Gaswerkareal – Stadtrat-Brief #13/2025

Sitzung vom 21. August 2025 – die Themen: Gaswerkareal; Citysoftnet; IT-Plattformen.

Stadtrat-Brief
(Bild: Silja Elsener)

Auf dem Berner Gaswerkareal sollen so rasch wie möglich Wohnungen gebaut werden – dafür hat sich am Donnerstag eine deutliche Mehrheit des Stadtrats ausgesprochen und alle Anträge abgelehnt, die das Projekt verzögern würden. Einzig die SVP stellte sich grundsätzlich gegen die Überbauung.

Auch wenn grosse Einigkeit herrschte, diskutierte das Parlament die insgesamt drei Vorlagen doch über zweieinhalb Stunden lang. Und das vor voller Tribüne: Dort hatten Vertreter*innen des Kulturlokals Gaskessel und Bewohner*innen der alternativen Siedlung Anstadt Platz genommen. Sie sind von den Vorlagen direkt betroffen, denn die Überbauung wird dort entstehen, wo sie Kultur betreiben oder leben.

Kurz gesagt sollen auf dem Areal dereinst 300 bis 500 Wohnungen gebaut werden, mindestens 75 Prozent davon im preisgünstigen Segment. Vier der Baufelder will die Stadt selbst entwickeln, neun will sie im Baurecht an Investor*innen abgeben. Bei den drei diskutierten Vorlagen geht es um die Umzonung des Areals, einen Kredit über 25,2 Millionen Franken für Investitionen in die weitere Planung und die Kompetenzübertragung an den Gemeinderat, damit er die Baufelder in Eigenregie im Baurecht abgeben kann und dazu weder die Einwilligung des Parlaments noch des Volkes braucht.

Mit anderen Worten: Nach dem Kauf des Areals von der städtischen Energieversorgerin EWB für 30,8 Millionen Franken im Jahr 2020 ist das der nächste grosse Meilenstein für die Überbauung.

Einer der grössten Diskussionspunkte war der Anteil an preisgünstigen Wohnungen. Im Projekt festgelegt sind mindestens 50 Prozent genossenschaftlicher Wohnungsbau plus 25 Prozent im preisgünstigen Segment. Für das Grüne Bündnis war dieser Anteil nicht gross genug, es beantragte bis zu 100 Prozent. «Es ist völlig unverständlich, dass die Stadt Bern die Chance nicht nutzt, um kostengünstige Wohnungen zu bauen», sagte Esther Meier im Namen ihrer Fraktion. 

Die Bürgerlichen hingegen bedauerten die «Überdominanz von gemeinnützigen Wohnbauträgern», wie es FDP-Sprecherin Simone Richner formulierte. «Ein funktionierender Wohnungsmarkt braucht Wettbewerb», meinte sie noch. Ausschlaggebend dafür, dass es bei dem Anteil von 75 Prozent blieb, war schliesslich die SP, die den Antrag des GB ablehnte. «For-profit-Wohnungen subventionieren billigen Wohnraum quer, auch wenn es mir als SPler weh tut, das zu sagen», argumentierte Dominik Fitze.

Bis weit ins bürgerliche Lager hinein waren sich die Ratsmitglieder einig, dass es wichtig ist, das Kulturzentrum Gaskessel in die Pläne zu integrieren und mit ihm im Dialog zu bleiben. «Der Gaskessel wird zusammen mit den anderen Baudenkmälern im Areal zur Identität des neuen Quartiers beitragen», erklärte Stadtpräsidentin Marieke Kruit (SP).

Und schliesslich war da noch das Wohnkollektiv Anstadt, das seit 2018 mit einem Gebrauchsleihvertrag auf dem Areal lebt. Es hatte sich in einer Medienmitteilung darüber beklagt, dass die «bürgerliche Linke» eine «fantasielose Gentrifizierungsmassnahme» plane und die Anstadt nicht proaktiv in einen «Arealentwicklungsprozess» einbinde, was «mindestens ignorant» sei. 

Mit einer Tischvorlage forderte die Fraktion AL/PdA/TIF, dass der Gemeinderat prüfen solle, ob in der entsprechenden Zone das Mindestnutzmass von 15’000 Quadratmetern auf 10’000 gesenkt werden könnte. «So würde man auf Flora, Fauna und Menschen dort Rücksicht nehmen», argumentierte David Böhner (AL) mit Blick auf die Anstadt, aber auch auf die hohe Biodiversität dieser Zone. Davon wollte die Mehrheit des Rats nichts wissen und folgte der Empfehlung von Stadtpräsidentin Marieke Kruit (SP). Sie hatte betont, dass die Annahme der Nutzungsreduktion einer Rückweisung gleichkäme und das Projekt verzögern würde. In ihrer technischen Argumentation kam das Wort Anstadt nicht vor.

Nach der Sitzungspause, als sich die Tribüne schon geleert hatte, stimmte der Rat (mit Ausnahme der SVP) jedoch dem Antrag der zuständigen Kommission zu, dass die Anstadt bis Baubeginn im Gaswerkareal bleiben kann. Ausserdem beauftragte die rot-grüne Mehrheit den Gemeinderat zu prüfen, inwiefern auf dem Areal auch Wohnformen wie die Anstadt integriert werden können. Ein vager Antrag, der dem – bezüglich Anstadt wortkargen – Gemeinderat viel Spielraum lässt.

Die Stadtberner Stimmbevölkerung kann voraussichtlich im November über die drei Vorlagen abstimmen. Das nächste Mal am Zug ist sie danach, wenn es dereinst um die Kredite für die städtischen Bauprojekte geht.

