Zahnpflege – Stadtrat-Brief #12/2025

Sitzung vom 26. Juni 2025 – die Themen: Schulzahnpflege; Jahresrechnung; Quartierarbeit; Antisemitismus; Drucker; Wohnraum; Stellvertretung.

Stadtrat-Brief
(Bild: Silja Elsener)

Alle schulpflichtigen Kinder in der Stadt Bern erhalten jährlich eine Zahnkontrolle. Ausserdem müssen sie ihre Zähne (wer kennt es nicht aus der eigenen Schulzeit?) regelmässig unter Aufsicht einer Fachperson mit einer fluoridierten Zahnpasta schrubben. Die Stadt Bern ist verpflichtet, das zu gewährleisten.

Bis jetzt erledigt diese Aufgabe der städtische Schulzahnmedizinische Dienst. Doch dieser kämpft mit finanziellen Problemen. Also hat die Stadtregierung nach einer neuen Lösung gesucht: Die Sache soll an die Zahnmedizinischen Kliniken der Uni Bern ausgelagert werden. Damit kann die Stadt jährlich über 800’000 Franken einsparen, ohne Leistungen oder Personal abbauen zu müssen.

An der Sitzung vom Donnerstag konnte der Stadtrat über diesen Vorschlag des Gemeinderates entscheiden. Er musste dafür über ein neues Schulzahnmedizin-Reglement sowie über Teilrevisionen von zwei bestehenden Reglementen befinden. Und einen Leistungsvertrag mit der Uni Bern mit einem Kredit über 6,6 Millionen Franken genehmigen.

Das Parlament konnte sich von links bis rechts für den Plan des Gemeinderates begeistern. Er wurde mehrmals nicht nur als «Win-Win», sondern sogar als «Win-Win-Win-Situation» bezeichnet, zum Beispiel von Andreas Egli (Mitte) und Carola Christen (GFL).

Monique Iseli (SP) lobte das Projekt ebenfalls als «sehr gelungene Lösung». Da das Personal der Schulmedizinischen Dienste zu fairen Konditionen übernommen werde, geschehe die Auslagerung der städtischen Aufgabe auch aus gewerkschaftlicher Sicht zu akzeptablen Bedingungen.

Die zuständige Gemeinderätin Ursina Anderegg dankte dem Parlament für das «wohlwollende Aufnehmen» und freute sich über die breite Unterstützung des Geschäfts. Der Stadtrat nahm die beiden Vorlagen einstimmig an.

Damit werden die Zahnmedizinischen Kliniken der Uni Bern sich vorerst für die nächsten vier Jahre um die Zähne der Berner Schulkinder kümmern. Und die Stadt spart Geld. An den Zahnkontrollen wird sich grundsätzlich nichts verändern. Eine Neuheit gibt es aber: Die Klassenuntersuchungen sollen künftig mit einem ausgerüsteten «Schulzahnbus» direkt an den Schulen durchgeführt werden.

Portraits von Ratsmitgliedern des Stadtrats Bern fotografiert am Donnerstag, 22. Mai 2025 in Bern. (hauptstadt.be / Daniel Buergin)
Ratsmitglied der Woche: Johannes Wartenweiler

Johannes Wartenweiler (65) sitzt seit 2022 für die SP im Stadtrat. Er gehörte dem Parlament bereits von 2014 bis 2020 an und ist damit einer der erfahrensten Stadtpolitiker. Wartenweiler war Journalist und Gewerkschaftssekretär, heute ist er pensioniert und arbeitet freischaffend.  

Warum sind Sie im Stadtrat?

Ursprünglich als Vertreter der Gewerkschaft in den Stadtrat gekommen, bin ich an politischen Themen interessiert, die auf Stadtebene besonders gut angegangen werden können. Dazu gehören der Wohnungsbau und die Abkehr von fossilen Brennstoffen. Seit vielen Jahren interessieren mich zudem öffentliche Finanzen und ihr Unterschied zu privaten Buchhaltungen.

Wofür kennt man Sie im Rat – auch ausserhalb Ihrer Partei?

Dass ich gut informiert und gut vernetzt bin.

Welches ist Ihr grösster Misserfolg im Rat?

Wir haben mal einen Vorstoss zur Zentralisierung der Kita-Verpflegung eingereicht. Das ging nach hinten los, weil links und rechts Angst hatten, dass ihren Kindern ein unzumutbarer Kantinenfrass serviert werden könnte.

Worauf sind Sie stolz bei Ihrer Ratsarbeit?

Wir haben vor Jahren den Rahmenkredit für den Erwerb von Wohnraum durch die Stadt im Stadtrat und in der Volksabstimmung durchgesetzt. Der Kredit ist seither verlängert worden und die Stadt konnte damit zahlreiche Wohnungen erwerben.

Welches ist Ihr liebster Stadtteil und warum?

Ich habe keinen liebsten Stadtteil, weil die Stadt an vielen Ecken interessant ist. Aber ich fühle mich wohl in der Lorraine, wo ich zuhause bin.

