Breitsch Spezial

«Die Wagenburg von Zaffaraya ist eine Inspiration»

Architektur leiste auch Widerstand, findet Rolf Mühlethaler. Berns prägender Architekt hat die Überbauung Wankdorfcity 3 entworfen. Die «gestapelte Stadt» ist eine mutige Idee für Bern.

Rolf Muehlethaler zur Wankdorfcity 3 fotografiert am Dienstag, 15. April 2025 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Ein wandelndes Architektur-Gedächtnis: Rolf Mühlethaler in seinem Studio inmitten seiner Entwürfe. (Bild: Simon Boschi)

Seit dem Spatenstich vom Mittwoch wird an der Überbauung Wankdorfcity 3 gearbeitet. Entstehen soll eine «gestapelte Stadt», die mit bis zu 75 Meter hohen Gebäuden neue Massstäbe im Berner Städtebau setzt. Geplant sind 500 Wohnungen für 1100 Menschen, dazu Dienstleistungs- und Gewerbeflächen, eine Grundschule, ein Restaurant und eine Coop-Filiale. Wankdorfcity 3, das ist Rolf Mühlethalers nächstes grosses Projekt.

Nun steht er im grossen Sitzungsraum seines Architekturbüros im Altenberg, umgeben von alten und neuen Architekturmodellen. Durchs Fenster sieht man über die Strasse auf die Aare. Hier könnte er wohl bis zum nächsten Morgen von seinen Projekten erzählen – oder von der Baugeschichte Berns, die er scheinbar auswendig kennt.

Seit den 1980er-Jahren entwirft und baut der mehrfach ausgezeichnete Architekt. Er nimmt ausschliesslich an Wettbewerben teil. Mühlethaler betont, kein Netzwerk zu pflegen, durch das er zu Aufträgen kommen könnte.

Der frühere Nationalliga-A-Handballer mit Jahrgang 1956 wuchs im Wankdorf auf und hat Bern architektonisch mitgeprägt: Der Bahnhof Wankdorf, der Bantiger-Turm, die Sanierung der Tscharnergut-Siedlung, der Umbau des Marzilibades (Bueberseeli), das Wohngebäude über den SBB-Büros im Wyler, aber auch die Sanierung des Kongresshaus in Biel sind unter anderem von ihm.

Nun Wankdorfcity 3. Das Areal liegt eingezwängt zwischen Autobahn und Eisenbahn. Der Standort ist herausfordernd. Aber Architekt Rolf Mühlethaler hat klare Vorstellungen.

Rolf Muehlethaler zur Wankdorfcity 3 fotografiert am Dienstag, 15. April 2025 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Wagnis Wankdorfcity 3: Lebendige Stadt auf extrem wenig Raum. (Bild: Simon Boschi)

Herr Mühlethaler, wer will zwischen Autobahnen und Zuggleisen leben? Warum soll das ein guter Wohnort werden?

Rolf Mühlethaler: Dieser Teil des Wankdorfs war bis Ende des 20. Jahrhunderts das Schlachthofareal von Bern. Später übernahm das Gewerbe. Aber es blieb ein lebendiges, quirliges Quartier des Handels und verschiedenster Nutzungen. Die Idee von Wankdorfcity 3 ist es, diese Quirligkeit des ursprünglichen Gewerbe- und Industriequartiers mit Wohnen zu bereichern. So werden Wankdorfcity 1 und 2 diversifiziert. 

Dort stehen heute nur Bürogebäude.

Wider besseres städtebauliches Wissen hat man dort ausschliesslich Mononutzungen. Es handelt sich um austauschbare Konzernarchitekturen, ohne dass man gleichzeitig Wohnen und andere Nutzungen etabliert hat. Die Folge davon ist, dass nur gerade werktags und tagsüber ein bisschen Leben stattfinden kann.

