzige Bürgerliche, ist Reto Nause im rot-grün dominierten Gemeinderat für das Klimadossier zuständig. (Bild: Manuel Lopez)

Das Klimareglement sieht das Ziel Netto Null im Jahr 2045 vor. Dann sollen weniger Treibhausgase ausgestossen werden, als gebunden werden können. Was braucht es, um dies zu erreichen?

Es braucht die Investitionen, die wir nun tätigen. Zum Beispiel in die Fernwärme.

Aber Fernwärme braucht ja auch noch fossile Energie.

Wir verwenden zwecks Spitzenlastabdeckung eine Gasturbine. Aber die Substitution der Gasturbine ist für das Jahr 2035 vorgesehen. Im Moment sind die Absenkkurven noch flach. Zunächst muss man Gräben ausheben, Leitungen verlegen und so die Fernwärme in den Boden bringen.

Das klingt so, als ob allein mit der Fernwärme das Klima gerettet wird.

Nein, sicher nicht. Hinzu kommt die Verantwortung der privaten Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer.

Wie bringen Sie als Klimadirektor Privatpersonen oder Institutionen dazu, schneller auf erneuerbare Energien umzusteigen? Die Burgengemeinde zum Beispiel hat noch keine einzige Solaranlage auf ihre Häuser montiert.

Wenn ich zum Zent-Areal fahre, sehe ich auf dem Dach eine der grössten Photovoltaikanlagen im Grossraum Bern. Diese hat die Bidag AG zusammen mit der Firma Badertscher+Co vor vier Jahren in Betrieb genommen. Die Privaten investieren derzeit. Seit die Energiepreise explodiert sind, versuchen Firmen erneuerbare Energie vor Ort zu produzieren. So hat CSL Behring eine der grössten Biogasanlagen der Schweiz errichtet.

Reto Nause, Nationalrat Mitte und Gemeinderat Bern fotografiert am Dienstag, 12. Dezember 2023 in Bern. (VOLLTOLL / Manuel Lopez)
Der grosse Gasunfall im Nordring 1998 ist gemäss Nause ein Grund, weshalb der Gasausstieg in Bern weniger dränge. (Bild: Manuel Lopez)

Auch bei der Mobilität werden die städtischen Ziele nicht erfüllt. Die Stadt hat zum Beispiel noch viel mehr immatrikulierte Autos, als man sich zum Ziel gesetzt hat.

Das müssen Sie mit der Kollegin Kruit und der Direktion für Tiefbau und Verkehr diskutieren.

Und beim Wärmeverbrauch der Stadt ist man hinter den gesteckten Zielen.

Weil wir noch nicht im Jahr 2041 stehen. Die Stadtverwaltung soll 2041 CO2-neutral sein, die ganze Stadt 2045.

Wir zitieren hier nur die städtischen Absenkpfade, die Sie gemäss Ihrem eigenen Kontrollbericht nicht einhalten können.

Kommen Sie mal in der Realität an, wirklich! Das sage ich auch allen Grünen und Klimaklebern. Wir können doch in einem Schulhaus die Ölheizung nicht sofort herrausreissen, wenn wir wissen, dass die Fernwärme erst in zwei Jahren bereit ist. Es ist eine naive Vorstellung, man könne den Schalter umlegen und morgen CO2-neutral sein. Und wenn jetzt gewisse Ampeln bei rot stehen, heisst das einfach High Management Attention.

Sie sind als Umweltdirektor zuständig für Energie Wasser Bern (EWB). Warum will EWB nicht vollständig aus dem Gas aussteigen?

Weil es industrielle Anwendungen gibt, die auf Gas angewiesen sind. Und es gibt Stadtquartiere, wie die Untere Altstadt, wo eine alternative Energie-Infrastruktur fehlt. EWB sagt nicht, dass man das Gasnetz auf immer und ewig betreiben möchte. Vor allem werden wir sicher nicht parallel Netze mit Fernwärme und Gas betreiben. Und wir wollen mehr Biogas produzieren und akquirieren. Bern hat im übrigen wegen des Gasunfalls am Nordring 1998 eines der jüngsten Gasnetze in der Schweiz. Dieses Netz ist noch nicht in allen Bereichen amortisiert.

Reto Nause, Nationalrat Mitte und Gemeinderat Bern fotografiert am Dienstag, 12. Dezember 2023 in Bern. (VOLLTOLL / Manuel Lopez)
Die geplante Schliessung des Streichelzoos im Dählhölzli steht in der Kritik. Nause hat aber eine Idee, wo auch künftig Tiere gestreichelt werden könnten. (Bild: Manuel Lopez)

Die Veränderungen im Tierpark geben zu reden. Begrüssen Sie als zuständiger Gemeinderat die Aufhebung des Streichelzoos?

Ich begrüsse, dass man die Infrastruktur des Tierparks erneuert. Konkret braucht es ein neues Ökonomiegebäude unten am Aareufer. Ich begrüsse das angedachte Artenschutzzentrum, verbunden mit einem neuen Eingang. Und ich begrüsse, dass man den Dalmazi-Bach freilegen und im Zoo-Perimeter Biodiversitätsflächen schaffen möchte. Wenn man das alles macht, wird der Platz für einen Streichelzoo eng. Wäre es da nicht einfacher, im Bauernhof Elfenau die Idee eines Stadt-Bauernhofs mit für Kinder erlebbaren Tieren umzusetzen?

Gibt es dazu konkrete Pläne?

Das ist eine Diskussion, die man führt. Die Platzverhältnisse und die Stallungen sind in der Elfenau massiv besser als im Dählhölzli. Es ist wichtig, dass man unseren Kindern beibringt, dass die Milch nicht aus dem Tetrapack, sondern von der Kuh kommt. Es ist aber auch wichtig aufzuzeigen, was es heisst, wenn wir keine Bienen mehr hätten. Eine Fokussierung auf die Themen Artenschutz und Biodiversität ist die Zukunft jedes europäischen Zoos.

Im «Bärnerbär» übte der frühere Tierparkdirektor Kritik...

Dazu äussere ich mich nicht. Die Ehre tue ich ihm nicht an.

Gemäss demselben Artikel steht zudem die neue Tierparkdirektorin in Kritik wegen Führungsmängeln.

Ich habe selber Dutzende von Gesprächen mit Mitarbeitenden geführt. Es gibt von Einzelpersonen Kritik wegen fehlender Wertschätzung. Das ist aber eine verschwindend kleine Minderheit. Dementsprechend teile ich diese Kritik so nicht.

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Diskussion

Unsere Etikette
Marc Ebneter
18. Dezember 2023 um 04:22

Bissiges Interview von beiden Seiten, danke! Bin gespannt, wie sich eine Pop-Up-Bar für Herrn Nause auf seinen Einfluss auf die nationale Politik auswirkt. Hemdsärmlig, aber clever, würd ich meinen.