Jugendparlament – Stadtrat-Brief #10
Sitzung vom 29. Juni – die Themen: JuPa, Entsorgung; Abstimmungsunterlagen; Stadtpräsidium; Erlacherhof; Klima.
Der Stadtrat ist nicht das einzige Parlament der Stadt Bern. Seit 20 Jahren gibt es auch ein Kinderparlament (für 8- bis 13-Jährige) und seit acht Jahren ein Jugendparlament (JuPa). Wer bei letzterem mitmachen darf, war Thema an der gestrigen Sitzung des Stadtrates.
Am Ende der Debatte setzte sich Gemeinderätin Franziska Teuscher (GB) für die Begehren der Jugendlichen ein: «Uns kann nichts besseres passieren als ein aktives und innovatives JuPa». Der Stadtrat nahm die Änderungen mit 52 zu 13 Stimmen an.
Sechs Mitglieder des JuPa hörten sich auf der Zuschauer*innentribüne an, was die Stadträt*innen unten im Saal zur von ihnen eingereichten Jugendmotion zu sagen hatten. Drei Änderungen forderten die Jugendlichen:
Das Höchstalter soll von 21 auf 25 Jahre angehoben werden.
Nicht nur Jugendliche, die ihren Wohnsitz in der Stadt haben, sondern auch jene, die in der Stadt arbeiten oder eine Ausbildung absolvieren, sollen mitwirken dürfen.
Die Stadt Bern soll eine feste Sekretariatsstelle mit einem 15 Prozent-Pensum schaffen.
Die Alterserhöhung sorge für Kontinuität, argumentierte Anna Jegher (JA). «Wir winken nicht alles vom JuPa durch. Doch hier geht es darum, wie es sich organisieren will. Die Jugendlichen wissen das besser als wir Fraktionen», so Jegher. Sie freue sich über den Einsatz der Jugendlichen, sagte Bettina Jans-Troxler (EVP), doch sei ihr nicht klar, warum es die Alterserhöhung brauche. «Aber weil es der Wunsch des JuPa ist, stimmt unsere Fraktion dem Anliegen zu», so Jans-Troxler.
Ablehnend äusserte sich Alexander Feuz (SVP): Er befürchte, dass 25-Jährige die Jüngsten instrumentalisieren würden und wegen ihrer anderen Lebenssituation andere Anliegen hätten. Und durch den Einbezug von Auswärtigen würden die Ansässigen übersteuert.
Therese Streit-Ramseier, geboren 1962, sitzt seit November 2019 für die EVP im Stadtrat. Sie hat Ausbildungen zur Buchhändlerin und Sozialarbeiterin absolviert und arbeitet als Psychologische Beraterin.
Warum sind Sie im Stadtrat?
Die ethischen Grundsätze der EVP sind mir wichtig, verstehe ich doch meinen Einsatz im Parlament als Beitrag zum sozialen Frieden, zur Chancengerechtigkeit und in Würdigung der Vielfalt der Menschen der generationendurchmischten Stadtbevölkerung.
Wofür kennt man Sie im Rat – auch ausserhalb Ihrer Partei?
Ich bin keine «Ruferin in der Wüste». Geschätzt wird, dass ich ruhig und mit wenigen Worten ab und zu Stellung nehme zu Geschäften. Ich verstehe meine Beiträge als Ergänzung, wenn nicht schon alles gesagt ist. Als Teamplayerin reiche ich gerne Vorstösse mit ein.
Welches ist Ihr grösster Misserfolg im Rat?
Aufgrund unterschiedlicher Haltungen und Meinungen gehören Misserfolge im demokratischen Prozess dazu. Ein Misserfolg ist für mich, dass das vielfältige soziale Engagement der Kirchen, insbesondere von Freikirchen, zu wenig gewürdigt und angemessen unterstützt wird.
Worauf sind Sie stolz bei Ihrer Ratsarbeit?
Als Beterin, die im Hintergrund des ganzen Regierungsgeschehens das Beten für die vielfältigen Herausforderungen der Stadt als wichtige Aufgabe betrachtet, ist es für mich eine Gebetserhörung, wenn die Zusammenarbeit im Gemeinderat, zwischen Gemeinderat und den Direktionen, der Verwaltung, den Kommissionen und Fraktionen bestmöglich gelingt und der Stadt als unser aller Lebensraum dient. Demokratie betrachte ich als Chance, immer wieder aufeinander zugehen zu müssen, um Kompromisse zu ringen und praktikable Lösungen zu finden. Gelingt dies, bin ich dankbar.
Welches ist Ihr liebster Stadtteil und warum?
In Bümpliz bin ich zu Hause. Ich schätze den traditionellen dörflichen Charakter, sowie gleichzeitig das Urbane und Vielfältige. Ich schätze das Miteinander der Einheimischen und der Migrationsbevölkerung in Vereinen, Quartierinitiativen und Kirchen. Meine Erfahrung ist, dass wir so voneinander lernen und uns ergänzen. Diese Bereitschaft fehlt mir nicht selten im Stadtrat.
