Eisbahn – Stadtrat-Brief #38
Sitzung vom 31. Oktober 2024 – die Themen: Weyerli; 7 statt 5; Stellvertretung; Drogenanlaufstelle; Kinder- und Jugendarbeit; Altenberg; Legislaturbilanz. Ratsmitglied der Woche: Simone Richner.
«Die Stadt sprengt ihre Dimensionen», sagte SP-Stadtrat Emanuel Amrein feierlich, und er meinte damit den Neubau der kombinierten Sportanlage Hallenbad/Kunsteisbahn im Weyermannshaus. Es ist das grösste Bauprojekt der Stadt Bern der letzten Jahrzehnte. 107 Millionen Franken kostet die Breitensportstätte, die nach dreijähriger Bauzeit 2030 bereitstehen soll. Geplant ist ein schweizweites Pionierwerk, ein über die Eisbahn gestapeltes Hallenbad im Minergie-P-Eco-Standard.
Der ambitionierte Ersatzneubau motivierte das Parlament zu einer ernsthaften Debatte über die beiden kontroversesten Themen der Stadtpolitik: Finanzen und Klimakrise. Ihre Fraktion stimme dem Ersatz der «eindeutig in die Jahre gekommene Anlage» aus den 1970er-Jahren zwar zu, sagte Irina Straubhaar (GLP). Aber sie sparte nicht mit Kritik an der Finanzpolitik der rot-grünen Mehrheit: «Eigentlich hat die Stadt nicht die Mittel dafür», sagte Straubhaar, «Rot-Grün hat in den finanziell guten Jahren die Ausgaben erhöht, anstatt Reserven für solche Investitionen anzulegen.»
Auch Tanja Miljanović (GFL) benannte einen Zwiespalt, allerdings ökologischer Natur. Ist es noch zeitgemäss, angesichts der Klimaerwärmung an Eisanlagen festzuhalten? Bei einem Eintritt in die künftige Weyerli-Eis-Bad-Halle, rechnete Miljanović vor, verbrauche eine Person in einer oder zwei Stunden gleich viel Energie wie eine vierköpfige Familie den ganzen Tag. Weil Schlittschuhlaufen für viele Berner*innen unverzichtbar sei, rang sich die GFL zu einem Ja durch. Nur Francesca Chukwunyere nicht: Alle sprächen von der Klimakrise, sagte sie, «und keiner getraut sich, Nein zu sagen. Aber ich sage Nein», deklarierte die GFL-Stadträtin.
Seraphine Iseli warf für das GB die Frage auf, ob man die Ökobilanz verbessern könnte, indem – wie bei der Eisbahn auf dem Bundesplatz – Kunststoff-Eis zum Einsatz käme. Ihre Parteikollegin, Gemeinderätin Franziska Teuscher, beschied ihr aber, dass die Technologie für einen dauerhaften Einsatz noch zu wenig weit sei. Und Stadtpräsident Alec von Graffenried (GFL) mahnte das Parlament: «Wenn uns schon immer der Vorwurf gemacht wird, wir machen zu viele Schulden, müsste man auch mal bereit sein, zu verzichten.»
Ihm war allerdings klar, dass sein Appell ungehört bleiben würde. Mit 48 Ja-Stimmen (bei 2 Nein und 19 Enthaltungen) hiess der Stadtrat den 107-Millionen-Kredit gut. 2025 wird das Volk darüber entscheiden – und auch es ist in der Regel nicht in Verzichtslaune. In den letzten Jahren winkten die Stimmberechtigten alle Vorlagen des Gemeinderats durch.
Die Rechtsanwältin Simone Richner (39) ist seit 2021 für die Fraktion FDP/JF im Stadtrat. Sie arbeitet als Abteilungsleiterin administrative Verkehrssicherheit beim kantonalen Strassenverkehrsamt.
Warum sind Sie im Stadtrat?
Weil ich meine Werte und die Werte jener Menschen vertreten möchte, die mir ihre Stimme geschenkt haben. Es ist mir ein grosses Anliegen, diesen Leuten eine starke Stimme zu geben. Mein Ziel ist es, eine Politik zu machen, die freiheitliche Prinzipien und individuelle Verantwortung fördert, dabei aber auch das Gemeinwohl im Blick behält.
Wofür kennt man Sie im Rat – auch ausserhalb Ihrer Partei?
Im Rat bin ich für meine seriöse und gewissenhafte Arbeitsweise bekannt. Auch ausserhalb meiner Partei schätzen mich die Kolleg*innen für meine sachlichen Beiträge. Ich versuche immer, pragmatisch und lösungsorientiert zu arbeiten, und lege grossen Wert auf einen respektvollen Dialog.
Welches ist Ihr grösster Misserfolg im Rat?
Als Mitglied der absoluten Minderheit im Rat sind Misserfolge leider nicht ungewöhnlich. Erfolge zählen umso mehr. Mein grösster Erfolg war die erfolgreiche Verhinderung der Feuerwehrersatzabgabe, ein Vorhaben, das ich mit grossem Engagement und Unterstützung durch breite Koalitionen stoppen konnte. Auch Minderheiten können im Rat bedeutende Erfolge erzielen, wenn sie entschlossen und sachkundig handeln.
Worauf sind Sie stolz bei Ihrer Ratsarbeit?
Dass ich stets bemüht bin, Brücken zu bauen und mit allen Fraktionen im Rat zusammenzuarbeiten. Es ist mir wichtig, offen für andere Meinungen zu sein und gemeinsame Lösungen zu finden. Diese Fähigkeit zum Dialog und zur Kooperation empfinde ich als besonders wertvoll in meiner politischen Arbeit.
Welches ist Ihr liebster Stadtteil und warum?