Wankdorfcity 1, 2 und 3

Hinter dem Bahnhof Wankdorf Richtung Aare ist in den letzten Jahren ein neues (Arbeits-)Quartier entstanden. Das nennt man Wankdorfcity 1 und 2. Auf dem Areal, das der Stadt Bern gehört, befinden sich etwa die Konzernsitze der Post und der SBB. Aber auch der Hauptsitz der Nachrichtenagentur Keystone-sda. Ausserdem haben sich die Bar Turbo Lama sowie die beiden Hotels Kooky und Moxy einquartiert. Geplant sind weitere Gebäude für die SBB und für den Schweizerischen Nationalfonds

Wankdorfcity 3, das jetzt in Angriff genommen wird, hat eine andere Ambition. Es ist ein heute gewerblich genutztes Areal, das zu einem «urbanen Quartierbaustein» ausgebaut wird, wo Wohnen und Arbeiten möglich sind. So der Leitsatz der Planung. Rolf Mühlethaler hat mit seinem Projekt das ausgeschriebene Workshopverfahren gewonnen. 

Ist es auch ein Problem, wenn ein Quartier nur aus Wohnungen besteht? 

Schauen wir in die Stadtberner Geschichte. In den 1960er- und 1970er-Jahren hat man Aussenquartiere wie Wittigkofen oder das Tscharnergut gebaut. Also Satelliten der Stadt fast ausschlieslich fürs Wohnen. Vielleicht gab es noch ein Quartierzentrum und ein Lädeli. Das ist aus heutiger Sicht genau so wenig erstrebenswert. Wenn man eine lebenswerte, atmosphärisch dichte Stadt will, braucht es das Miteinander unterschiedlichster Nutzungsformen. 

Wo ist das konkret realisiert? 

Im Breitsch haben wir die beste Referenz für eine lebendige Stadt und für ein hoch attraktives Quartier. Im Erdgeschoss beleben Läden und Gewerbe den Strassenraum: Das Kino ABC, die Bäckerei Bohnenblust, ein Supermarkt, eine Metzgerei, eine Drogerie, Coiffeursalons, Apotheken, ein Brillenladen, diverse Restaurants. Im ersten Stock sind häufig Arztpraxen oder Büroräume untergebracht. Und weiter oben kommen die Wohnungen.

Wie wirkt sich das aus?

Diese kluge Nutzungspalette sorgt an allen Wochentagen und zu allen Tageszeiten für ein funktionierendes soziales Netz. Durch den Tag gehen die Leute einkaufen und arbeiten, die Kinder zur Schule. Gegen Abend dreht es sich um. Die Leute kommen vom Arbeiten zurück ins Quartierrestaurant und in die Wohnung. Alle Bedürfnisse des Lebens sind abgedeckt.

Deshalb planen Sie in Wankdorfcity 3 auch Büros, Gewerbe, Wohnungen, eine Basisstufe, ein Restaurant …?

Wir wollen wieder eine durchlässige Stadt. Hier soll alles miteinander stattfinden können. Die Menschen sollen zugleich hier wohnen, arbeiten, ihr Kind zur Schule bringen, einkaufen und kulturelle Veranstaltungen besuchen können.

Rolf Muehlethaler zur Wankdorfcity 3 fotografiert am Dienstag, 15. April 2025 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
«Der Traum der babylonischen Gärten schwingt mit», sagt Rolf Mühlethaler über Wankdorfcity 3. (Bild: Simon Boschi)

Die «Hauptstadt» arbeitete während einer Aussenredaktionswoche im Co-Working «Workspace & More» im Liebefeld. Mitten in der Überbauung «Living and more» mit rund 90 Wohnungen und Gewerbe im Erdgeschoss. Sozusagen Wankdorfcity 3 in klein. Trotzdem war kaum etwas los. Was braucht es, damit eine Überbauung lebt?

Es braucht eine gewisse Dichte und eine Mischung der Nutzungen, damit sich die zeitlichen Abläufe überschneiden. Läden oder Restaurants sind auf eine minimale Frequenz angewiesen.

Bei 500 Wohnungen für 1’100 Menschen wie im Wankdorf ist die Chance grösser, dass ein Ort lebendig wird, als bei einer Überbauung …

… mit 50 oder 100 Wohnungen. Ein kleines Quartier kann das nicht tragen. Es  bietet keine genügende wirtschaftliche Existenzgrundlage. Selbst das Lädeli am Läuferplatz in der Matte musste leider schliessen, obwohl es für den sozialen Zusammenhalt des Quartiers von unschätzbarem Wert war. 