Diese Themen waren ebenfalls wichtig:
- Erlacherhof: Zmittag essen im Garten des Erlacherhofs oder auf der dortigen Wiese chillen? Geht es nach dem Stadtrat, soll dies bald möglich sein. Mit 34 zu 28 Stimmen und 4 Enthaltungen hat er eine Richtlinienmotion an den Gemeinderat überwiesen. Sie fordert, dass der Garten des Erlacherhofs der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden soll. Das Anliegen sei sympathisch, die Umsetzung aber kompliziert, sagte Stadtpräsident Alec von Graffenried (GFL). Der Garten ist nur via Gebäude erreichbar und dieses ist aus Sicherheitsgründen nicht frei zugänglich. Der Zugang zum Garten müsste also ständig durch Aufsichtspersonal gesichert werden. Von Graffenried wies darauf hin, dass die Gartenanlage schon heute regelmässig geöffnet wird – etwa an Abstimmungs- und Wahlwochenenden.
- Entsorgung: Die Stadt Bern kauft für ihren Entsorgungsdienst ein neues Service- und Einsatzfahrzeug mit Kran. Das Bisherige habe nach 13 Jahren das Ende seiner Lebensdauer erreicht, so der Gemeinderat. Das neue Fahrzeug soll grösser sein (19 statt 7,5 Tonnen), ebenso sein Kran, damit es die gestiegenen Betriebsanforderungen erfüllen könne. Erich Hess (SVP) störte sich daran, dass die Stadt ein Elektrofahrzeug beschaffen will – lieber solle sie auf einen bewährten Dieselantrieb setzen. Gemeinderätin Marieke Kruit (SP) erinnerte im Gegenzug an die Klimaziele der Stadt. Der Stadtrat bewilligte den Kredit über 585’000 Franken mit 58 zu 5 Stimmen bei einer Enthaltung.
- Abstimmungsunterlagen: Die Stimmberechtigten der Stadt Bern erhalten auch in Zukunft alle Unterlagen für ihre Willensbildung auf Papier. Der Stadtrat sprach sich dagegen aus, dass sich Bürger*innen für die alleinige elektronische Zustellung des Materials von Wahlen und Abstimmungen hätten eintragen können (24 Ja/41 Nein). Man wolle die Entwicklungen auf Kantonsebene abwarten, ausserdem wurden demokratiepolitische Gefahren befürchtet. Der Gemeinderat prüft aber, ob die politische Werbung der Parteien zusätzlich auf der Website der Stadt Bern verlinkt werden soll – wie es heute bereits der Fall ist mit dem Abstimmungsbüchlein.
- Stadtpräsidium: Ein siebenjähriger GLP-Vorstoss verlangte, dass künftig jedes Jahr ein anderes Gemeinderatsmitglied das Stadtpräsidium wahrnimmt. Das Modell einer einzelnen Identifikationsfigur sei nicht mehr zeitgemäss. Der Stadtrat sprach sich mit 37 zu 19 Stimmen bei 6 Enthaltungen gegen das Rotationsprinzip aus. Die Ja-Stimmen stammten aus den Reihen der Fraktionen GB/JA, AL/PdA und Mitte, die Enthaltungen kamen aus dem Lager der Grünliberalen.
- Klimamassnahmen: Der Gemeinderat muss dem Stadtrat berichten, wie gut die Stadt auf ein heisseres Klima vorbereitet ist. Das Parlament hat ein entsprechendes GB/JA!-Postulat für erheblich erklärt (53 Ja, 10 Nein, 1 Enthaltung). Das Postulat verlangt auch, dass der Gemeinderat für allfällig nötige Anpassungsmassnahmen genügend finanzielle und personelle Ressourcen einplant. Ein AL-Postulat fordert zudem eine gesetzliche Grundlage für Fassadenbegrünungen. Weil aber gerade eine Revision der Bauordnung in Arbeit ist, verlangte der Gemeinderat eine Fristverlängerung zur Vorlage des Prüfungsberichts. Dem hat der Stadtrat zugestimmt (38 Ja, 17 Nein, 4 Enthaltungen).
PS: Es war die letzte Stadtrat-Sitzung vom zurücktretenden Thomas Fuchs (SVP). Zum Abschied verteilte er allen Ratsmitgliedern Mandel-Füchslein. Nach der Sitzung ging es weiter mit der offerierten Verköstigung: Ratspräsident Michael Hoekstra (GLP) lud alle Stadträt*innen auf ein Bier im Restaurant Volver ein. Er hatte eine Wette gegen Ratssekretärin Nadja Bischoff verloren – der Rat war entgegen Hoekstras Prognose ausnahmsweise mit allen 28 Traktanden durchgekommen.