Mein liebster Stadtteil ist der Altenberg. Hier bin ich geboren und aufgewachsen, und ich fühle mich der Aare besonders verbunden. Die Nähe zum Wasser, die charmanten Bauten und die lebendige Nachbarschaft machen den Altenberg zu einem einzigartigen Ort, der für mich immer Heimat bedeuten wird. Es ist besonders schön, dass auch meine Tochter nun im Altenberg auf die Welt gekommen ist – so schliesst sich der Kreis auf wunderbare Weise.
Das hat der Stadtrat weiter beschlossen:
- 7 statt 5: Vor 20 Jahren entschieden die Stimmberechtigten, die Stadtberner Regierung von 7 auf 5 Mitglieder zu verkleinern. Mit 40 zu 21 Stimmen beauftragt der Stadtrat nun diese Regierung, eine Vorlage für die Vergrösserung des Gemeinderats von 5 auf 7 Mitglieder auszuarbeiten. Bernadette Häfliger (SP), die den Vorstoss mitlanciert hat, argumentierte, es brauche diese Stärkung der überlasteten Regierung, um «ein neues Führungsverständnis mit Fehlerkultur» umzusetzen. Gemeinderät*innen sollten sich nicht nur als Vorsteher*innen ihrer Direktionen verstehen, sondern auch als Teil eines Regierungskollektivs. Für Sibyl Eigenmann (Mitte) hingegen wäre es «ein Graus», wenn der Gemeinderat ausgebaut würde. Er solle sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren. Florence Pärli (FDP) mahnte, man sollte eher das überproportionale Wachstum der Verwaltung bremsen anstatt als Folge davon die Regierung zu vergrössern. Obschon der Gemeinderat bei sich selber keine Überlastung erkennt, zeigte sich Stadtpräsident Alec von Graffenried bereit, rasch eine Abstimmungsvorlage vorzubereiten. Je nach Ausgang würde bereits bei den Wahlen 2028 eine siebenköpfige Regierung bestellt.
- Stellvertretung: In seltener Einstimmigkeit verabschiedete der Stadtrat ein neues Reglement, gemäss dem sich gewählte Parlamentarier*innen während bis zu sechs Monaten vertreten lassen können. Tom Berger (FDP), Mitinitiator der Neuerung, freute sich «enorm über die Verbesserung der Vereinbarkeit». Béatrice Wertli (Mitte), die in der Pause zwischen den beiden Stadtratssitzungen mit ihren Kindern zu Hause Schulaufgaben erledigt hatte, sagte, nun lasse sich «Politik besser mit dem Leben vereinbaren». Als Stellvertreter*innen zum Einsatz kommen Politiker*innen, die bei den Wahlen kandidiert haben, aber nicht gewählt wurden. Im Februar 2025 kommt diese Änderung der Gemeindeordnung vors Volk.
- Drogenanlaufstelle: «Es wäre falsch, die Schwächsten weiter zu schwächen», sagte SVP-Fraktionspräsident Janosch Weyermann. Der Stadtrat bewilligte oppositionslos einen Projektierungskredit von 650’000 Franken, um Sanierung und Erweiterung der von der Stiftung Contact betriebenen Anlaufstelle für Drogenabhängige an der Hodlerstasse vis-à-vis der Schützenmatte anzugehen.
- Kinder- und Jugendarbeit: Der Stadtrat verlängerte für die Periode 2025/2026 die Leistungsverträge mit dem Trägerverein für offene Jugendarbeit (4,8 Millionen Franken) und dem Dachverband für offene Arbeit mit Kindern (5,1 Millionen Franken).
- Altenberg: Thomas Hofstetter (FDP) kritisierte zwar, dass der Gemeinderat für die Sanierung der altersschwachen Turnhalle Altenberg keine Alternativen geprüft habe. Er sah das als Beispiel dafür, dass der Gemeinderat «die Stadt verwaltet und nicht weiterentwickelt». Doch das Parlament gab den Baukredit von 3 Millionen Franken mit grossem Mehr frei.
- Legislaturbilanz: Der Stadtrat kann das Selbstzeugnis des Gemeinderats zu dessen Legislaturrichtlinien zwar nur zur Kenntnis nehmen. Doch drei Wochen vor den Wahlen gab es dazu doch eine leicht bissige Diskussion. Sogar Bernadette Häfliger (SP), Teil der rot-grünen Mehrheit, kritisierte, die Regierung sei in ihrer Legislaturbilanz «nett zu sich selber». Sie beklagte «fehlende Führung und fehlende direktionsübergreifende Steuerung», vor allem bei (IT-)Projekten, die nicht so gut liefen. Zudem sei die Stadt ziemlich weit weg davon, eine «chancengerechte und gleichberechtigte Gesellschaft zu sein». Laut Stadtpräsident Alec von Graffenried arbeitet seine Regierung nach der Maxime «Getting things done», wie er sagte: Die Projekte auf den Boden zu kriegen. Die Mehrheit des Stadtrats nahm die Legislaturbilanz ohne Wertung zur Kenntnis.
PS: SP-Fraktionspräsidentin Barbara Keller hatte für Alec von Graffenried eine kleine Standpauke vorbereitet. Der Stadtpräsident hatte vor ein paar Monaten bei der ersten Lesung zum Stellvertretungs-Reglement Stadträt*innen kritisiert, sie würden unseriös in die Gemeindeordnung «pfuderen», wenn sie sehr kurzfristig Anträge einreichten. «Pfuderen» blieb Keller im Hals stecken. Am Donnerstag sagte sie nun, sie spreche wohl für alle im Parlament, wenn sie es unangebracht finde, dass der Stapi die Arbeit der Stadträt*innen als unseriös bezeichne. Nur: Kellers Kritik verklang ungehört. Von Graffenried war gerade nicht im Saal.