In der Wankdorfcity kommt aber noch der Lärm der Autobahn und der fahrenden Züge hinzu. 

Schlaf- und Wohnräume werden lärmabgewandt liegen. Das erleichtert das Lüften. Rausschauen kann man selbstverständlich trotzdem und von der grandiosen Rundumsicht profitieren. Wo die Lärmbelastung gross ist, werden die Wohnungen über den Büros und dem Gewerbe erst ab einer Höhe von 30 Metern angeordnet.

Also gar kein Wohnen im Erdgeschoss?

In bestimmten Bereichen sucht das Wohnen den direkten Kontakt zum Erdgeschoss: Dort, wo die Gebäude gegen die Bahn gerichtet sind. Der Bahnlärm wird als angenehmer empfunden als die Autobahn. Wohnen bis ins Erdgeschoss beeinflusst das positive Erscheinungsbild von Wankdorfcity 3 massgeblich.

Warum?

Es soll ein Wahrnehmungswandel erfolgen. Nachts überstrahlt warmes Licht der Wohnungen die dunklen Bürofassaden. Wenn ich mit dem Zug beim Wankdorf vorbeifahre oder durch das Quartier spaziere, stellt sich mit den angestrebten Nutzungsmischungen ein völlig anderes Gefühl ein als in der direkten Nachbarschaft. Ich meine auch das Sicherheitsgefühl. Balkone und Veranden wenden sich dem öffentlichen Raum zu. 

Warum ist das von Bedeutung?

Loggias und Verandas erzeugen Tiefenwirkung, Menschen eignen sich diese Räume individualisiert an. Der Massstab des Wohnens erzeugt ein differenziertes, reliefartiges Erscheinungsbild aus Licht und Schatten. So wird Wankdorfcity auch von aussen als Ganzes verändert wahrgenommen.

Rolf Muehlethaler zur Wankdorfcity 3 fotografiert am Dienstag, 15. April 2025 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Rolf Mühlethalers unstillbare Leidenschaft für Architektur. (Bild: Simon Boschi)

Zurück zur entscheidenden Frage von Wankdorfcity 3: Wer will zwischen Autobahn und Eisenbahn wohnen? 

Natürlich sind die Voraussetzungen herausfordernd. Bei Wankdorfcity 1 und 2 wären sie besser gewesen. Wir finden aber, dass es bei Wankdorfcity 3 genau die vermeintlichen Einschränkungen sind, die spezifisches Wohnen mit aussergewöhnlichen und einzigartigen Qualitäten ermöglichen. Der Widerstand der Bedingungen wird zum Charakter eines einzigartigen und untypischen Stadtquartiers im Norden von Bern.

Untypisch sind auch die Visualisierungen. Sie sehen nicht nach Bern aus, sondern eher nach New York. 

Genau das ist der Reiz des Ortes. Das ehemalige Schlachthofareal rückt mit seinem optimistischen gesellschaftlichen Ideal verstärkt in die Wahrnehmung der Menschen.  

Wankdorfcity 3 wird nach dem Prinzip der Schwammstadt gebaut. Was bedeutet das? 

Wir haben einen komplexen sozialen, baurechtlichen, ökonomischen und ökologischen Anforderungskatalog. Dazu gehört auch die Schwammstadt. Das bedeutet: Wasser zurückhalten und, wenn überhaupt, verzögert wieder abgeben. Der Verdunstungsprozess kühlt, die Abflüsse und Gewässer werden entlastet.

Wie kriegen Sie das praktisch hin?

In Wankdorfcity 3 geschieht das auf verschiedenen Terrassen und Niveaus nach dem Kaskadenprinzip. Deshalb sprechen wir auch von der «gestapelten Stadt». Dass man damit der dichten Stadt auch gleich noch Fläche in Form von Gärten und Aufenthaltsterrassen abringt, legitimiert auch ökonomisch den ganzheitlichen städtebaulichen Ansatz.

