Wie unterstütze ich eine*n Politiker*in maximal?
Wählen, aber wen? Mit Antworten auf ein paar wichtige Fragen hilft dir die «Hauptstadt» durch den Kandidierenden-Dschungel für National- und Ständerat.
In diesen Tagen ziehst du zwei dicke Kuverts aus deinem Briefkasten. Die Unterlagen für die nationalen Wahlen treffen ein. Zwei Sitze im Ständerat und 24 im Nationalrat werden im Kanton Bern am 22. Oktober für die kommenden vier Jahre vergeben. Um diese Mandate bewerben sich über 700 Personen. Da fühlt man sich schnell überfordert. Doch bevor du die Wahlunterlagen entnervt ins Altpapier legst, stöbere doch in unseren Schwerpunkt zu den Wahlen mit Fragebogen-Interviews aus allen Parteien und lies unsere praktischen Antworten auf auf häufige Fragen zum Wählen:
Mich überfordert die ganze Wählerei. Warum soll ich überhaupt wählen gehen?
Wählen ist ein Akt, der die Zukunft verändern kann. Wenn du nicht wählst, bestimmen andere über dich – jene, die wählen gehen. Betrachte das Wählen als dein Privileg. Und dieser Artikel soll dir helfen, dieses Privileg gut zu nutzen.
Wahlen sind doch gar nicht so entscheidend. In der Schweiz gibt es ja zu wichtigen Fragen Volksabstimmungen.
Es stimmt, bei Volksabstimmungen kannst du dich zu einzelnen Fragen direkt äussern. Aber die meisten Entscheide werden von Bundesrat und Parlament gefällt. Mit diesen Hunderten von kleinen Beschlüssen in Gesetzesrevisionen und Verordnungen gestalten gewählte Volksvertreter*innen die Politik entscheidender, als die paar Volksvoten pro Jahr, bei denen du gefragt bist. Am 22. Oktober kannst du mitbestimmen, wer all diese Entscheide trifft.
Die Kandidat*innenflut überfordert mich. Wie kann ich mich dennoch entscheiden?
Die einfachste Lösung: Entscheide dich für eine Partei und lege deren Liste unverändert ins Wahl-Couvert, klebe eine Briefmarke drauf und bringe es zum Briefkasten.
Wie entscheide ich mich für eine Partei?
Um dich für eine Partei zu entscheiden, hast du mehrere Möglichkeiten:
- Du beantwortest bei Smartvote die Kurzversion eines Fragenkatalogs und lässt dir die Liste mit den grössten Übereinstimmungen anzeigen. Bei Smartvote beantwortest du die gleichen Fragen wie die Kandidierenden und findest so Parteien und Kandidierende, die gleich ticken, wie du.
- Du analysierst die Prospekte und Wahlflyer durch, welche dir mit den Wahlunterlagen zugeschickt werden.
- Du fällst einfach einen Bauchentscheid.
Welche Parteien stehen zur Wahl?
Alle Berner Wahllisten findest du in den Wahlunterlagen oder auch hier. Grob gesagt gibt es drei Gruppen von grösseren Parteien, die zur Wahl stehen:
- Linke: Grüne und SP stehen für mehr Klimaschutz, treten für die Lohnabhängigen und Angestellten ein und erachten einen starken Staat als wichtig für die Marktwirtschaft.
- Mitte: Glp, die Mitte und EVP: Diese Parteien würden von sich behaupten, sie seien lösungsorientiert. Sie verachten den Staat nicht so stark, wie die Rechte und stimmen in sozialen und wirtschaftlichen Fragen mal mit Rechts, mal mit Links. Diese Parteiengruppe ist weniger homogen als links und rechts.
- Rechte: SVP und FDP pflegen eine neoliberale Politik, die in der Marktwirtschaft öfter die Lösung sieht, als beim Staat. Sie stehen für eine restriktive Asylpolitik und starke Landwirtschaft-Subventionen.
Was ist nützlich, wenn ich mir etwas mehr Zeit für die Auswahl der Kandidierenden nehmen will?
Bei Smartvote kannst du einen längeren Fragebogen ausfüllen und dir so deine Smartvote-Liste von passenden Kandidierenden zusammenstellen.
Beim Nationalrat stehen verschiedene Listen zur Wahl. Kann ich diese vorgedruckten Listen von Hand verändern?
Ja, folgende Optionen hast du dazu:
Streichen: Willst du eine Kandidat*in nicht wählen, so kannst du den Namen durchstreichen.
Kumulieren: Du kannst je Kandidat*in zwei Stimmen abgeben. Dazu musst du den Namen ein zweites Mal auf die Liste schreiben.
Panaschieren: Du darfst auch Kandidat*innen aus anderen Parteien auf deine Liste schreiben. Damit gehen jene Stimmen an die jeweiligen Parteien der Kandidierenden.
Ich habe ein*e Lieblingskandidat*in. Wie unterstütze ich diese*n maximal?
Nimm eine leere Liste, schreibe den Namen und die weiteren Angaben zur* Kandidat*in zweimal auf die Liste und schreibe oben die Partei der*s Kandidierenden. Dein*e Lieblingskandidat*in erhält so von dir die maximale Stimmenzahl, die Konkurrent*innen auf der Liste hingegen nichts. Der Partei gibst du 24 Listenstimmen.
Gilt dieser Tipp zur*m Lieblingskandidat*in auch für die Ständeratswahlen?
Nein. Ständeratswahlen sind sogenannte Majorzwahlen, also Personenwahlen ohne Parteilisten. Wenn du hier zweimal die gleichen Person auf den Wahlzettel schreibst, geht eine Stimme verloren. Hier macht es also Sinn, zwei Kandidat*innen aufzulisten. Taktisches Stimmen ist auch hier möglich, aber kompliziert und unsicher. Das überlassen wir den Politik-Freaks. Die wichtigsten Kandidat*innen für den Ständerat findest du in diesem «Hauptstadt»-Artikel.
