Ein neues, junges Theater- und Tanzhaus für Bern
Kulturschaffende haben eine Machbarkeitsstudie für ein Theater- und Tanzhaus für Kinder und Jugendliche in Auftrag gegeben. Geld dafür hat die Stadt Bern gegeben – aber ist sie auch bereit, ein solches Haus zu finanzieren?
In Genf gibt es eins, in Stuttgart auch, ebenso in Gent und Wien. Die Rede ist von einem Theater- und Tanzhaus für Kinder und Jugendliche. Die Kulturschaffenden Doro Müggler, Carol Blanc und Luzius Engel finden, es sollte auch eines in Bern geben. Eine nun herausgekommene Studie befasst sich damit, ob ein solches Haus auch machbar wäre.
Die Studie geht den Fragen nach, ob ein solches Haus den Bedürfnissen der Stadt entspricht und ob es machbar und längerfristig finanzierbar ist. Verfasser der Studie ist Urs Rietmann, Gründer des Theaterzirkus Wunderplunder, bis 2020 Leiter des Creaviva, Regisseur und mit dabei bei der GmbH für Angelegenheiten.
Er hat sich ein Jahr lang intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt, hat Gespräche mit 28 Kulturschaffenden geführt, eine Umfrage gestartet, bei der Politik nachgehakt, ein mögliches Haus für das Projekt gesucht. Nun liegen seine Ergebnisse vor. Und, Herr Rietmann, ist ein solches Haus machbar? «Ja», sagt er, «wenn die dafür nötigen Leidenschaften, Kompetenzen und Mittel dafür zur Verfügung gestellt werden.»
Das liebe Geld
Ende letzte Woche haben die drei Initiant*innen die Studie erstmals lesen können. Der Regisseur und Co-Leiter der Jungen Bühne Bern, Luzius Engel, hatte keine konkreten Erwartungen: «Wir sind das Ganze ergebnisoffen angegangen.»
Jetzt, da die Machbarkeit nachgewiesen ist, folgt der nächste Schritt. Um zusammen mit seinen Mitinitantinnen Doro Müggler, Schauspielerin, und Carol Blanc, Regisseurin und Autorin, das Projekt weiterzuziehen, braucht es Geld. Und dabei ist die Gruppe abhängig von der Stadt. Die Studie hatte Kultur Stadt Bern finanziert, doch wie geht es weiter?
Der Gründer des Theaterzirkus Wunderplunder rechnet in der Studie so: Für das laufende Jahr, in der die Konzeptbildung im Zentrum stünde, braucht es 40’000 Franken. Ab 2024 wären es jährlich 70’000 Franken für das Finden eines geeigneten Hauses, den Umbau und den Start des Probe- und Pilotbetriebs. Ein Budget von 320’000 Franken für fünf Jahre - ist das realistisch? Sofern die Initiant*innen private Mittel auftreiben sowie die Stadt als Subventionsgeberin gewinnen können wohl schon. Dafür müssen sie die Stadt aber auch noch überzeugen.
Warum eigentlich Kinder und Jugendliche?
Luzius Engel arbeitet als Regisseur selbst oft mit Kindern und Jugendlichen zusammen. «Sich mit den Lebensrealitäten der Jungen auseinanderzusetzen ist sehr inspirierend und genauso notwendig», erzählt er.
Das Theater- und Tanzhaus für Jugendliche und Kinder (TTJK) soll ein Ort werden, wo Kinder und Jugendliche performative Kunst kennenlernen und auch ein Teil davon werden: «Es ist wichtig, in gleichen Stücken mit ihnen und für sie Kultur zu schaffen», sagt Engel, «Theater für junges Publikum verlangt nach hoher Professionalität und besonderer künstlerischer Sorgfalt. Ein TTJK würde die Bedingungen dafür schaffen.»
Die Vision
Luzius Engel zeichnet mit seinen Händen und Worten ein Bild des zukünftigen Hauses. «Es soll ein Ort sein, der zur Begegnung einlädt, wo sich Familien wohl fühlen, wo Kinder und Jugendliche auch ohne Eltern hingehen wollen. Mit vielen kleinen und funktionalen Theaterräumen, einem Foyer, einem kleinen Café…»
Urs Rietmann hat in der Machbarkeitsstudie verschiedene Möglichkeiten für den Ort des TTJK skizziert. Die künftige Museumsinsel im Kirchenfeldquartier wäre eine ideale Option – zentral gelegen und umgeben von Kultur. Urs Rietmann empfindet dies allerdings als keine sehr realistische Vision.
Er rät der Gruppe andere, zeitlich und geographisch näher liegende Optionen. Etwa die ehemalige Schulwarte am Ende der Kirchenfeldbrücke, in der jetzt die PH Mediathek steht, oder das Kirchgemeindehaus Johannes der reformierten Kirchgemeinde Bern im Wylerquartier. Den Initiant*innen ist klar: «Um das Projekt zu realisieren, braucht es ein Haus, und nicht nur die Vorstellung davon.»
Die Stimme der Stadt
Nächste Woche präsentieren die drei Initiant*innen und der Verfasser die Ergebnisse Vertreter*innen von Kultur Stadt Bern. Der Traum ihres TTJK ist gross - doch ist er auch realistisch? Die «Hauptstadt» hat bei Kultur Stadt Bern nachgefragt.
«Kultur Stadt Bern kann dazu noch keine Haltung formulieren», heisst es in der Antwort. Die Stadt äussert sich also noch nicht. Klar ist aber: Sie steht unter Spardruck. Deshalb hat sie die Kultursubventionsbeiträge für die Periode 2024 bis 2027 gekürzt. Ob ein neues TTKJ darin Platz hat, ist offen.
Das Finale
Laut dem Verfasser Urs Rietmann ist die Studie mehr ein Stimmungsbild, als eine abgeschlossene Sache. «Die Initiant*innen der Studie haben sich erlaubt, gross zu denken, und eine kühne Vision entworfen», sagt er, «jetzt können sie damit beginnen, das Projekt in der Realität zu verankern.»
Wenn die Stadt aber nicht finanzieren will oder kann, bleibt dann das TTJK nur eine schöne Idee? «Das Projekt kann gar nicht wirklich scheitern. Die Diskussion ist angestossen und irgendeine Frucht wird die Arbeit tragen, die wir geleistet haben. Wir bleiben weiterhin dran», sagt Luzius Engel.