Ist das neu für Bern?

Nein. Die Münsterplattform sowie die zauberhaften, terrassierten Gärten der Junkerngasse sind ein wunderbares Beispiel für dieses Prinzip der differenzierten Massstäbe. Die Gärten halten das Wasser und das Erdreich zurück. Das macht man nun auch auf den Häusern in Wankdorfcity 3.

Deshalb wirkt die Überbauung auch so grün.

Jede Terrasse soll begrünt und nutzbar gemacht werden. Auch die Stadtterrasse auf 30 Metern Höhe, ähnlich der Münsterplattform. Ab der Höhe, wo der Wohnraum beginnt,  können die gebauten Tröge mit ihrer Volumenkapazität viel Wasser, Erdreich und damit viel Vegetation aufnehmen.

Räume zu begrünen ist unterhaltsintensiv. Ist das realistisch?

Jeder domestizierte Garten braucht Unterhalt. Das kennt jede Gärtnerin, jeder Gärtner. Es kostet viel Aufwand und Geld, viel Geld. Dennoch schwingt der Traum der babylonischen Gärten mit. Das relativiert Mühsal und Kosten.

Was hat Sie zur grossen Überbauung Wankdorfcity 3 inspiriert?

Wie beschrieben die Altstadt Bern als städtebauliches Juwel. Aber ebenso die Wagenburg von Zaffaraya beim Studerstein. Rundherum sind Autobahnen und Strassen. Klug trotzen sie den ungünstigen Voraussetzungen und haben eine Oase unkonventionellen Wohnens entworfen.

Was haben Sie von Zaffaraya gelernt?

Ihr Widerstand gegen Wohnkonventionen hat zu einem erstaunlichen Resultat geführt. Sie haben sich eine Art Mauer, einen Gürtel gegen den Lärm um das Grundstück gebaut. Das tun wir ebenfalls. Verbunden mit einer etwas höheren Dichte. Wir haben nicht mehr viel Land zur Verfügung, schon gar keine optimalen, konfliktfreien Landreserven mehr. Wankdorfcity 3 hat eine Dichte von 3,5. 

Sie meinen damit das Verhältnis zwischen bewohnbarem Raum und Bodenfläche.

Das Tscharnergut hat beispielweise eine sogenannte Ausnützungsziffer von 1,0, nach der Sanierung 1,1. Eine Ausnützungsziffer von 3,5 ist also extrem dicht. Sogar dichter als historische Altstädte.

Das bedeutet, es gibt wenig grosse Plätze zwischen den Gebäuden?

Wir rücken zusammen. Wir suchen die Nachbarschaft. Weniger Raum erzeugt mehr Kontakte. Wankdorfcity 3 ist ein Beitrag, mit dem das Mass der Dichte neu verhandelt wird.

Mühlethaler steht auf und holt das Architekturmodell vom Anfangsstadium der Planung für Wankdorfcity 3.

Rolf Muehlethaler zur Wankdorfcity 3 fotografiert am Dienstag, 15. April 2025 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Neue Wege zu dichterem Wohnen: Mühlethaler mit einem Modell von Wankdorfcity 3. (Bild: Simon Boschi)

Was möchten Sie uns damit zeigen? 

Wir sehen hier auch, dass wir die wunderbare Shedhalle als störenden und widerspenstigen Ausgangspunkt und Impuls des Städtebaus angenommen haben. Ressourcen wiederverwenden, auch das ist eines der Themen von Wankdorfcity 3. Wir akzeptieren also die Geschichte. Wir suchen Spuren der Identität, auch wenn sie vermeintlich sperrig ist. Wankdorfcity 3 ist ohne die Shedhalle und das direkt anschliessende Betonhaus nicht denkbar. 

Von diesem ersten Modell bis jetzt zum Baubeginn hat sich einiges verändert. Wo stehen Sie auf dem Weg von der Idee zur Realisierung?