Ich will FDP wählen, meine Stimme aber keinesfalls der SVP geben. Oder ich will Grün wählen, meine Stimme aber keinesfalls der SP geben. Wie gehe ich vor?
Dann hast du ein Problem. Mit den Listenverbindungen, welche die Parteien eingingen, könnten deine Stimme am Ende auch bei einer anderen Partei landen. Meist profitieren von der Listenverbindung die grösseren Parteien und erhalten dadurch einen zusätzlichen Sitz. So kann die FDP-Stimme bei der SVP landen oder jene an die Grünen bei der SP.
Warum gibt es Listenverbindungen?
Um nach den Wahlen bei der Verteilung der Sitze maximal zu profitieren, können sich Parteien sich mit anderen Listen verbinden. Bei der Verteilung der Nationalratssitze werden die Listenverbindungen in einem ersten Schritt als eine Wahlliste betrachtet. Erst in einem zweiten Schritt werden die Sitze innerhalb der einzelnen Parteilisten verteilt. Damit verlieren politische Lager weniger Stimmen, die für keinen eigenen Sitz der Parteien reichen. Von den sogenannten Reststimmen profitiert dann die befreundete Partei.
Welche Listenverbindungen gibt es im Kanton Bern?
Im Kanton Bern gibt vier Gruppen von Listenverbindungen:
SVP-FDP
SP-Grüne
Mitte-Glp-EVP-Piraten
EDU-SD-Aufrecht-Massvoll-etc.
Ich will meine Stimme einer kleinen Partei oder einer Jungpartei geben, befürchte aber, dass diese verloren geht, da die Liste wohl gar keinen Nationalratssitz macht. Was kann ich tun?
Du musst dir keine Sorgen machen. Hier kommt der Vorteil der Listenverbindungen zum Tragen: Jede Stimme zählt. Den Sitz erhält aber vielleicht nicht deine, sondern eine andere Partei der Listenverbindung.
Warum hat es von den Parteien GLP und Mitte so viele Listen?
Diese Parteien erhoffen sich so möglichst viele Wähler*innen anzusprechen und von den Netzwerken der Kandidierenden profitieren. Ob diese Strategie aber wirklich mehr Stimmen bringt, ist nicht belegt. Welche Liste dieser Parteien man einwirft, spielt keine Rolle. Dank einer Listenverbindung werden alle Stimmen zusammengezählt.
Welche Parteien sitzen derzeit für den Kanton Bern im Nationalrat?
SVP: 7 Sitze
SP: 4 Sitze
Grüne: 4 Sitze
Glp: 3 Sitze
FDP: 2 Sitze
Mitte: 2 Sitze
EVP: 1 Sitz
EDU: 1 Sitz
Kann ich mit meiner Stimme die Bundesratswahlen beeinflussen?
Einen direkten Einfluss hast du nicht, denn das Parlament wählt den Bundesrat, und es verändert die Zusammensetzung der Regierung ungern. Zwar sollte diese im Dezember überdacht werden. Denn nach Parlamentswahlen kommt es immer auch zu den Gesamterneuerungswahlen des Bundesrates. Doch die Bundesratsparteien taten und tun sich schwer, veränderte Machtverhältnisse im Parlament auch zeitnah in der Regierung abzubilden. Aktuell zeigt sich dies in der Weigerung der bürgerlichen Bundesratsparteien, den Grünen den rechnerisch ausgewiesenen Anspruch auf einen Regierungssitz auch zuzugestehen.
Ich will, dass sich wirklich was ändert. Was kann ich tun, um meiner Stimme noch mehr Gewicht zu verleihen?
Bringe andere Menschen dazu, deine Lieblingspartei zu wählen. Denn die Mobilisierung von bisherigen Nichtwähler*innen ist wohl der wichtigste Faktor für den Parteierfolg.
Bis wann kann ich brieflich abstimmen?
Willst du sicher gehen, dass deine Stimme zählt, solltest du das Kuverts bis Donnerstag 19. Oktober mit A-Post abschicken. In den meisten Gemeinden kann man das Kuvert danach noch in einen Briefkasten beim Gemeindehaus werfen.
Was mache ich, wenn am Samstag, 21. Oktober das Wahlkuvert noch immer auf dem Küchentisch liegt?
Dann steht dir ein Sonntagsspaziergang bevor. Am 22. Oktober kannst du dein Wahlkuvert noch bis 12 Uhr in einem Stimmlokal in deiner Gemeinde abgeben. Die Informationen dazu solltest du in deinen Wahlunterlagen finden. In der Stadt Bern findest du die Stimmlokale auch hier.
Wie kann ich den Sonntagsspaziergang verhindern?
Auf der Seite wählmal.ch kannst du dich heute noch für einen Whatsapp-Chat eintragen, dann erhältst du rechtzeitig eine Sprachnachricht von Bundespräsident Alain Berset, die dich an das Wählen erinnert.
«Wähl mal!» – so heisst die parteipolitisch unabhängige Mobilisierungskampagne der Lokalmedien «Hauptstadt», Tsüri und Bajour. Nur ein Drittel der Personen unter 30 Jahren nehmen aktiv an National- und Ständeratswahlen teil. An diese Menschen richtet sich die Kampagne hauptsächlich. Auf www.wählmal.ch können Wähler*innen ihr Wahlversprechen abgeben und werden unter anderem mit Sprachnachricht en von Bundespräsident Alain Berset höchstpersönlich ans Wählen erinnert.