Portraits von Ratsmitgliedern des Stadtrats Bern fotografiert am Donnerstag, 22. Mai 2025 in Bern. (hauptstadt.be / Daniel Buergin)
Ratsmitglied der Woche: Mirjam Arn

Mirjam Arn (34) sitzt seit 2022 für das Grüne Bündnis im Stadtrat. Sie arbeitet als Assistenzärztin in einem Hausarzt-Zentrum in Lyss. In der Freizeit ist sie sportlich aktiv, als passionierte Gleitschirmpilotin, sie spielt aber auch Beachvolleyball, joggt und klettert.

Warum sind Sie im Stadtrat?

Mein Interesse für Politik kommt aus dem Streben nach Gerechtigkeit und aus dem Wunsch nach einer Zukunft für alle. Schlussendlich zum Stadtrat geführt hat mich die Aktivität in der Partei. Im Stadtrat möchte ich für benachteiligte Personen einstehen, Gesundheitsförderung und endlich eine konsequente Klimapolitik vorantreiben. Ebenfalls sehr am Herzen liegen mir Sport und Tierschutz. Ich sehe mich als Beauftragte der Stimmbevölkerung, die grüne solidarische Position zu vertreten. Und ich möchte Anliegen aus der Bevölkerung aufnehmen, um Bern zu einer Stadt zu machen, die für alle ein Zuhause ist und mit gutem Beispiel vorangeht.

Wofür kennt man Sie im Rat – auch ausserhalb Ihrer Partei?

Wahrscheinlich bin ich die mit dem vielen Gepäck. Ich bin oft mit Sportsachen unterwegs und auch über die Parteigrenzen hinaus über den Sport mit den Kolleg*innen verbunden.

Welches ist Ihr grösster Misserfolg im Rat?

Was mich sehr enttäuscht, ist der langsame bis inexistente Fortschritt zu nachhaltiger Ernährung. Das Thema ist schwierig, emotional aufgeladen und kontrovers. Jedoch gibt es gute Evidenz für positive Effekte auf Gesundheit, Klima und Tierwohl bei einer pflanzenbasierten Ernährung.

Worauf sind Sie stolz bei Ihrer Ratsarbeit?

Persönlich am meisten gefreut haben mich bisher unsere Motion zur Frankierung der Stimm- und Wahlcouverts und ein Postulat zu Denkmalschutz und energetischen Sanierungen, welche deutlich angenommen wurden. Ich bin stolz auf die fruchtbaren Gespräche innerhalb der Partei und auf die fraktionsübergreifende Zusammenarbeit.

Welches ist Ihr liebster Stadtteil und warum?

Mein bisher liebster Stadtteil ist wohl das Marzili im Stadtteil III. Hier mischen sich Menschen jeden Alters und jeder Herkunft, um gemeinsam Sport zu treiben, die Tage ein- und ausklingen zu lassen und die Aare zu geniessen. Sie spielt für Berns Charme und Identität eine grosse Rolle. Würde er zum Stadtgebiet gehören, wäre mein liebster Stadtteil übrigens der Gurten, bei jedem Wetter und bei jeder Jahreszeit, als Ort der Ruhe und des Durchatmens.

Und das wurde auch noch diskutiert:

  • Citysoftnet: Die kostspielige Aufarbeitung des Citysoftnet-Debakels geht in die nächste Runde. Das Parlament hat mit 48 zu 17 Stimmen bei 6 Enthaltungen einen Nachkredit in der Höhe von 1,5 Millionen Franken zuhanden des Amts für Erwachsenen- und Kindesschutz genehmigt. Nicht ohne Unmut über die Mehrkosten zu äussern. «Wir erwarten endlich eine seriöse Budgetierung», sagte Corina Liebi (GLP) und bezeichnete das Vorgehen des Gemeinderats als naiv. Neben ihrer Fraktion lehnten auch SVP und Mitte die Vorlage ab, die FDP beschloss Stimmfreigabe. «Es geht hier um einen Millionenbetrag», betonte Nik Eugster (FDP). Der Nachkredit umfasst hauptsächlich Personalkosten und externe Dienstleistungen. Die Diskussion erwische ihn «auf dem linken Fuss», sagte der zuständige Gemeinderat Alec von Graffenried (GFL), in der Kommission sei er diskussionslos durchgewinkt worden. «Kommen Sie auf mich zu, wenn Sie Fragen haben, aber jetzt ist nicht der richtige Rahmen dazu.»
  • Informatik: Das Parlament hat einen Investitionskredit von 3,5 Millionen Franken sowie einen Verpflichtungskredit von 1,8 Millionen Franken für die Zusammenführung und den Betrieb von zwei bisher unabhängigen IT-Plattformen ohne Gegenstimmen bewilligt. Es handelt sich um die Service-Plattform der Schulinformatik und diejenige für die Verwaltung- und Bereitstellung ihrer IT-Services. Unter dem Strich soll der Betrieb mit der Zusammenführung effizienter und minim kostengünstiger werden. Trotzdem gab es kritische Stimmen. So etwa von Raffael Joggi (AL): Das Projekt sei solide, man schaffe damit Altlasten auf die Seite. Aber er warf Fragen der Nachhaltigkeit auf. Es sei viel Geld, und er frage sich, was in fünf bis zehn Jahren passiere. Ob das Projekt dann einfach neu ausgeschrieben werden müsse und was dann mit den Daten passiere. Die zuständige Gemeinderätin Melanie Mettler (GLP) bedankte sich für die «kritische Begleitung».

PS: Einen dezenten Seitenhieb gegen die Behördensprache baute Nora Joos (JA!) in ihr Votum zum Gaswerkareal ein: «Wir begrüssen, dass im Brückenkopf eine zusätzliche öffentliche Vertikalverbindung entsteht», sagte sie und fügte trocken an: «also ein Lift». 

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