Dank einer sehr offen formulierten, weitsichtigen Überbauungsordnung sind wir sehr schnell vorwärts gekommen. Wir konnten rasch die notwendigen Baugesuche einreichen. Hürden und Problemstellungen wurden zusammen mit den Ämtern der Stadt Bern vorausschauend angegangen. Das ermöglichte auf beiden Seiten effiziente Abläufe und förderte ein gemeinsames Verständnis für das aussergewöhnlich grosse und komplexe Bauvorhaben.

Aussergewöhnlich ist auch, dass es keine Einsprachen gab.

Das ist mit Sicherheit auch den aktiven und transparenten Informationskampagnen durch die Bauherrin Immofonds Asset Management AG zu verdanken.  

Seit den 80er-Jahren arbeiten Sie als Architekt. Sie haben einiges in Bern mitgestaltet. Den Bahnhof Wankdorf, …

… der bald abgebrochen wird, weil er zu wenig breit sein soll, obwohl wir uns damals gegen eine Standardbreite der SBB von vier Metern gewehrt haben und zusammen mit der Stadt wenigstens acht Meter Breite erreicht haben. Das ist schon in Ordnung, auch das ist Teil einer langen und abwechslungsreichen Praxis. (lacht)

Auch der Sendeturm auf dem Bantiger oder das Wohngebäude bei der SBB-Überbauung im Wyler sind von Ihnen. Wo ist Bern schön gebaut und wo nicht

Wirklich aussergewöhnlich ist die zähringische Stadtbaukunst. Also die Struktur und Typologie der Berner Altstadt. Sie hat nichts von ihrer Faszination verloren.

Was genau ist faszinierend?

Die der Topographie folgenden Gassen sind leicht geschwungen. Sie laufen also nicht ins Nichts. Sie sind räumlich gefasst und aussergewöhnlich breit. Sie lassen vielfältige Gassennutzungen zu. Früher Markt und Handel, heute Stadtevents aller Art, extrem öffentliche Mobilität und Touristenströme. Manchmal wünscht man sich mehr Einschränkungen, damit die Stadt wieder mehr zur Ruhe kommen könnte. Gerade in den nun wieder beginnenden Sommertagen. Wie im Breitsch lässt der Aufbau der Häuser alle denkbaren Nutzungen zu. Das ist die Voraussetzung für eine lebendige Stadt. Die Architektur folgt klaren Regeln, dennoch ist jedes Haus anders. Einzigartig.

Hauptstadt-Fahne in der Markuskirche
«Hauptstadt» in der Kirche

Vom 22. bis zum 25. April hatte die «Hauptstadt» ihre Redaktion in die Markuskirche im Breitenrainquartier verlegt. Die Kirche wird im Moment experimentell zwischengenutzt, bis das Umbauprojekt startet. Wir haben jeden Morgen um 9 Uhr im Kirchenschiff unsere tägliche Redaktionssitzung abgehalten und durch den Tag dort gearbeitet und diskutiert.

Es war eine intensive Woche – für uns und für das Berner Nordquartier: Ende April wurde die neue Festhalle eröffnet. Wir haben die Aussenwoche in der Markuskirche genutzt, um tiefer in Themen einzutauchen, die den Breitsch beschäftigen. Und um das Gastroangebot im Breitsch auszutesten. Alle Beiträge zum Breitsch findest du in diesem Dossier.

Was uns besonders freute, waren die Besuche und engagierten Gespräche beim Grill&Bier-Event, den wir zusammen mit Pfarrer Tobias Rentsch veranstaltet haben. (jsz)

Was halten Sie denn von der heutigen Berner Stadtplanung? 

Bei Wankdorfcity 3 hat die Stadtplanung mit der einfachen, aber klugen Überbauungsordnung einen sehr wichtigen Beitrag entworfen. Aktuelle Überbauungsordnungen werden politisch wie auch gesellschaftlich absurd aufgeladen. Sie verzögern die Stadtentwicklung erheblich und verursachen Unsicherheiten, auch was Investitionen in die Stadt Bern betrifft.

Zum Beispiel?