Diese Themen waren ebenfalls wichtig:

  • Jahresrechnung: Die letzte Sitzung vor der Sommerpause dauerte sieben statt wie üblich vier Stunden: Der Stadtrat hatte die Jahresrechnung 2024 zu genehmigen. Die Mehrheit stimmte zwar deutlich zu mit 40 Ja- zu 15 Nein-Stimmen bei neun Enthaltungen; die Diskussionen waren aber lebhaft. Die Stadt schloss das letzte Jahr trotz rekordhohen Steuererträgen mit einem Defizit von 12,2 Millionen Franken ab. Das war zwar besser als budgetiert, doch das Eigenkapital der Stadt schrumpfte und die Schulden stiegen. Während die linke Ratsmehrheit die Wichtigkeit von Investitionen in Infrastruktur und Klimamassnahmen betonte, übte die bürgerliche Seite Kritik an der städtischen Finanzpolitik: «In die Zukunft zu investieren bedeutet auch, Reserven zu schaffen», sagte etwa Georg Häsler (FDP). Seine Partei fordere ein strukturelles Entlastungspaket und eine Ausgaben- und Schuldenbremse.
  • Quartierarbeit: Der Stadtrat will die Quartierarbeit in den kommenden vier Jahren mit insgesamt 14,9 Millionen Franken unterstützen. Er hat einem Kredit für die Vereinigung Berner Gemeinwesenarbeit (VBG) mit 50 zu zwei Stimmen bei sieben Enthaltungen zugestimmt. Weil der Betrag höher ist als in den früheren Jahren, kommt die Vorlage erstmals vors Stimmvolk. Der Stadtrat hat den Kredit gegenüber dem Vorschlag des Gemeinderates noch um 540’000 Franken erhöht. Er hat fünf von sechs Anträgen der zuständigen Kommission angenommen, die höhere Beiträge für einzelne Projekte forderten, zum Beispiel für das Angebot Nachbarschaft Bern (NaBe).
  • Antisemitismus: Ausgiebig und emotional diskutierte der Stadtrat ein dringliches Postulat, das den Gemeinderat auffordert, vermehrt gegen Antisemitismus im Kulturbereich vorzugehen. Unterzeichnet haben es Parlamentarier*innen von SP bis FDP. Der Vorstoss bezieht sich auf verschiedene Vorkommnisse, darunter die Verbreitung von Hasskommentaren durch Dino Dragic-Dubois als ehemaliges Mitglied der städtischen Kulturkommission. Kulturschaffende, die sich gegen Antisemitismus engagieren oder sich mit jüdischen Menschen solidarisieren, würden «zunehmend zur Zielscheibe von Boykottaufrufen und Einschüchterungen», heisst es im Postulat. Der Berner Kulturbereich habe ein «massives Antisemitismus-Problem», sagte Einreicherin Debora Alder-Gasser (EVP). Die Stadt berücksichtige die Anliegen betroffener Künstler*innen, insbesondere jüdischer, nicht genügend. David Böhner (AL) widersprach. Der Gemeinderat habe etwa angemessen reagiert, indem er Dragic-Dubois nicht wiederwählte. Das Parlament überwies das Postulat mit 49 zu zwei Stimmen bei acht Enthaltungen.
  • Drucker: Die Stadtverwaltung und die Volksschulen erhalten neue Drucker und Multifunktionsgeräte. Circa 665 Geräte müssen 2026 ersetzt werden. Dafür sprach der Stadtrat einen Kredit von rund 4 Millionen Franken – allerdings zähneknirschend, wie diverse Rät*innen betonten. Der Betrag sei sehr hoch, ausserdem sei der Deal nicht nachhaltig, weil noch funktionsfähige Drucker ausrangiert würden, kritisierte Raffael Joggi (AL). «Die engen Spielräume, die uns das öffentliche Beschaffungswesen setzt, sind frustrierend», sagte Tanja Miljanovic (GFL). Auch Gemeinderätin Melanie Mettler (GLP) findet die Lösung – die Drucker werden bei einer externen Firma gemietet und von dieser auch gewartet – nicht ideal. «Es gibt viele unbefriedigende Angebote auf dem Markt», sagte sie.
  • Wohnraum: Die Stadt kann an der Freiburgstrasse 121 und 121a ein Haus sanieren und ein neues bauen. Der Stadtrat hat dafür einen Kredit über 9,6 Millionen Franken gutgeheissen. In den Liegenschaften in Ausserholligen soll bezahlbarer Wohnraum entstehen. Vorgesehen sind zwölf Wohnungen mit zweieinhalb bis viereinhalb Zimmern und eine grossflächige Clusterwohnung mit sieben Einheiten. Zwei Neubau-Wohnungen werden als «Günstiger Wohnraum mit Vermietungskriterien» (GüWR) vermietet.

PS: Ab dem 1. Juli können sich Parlamentarier*innen im Rat für drei bis sechs Monate vertreten lassenMehmet Özdemir (SP) nutzt als erster Stadtrat dieses Recht: Von Juli bis Ende Oktober wird Jacqueline Brügger für ihn im Parlament sitzen, wie Präsident Tom Berger bekanntgab. Die neue Regel soll helfen, das politische Amt besser mit dem Privatleben vereinbaren zu können.

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Diskussion

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Alexander Steiner
28. Juni 2025 um 09:26

Zu den Druckern: Seltsam, dass hier bürgerliche Finanzsparbemühungen nicht mit grünen Resourcensparbemühungen zusammengefunden haben.