Alles ausser Dialog

Die Unitobler-Besetzung ist eine verpasste Chance. Es hätte ein echter Dialog entstehen können. Die Fehler: kommunikativ, inhaltlich, strategisch. Ein Kommentar.

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Friedlich, aber leider nicht immer konstruktiv. Aktivist*innen und Studierende im Hof der Unitobler. (Bild: Manuel Lopez)

Es ist eine Szene, die sinnbildlich für die letzten Tagen stehen könnte: Der Rektor tritt am Montagnachmittag vor die Aktivist*innen, um die Ablehnung der Besetzung persönlich zu kommunizieren. Er sei nicht hier, um zu diskutieren, sagt er zu den rund 200 Anwesenden. Die Menge ruft Parolen, buht, macht ihre Haltung deutlich. Genauso klar ist die Haltung der Universität: Die Besetzung ist inakzeptabel. Nach 30 Minuten aufgeheiztem Hin und Her ist keine der Parteien schlauer.

Vorab soll gesagt sein: Dass sich junge Menschen im Angesicht von Ungerechtigkeit zusammenschliessen und Raum einnehmen, ist etwas Gutes. Zu diesen Räumen gehören auch Universitäten. Die Art und Weise, wie in Bern diskutiert wurde, wird einer Universität aber nicht gerecht. 

Das zeichnet sich schon zu Beginn ab. Die Besetzenden sind wohl gut informiert, die Vorwürfe aus dem ersten Communiqué aber grösstenteils undifferenziert und oberflächlich recherchiert. Die Uni Bern entkräftet die Vorwürfe bereits am nächsten Tag relativ locker: Die vorgeworfenen intensiven Kooperationen mit israelischen Universitäten etwa gibt es schlicht nicht. Die anderen Forderungen, wie einen kompletten «akademischen Boykott» Israels, sind so extrem, dass die Universität sich mit Bezug auf die Wissenschaftsfreiheit dazu einfach positionieren kann. 

Neue Forderungen statt Dialog

Die Besetzer*innen verpassen es denn auch, auf die Antwort der Universität einzugehen und stellen stattdessen am nächsten Tag neue Forderungen. Unter diesen finden sich auch tatsächlich nachvollziehbare Vorschläge: Die Förderung und Stärkung von Forschungsprogrammen, das Durchführen von Workshops, das Schaffen von Räumen innerhalb der Universität, um sich mit dem Krieg in Gaza zu beschäftigen – sie wären zumindest theoretisch umsetzbar.

Und auch begrüssenswert. Universitäten sind und waren schon immer Orte der politischen Bildung und Auseinandersetzung. Die Uni Bern hat schliesslich auch ausgewiesene Expertise, im Bereich der postkolonialen Forschung etwa

Diese gemässigten Positionen gehen dann zwischen den radikalen unter. Nun fordern die Aktivist*innen gar einen kompletten wirtschaftlichen Boykott von israelischen Institutionen und Unternehmen. Die extreme Spannweite der Forderungen lässt sich nicht zuletzt mit der heterogenen Zusammensetzung der Protestierenden erklären. Vom linken Journalist über Angehörige der revolutionären wie auch der institutionellen Linken bis zur aufstrebenden Autorin – alle kommen sie an der Unitobler zusammen.

Wie wäre die Situation wohl ausgegangen, wenn das erste Communiqué nicht vorwurfsvoll und pauschal, sondern eine echte Einladung zum Dialog gewesen wäre?

Uni-Leitung patzt und bewegt sich nicht

Strategische Patzer leistet sich auch das Rektorat – einen Besuch am Dienstag anzukündigen und dann kurzfristig abzusagen, zeugt nicht von Souveränität. Der von über 100 Akademiker*innen unterzeichnete Brief, der etwa zeitgleich öffentlich wird, mag die Uni-Leitung aus der Bahn geworfen haben. Die Unterzeichnenden distanzieren sich nicht deutlich von den Forderungen, sondern fordern die Uni auf, dass sie ungeachtet des Inhalts auf die Studierenden zugehen muss.

Da hätte die Universität auch wirklich Luft nach oben, wie der Blick nach Lausanne zeigt. Dort trugen die Gespräche mit den Aktivist*innen Früchte. Die Universität verpflichtet sich zur Einrichtung einer Expert*innenkommission und stärkt ein Netzwerk für palästinensische Forschende und Studierende. Ob sich in Bern nicht ähnliche Lösungen hätten finden lassen können?

Die Besetzer*innen geben sich schliesslich auch Mühe, das Gelände einladend zu gestalten – ein eigenes Awareness-Team ist am Montagabend bei der Schlichtung eines Konflikts zu beobachten. Auf Fragen von Anwesenden gehen sie ein, legen Informationsmaterial auf, richten einen Safe Space ein. Nach der Arena mit dem Rektor laden im Hof der Unitobler Gesprächs-Karten zum Austausch. So deutlich antisemitisch und einschüchternd, wie die Uni die Situation in ihrer Medienmitteilung beschreibt, wirkt die Situation auf die durchschnittliche Besucherin nicht.

Jetzt muss ein Dialog stattfinden

Die Berner Studierendenschaft bedauert in ihrer neusten Mitteilung, dass es zu einer polizeilichen Räumung kommen musste. Sie hat nach eigenen Angaben von Beginn an versucht, zwischen den Parteien zu vermitteln. Ihre Position liegt wohl nahe an jener der anderen 19’000 Studierenden der Universität Bern, die nicht bei der Besetzung dabei sind. Die Universitätsleitung muss ihr Angebot auf Dialog jetzt wahrnehmen – und die Aktivist*innen müssen bereit sein, diesen in einem der Universität angemessenen Ton zu führen. 

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