Bei Wankdorfcity 1 und 2 hätte die genehmigte Überbauungsordnung gemischte Nutzungen zugelassen. Dass praktisch ausschliesslich Büros in Form von Grosskonzernen ohne Wohnen angesiedelt wurden, ist insbesondere den einseitigen politischen Prioritäten geschuldet – sprich Wirtschaftsförderung versus Wohnen. Und nicht konkret der Stadtplanung.

Kann man bei Wankdorfcity 1 und 2 noch etwas retten?

Mit entsprechendem Widerstand kann man immer noch korrigierend eingreifen.

Das heisst?

In den zu grossen Zwischenräumen und auf den Dächern lassen sich mit entsprechendem Willen unkonventionelle Wohnräume schaffen. Das war unser Beitrag im Rahmen des Workshopverfahrens. Die Idee der gestapelten Stadt sendet Impulse auf Wankdorfcity 1 und 2 aus.

Wo genau müsste man ansetzen?

Bei der Aufwertung und Attraktivierung des Aarezugangs sowie generell bei den Freiräumen. Insbesondere der öde Raum zwischen Wankdorfcity 1 und 2 und den Geleisen, eine Hitzeinsel par excellence, braucht dringend eine Korrektur. 

Rolf Muehlethaler zur Wankdorfcity 3 fotografiert am Dienstag, 15. April 2025 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Jeder Bau eröffnet Rolf Mühlethaler neue Perspektiven. (Bild: Simon Boschi)

Blicken wir über die Aare ins Viererfeld. Was sagen Sie zur geplanten Überbauung? 

Es stellt sich die Frage, wie sich das Viererfeld von den monothematischen Siedlungen aus den 1960er- und 1970er-Jahren unterscheidet. Warum setzte sich ein visionärer Stadtplan Viererfeld unter Einbezug des ganzen Quartiers, wie von den Fachverbänden gefordert, nicht durch? Letztlich wurde eine stadtplanerisch wie wohnbau-ökonomisch weitsichtige Idee verhindert.

Könnten Sie sich vorstellen, selber in Wankdorfcity 3 zu wohnen?

Ja. Ich bin im Wankdorf unter anderem auch in einem Hochhaus aufgewachsen, direkt neben dem Stadion. Ich habe durchaus angenehme und bleibende Erinnerungen, gerade aus dem Blickwinkel eines Kindes und Jugendlichen.

Sie sind im Pensionsalter. Zeit für einen Blick zurück. Welches Projekt, das Sie realisiert haben, hat Ihnen am meisten Spass gemacht?

Ich empfinde jedes Projekt als Herausforderung, welche mir neue Perspektiven eröffnet und immer von neuem etwas mehr Wissen über unsere Stadt vermittelt. Die Arbeit an unterschiedlichsten Projekten, ob ganz klein oder ganz gross, von der Skizze bis zur Bauvollendung, sowie die Umsetzung in Raum und Zeit ist meine ungebrochene Leidenschaft. Unsere Forschung ist der Wettbewerb, manchmal gewinnen wir, manchmal nicht. Jedesmal aber ist es eine Freude, einen unabhängigen, manchmal durchaus auch kritischen Beitrag zu einer spezifischen Fragestellung leisten zu dürfen.

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Diskussion

Unsere Etikette
Ruedi Muggli
15. Mai 2025 um 13:04

Interessant und aufschlussreich - wer weiss schon Näheres zur Entstehungsgeschichte des neuen Quartierteils? Gegenüber gibt es ja auch noch einen spannenden Büroneubau im Dreieck eingezwängt zwischen Autobahnen und Bahnlinien.

Christof Steinmann
15. Mai 2025 um 07:40

Der „Bund“ schafft es am gleichen Tag nur, eine kleinkarierte Polemik zum Gaswerkareal zu lancieren bei der keine neuen Fakten und schon gar keine städtebauliche Sicht auftauchen. Wie die Hauptstadt besonnen informiert, nachfragt und die grossen Linien nachzeichnet ist - bei einem viel kleineren Budget - eine andere Liga.

Thomas Koeppel
15. Mai 2025 um 06:29

Hoch spannendes Interview, Danke!