Schneider – «Hauptstadt»-Brief #342
Donnerstag, 11. Juli – die Themen: Artenschwund; Ferien im Fellergut; Literaturkolumne; durchwachsene Badi-Bilanz; Petition; ein neues Pop-Up und ein Wolf auf der Abschussliste.
Wasser ist für mich gerade allgegenwärtig. So oft wie dieses Jahr bin ich noch selten in einen Schauer gekommen. Und Tag um Tag habe ich der Aare dabei zugeschaut, wie sie nach Regengüssen mächtig anschwoll.Doch nur die Pegelstände oder den Hochwasserschutz im Auge zu behalten, greift zu kurz. Wichtig ist auch, was in und am Wasser lebt. Das hat mir diese Woche eine Mitteilung der Universität Bern vor Augen geführt. Sie liefert beunruhigende Zahlen und Daten zur Biodiversität. 65 Prozent der in der Schweiz heimischen Fischarten sind gefährdet – ungefähr 20 Arten in den letzten 100 Jahren bereits ausgestorben. Davon kamen 14 nur in der Schweiz vor, womit sie auch für die übrige Welt verloren sind. Als gefährdet oder ausgestorben gelten gemäss Mitteilung fast zwei Drittel der Gewässerinsekten und über die Hälfte der an Gewässer und Moore gebundenen Pflanzenarten. Die Gründe dafür sind vielfältig. Sie reichen von der Verbauung der Gewässer für den Hochwasserschutz über die Nutzung der Wasserkraft bis zur Beeinträchtigung der Wasserqualität durch Nähr- und Schadstoffe. Hinzu kommt die Klimaerwärmung. Eine Gruppe von Wasserforschenden, unter anderem der Eawag, will nun Gegensteuer geben und macht sich die Fähigkeiten künstlicher Intelligenz zu Nutze. Sie simulieren mit ihr, wie die Verteilung der Arten ohne menschliche Einflüsse aussehen würde – also in natürlichen Flüssen mit unbesiedelter Umgebung. Anschliessend können sie ableiten, wo der Unterschied zwischen tatsächlichem und theoretisch erwartetem Vorkommen einer Art am grössten ist. Und noch wichtiger: Welche Faktoren wir als Menschen beeinflussen können, die für diese Differenz ausschlaggebend sind. Erste Erkenntnisse haben die Forschenden in der Region der unteren Emme gewonnen. Dort kommt unter anderem der Schneider vor, ein «geselliger Schwarmfisch». Damit er auch weiter in guter Gesellschaft leben kann, müssen für ihn Hindernisse aus dem Weg geräumt werden. Diese und andere Handlungsempfehlungen haben die Forschende auf einer Prioritätenliste zusammengefasst. Hoffentlich greifen die Massnahmen rechtzeitig, damit der Artenschwund verlangsamt wird.
Und jetzt noch zu anderen Themen des Tages:
- Architekturgeschichte: Geht es dir wie mir und du zählst Bümpliz nicht zu den ersten Feriendestinationen der Region? Architekturliebhaber*innen kommen dort ab sofort auf ihre Kosten. Sie können sich in einer 4,5-Zimmer-Wohnung in der Hochhaussiedlung Fellergut einquartieren. Warum das einer kleinen Zeitreise in die Berner Baugeschichte der 1970er-Jahre gleichkommt, habe ich bei einem Rundgang erfahren.
- Literatur: In die Aare zu tauchen und sich von ihr treiben zu lassen, war diesen Sommer bislang kaum möglich. Umso mehr lege ich dir ans Herz, dich auf Selma Imhofs literarische Geheimnissuche einzulassen. Unsere Kolumnistin erinnert sich an Kindheitstage, in denen sie unter der Kirchenfeldbrücke nach Welsen tauchte. Oder geschah das nur in der Fantasie?
- Badi: Bislang waren sonnige Freibadtage rar gesät. Dementsprechend durchwachsen fällt die Zwischenbilanz der städtischen Freibäder aus: Im Vergleich zum Vorjahr seien 56 Prozent weniger Menschen die Berner Badis gekommen, heisst es in einer Mitteilung vom Mittwoch. Vergleichbar schlechte Zahlen habe es zuletzt 2021 gegeben, als ein Aare-Hochwasser und die Sanierung des Weyerli für weniger Eintritte sorgten. Das Freibad Ka-We-De beendet die diesjährige Badisaison übrigens schon am 1. September, weil die Eisbahn und das Nichtschwimmbecken neu gebaut und das Wellenbad saniert werden.
- Verkehr: Der Verein Spurwechsel übergibt heute Vormittag auf dem Berner Rathausplatz eine Petition mit über 1000 Unterschriften, die sich gegen den Autobahnausbau in der Region Bern richtet. Der Verein verlangt laut einer Mitteilung vom Regierungsrat und von der Regionalkonferenz Bern-Mittelland, dass sie sich gegen die Berner Projekte des grossen Ausbaupakets für die Nationalstrassen positionieren. Die nationale Volksabstimmung darüber findet am 24. November statt.
- Gastronomie: Die Berner Pop-up-Welt ist um ein Mitglied reicher: Seit Mittwoch bietet in der Altstadt die Bar Essa Kaffee, Gebäck und Drinks an. Wenn du es dir dort gemütlich gemacht hast, lies doch diesen Artikel meiner Kollegin Andrea von Däniken und lerne mehr über das Berner Pop-Up-Game.
- Wolf: Der Kanton Bern hat den Abschuss eines Wolfs angeordnet, der im Simmental neun Schafe gerissen haben soll. Das teilte die bernische Umweltdirektion am Mittwoch mit. Den Abschuss verlangt hatte unter anderem der Berner Bauernverband. Die Schafe wurden zwischen dem 1. und 5. Juli in gerissen. Sie gehörten zu einer geschützten Herde von 2000 Tieren, die im Grenzgebiet der Kantone Bern und Freiburg gesömmert wird.
PS: Voilà, la Francophonie: Heute startet im Kino Rex der Film «Le Ravissement»der französischen Regisseurin Iris Kaltenbäck. Beginn um 20:30 Uhr – Originalfassung mit deutschen Untertiteln.