«Die Polizei anzugreifen ist nie okay!»
Das Wahlkampfgespräch mit Gemeinderatskandidatin Florence Pärli (FDP) und Stadtpräsident Alec von Graffenried (GFL) zu den Themen Schule, Kitas, Klimawandel, Sicherheit und Reitschule.
Frau Pärli, was hat das Bündnis RGM die letzten Jahre eigentlich gut gemacht?
Florence Pärli: Bern ist eine sehr lebenswerte Stadt. Was die Wohnqualität betrifft, sind wir eine der beliebtesten Städte. Das Ziel ist, dass dies erhalten bleibt. In den letzten zwei Legislaturen ging es leider bei den Finanzen bergab. Aber auch die Wohnraumknappheit muss man dringend angehen. Die linken Lösungen funktionieren nicht. Das ist Motivation für die Liste der Oppositions-Parteien.
Die Mitte-Rechtsliste will statt nur einen künftig zwei Sitze im Gemeinderat. Was würde sich dadurch verbessern, Herr von Graffenried?
Alec von Graffenried: Das müssen Sie Florence Pärli fragen. Ich finde, es läuft gut. Die Finanzsituation müssen wir gut im Auge behalten. Ich sehe diese aber weniger schwarz als Florence Pärli. Wir investieren viel, denn wir haben grossen Nachholbedarf. Die Stadt wächst so stark wie schon lange nicht mehr. Es werden mehr Wohnungen gebaut denn je. Alle Ziele der Liste «meh Farb für Bärn» verfolgen wir schon lange. Und ich finde: Mit einem gewissen Erfolg.
Herr von Graffenried: Was erfreut Sie besonders an den Berner Schulen?
Alec von Graffenried: Die öffentliche Schule in der Schweiz wird nach wie vor in einer sehr guten Qualität angeboten und gerade auch in der Stadt Bern. Wir sind ja vor allem verantwortlich für das Schulumfeld, die Schulinfrastruktur. Wir schaffen gute Angebote für Tagesschulen und Ganztagesstrukturen. Wir wollen ein gutes Betreuungsangebot im Vorschulalter und während der obligatorischen Schulzeit. Das hilft auch der Chancengerechtigkeit. Alle Kinder sollten möglichst gleich gute Startbedingungen haben.
Frau Pärli, aktuell sind Schulen in der Stadt Bern auch ein Kostenfaktor, zum Beispiel beim Bau von Schulhäusern sowie beim Kauf von IT-Geräten und -Systemen. Sehen Sie hier Sparpotenzial?
Florence Pärli: Bei der Schule sehe ich kein Sparpotenzial. Leider hatten wir in den letzten Jahren eine sehr schlechte Schulraum-Planung. Es gibt Kinder, die nicht mehr zur Schule gehen können, wo sie wohnen. Es gibt viele Kinder, die in Containern zur Schule gehen. Die Container sind sehr gut ausgestattet. Aber ich finde das trotzdem ein bisschen beschämend. Die langfristige Planung hat nicht stattgefunden in den letzten Jahren. Darum haben wir jetzt die Knappheit, die uns unter sehr grossen Druck setzt. Und aus diesem Grund sehe ich im Moment keine Möglichkeit, zu sparen. Bei der Tagesschule stört uns aber der fixe Betreuungsfaktor, wonach jedes Kind, egal wie alt es ist, eine 1 zu 6 Betreuung haben soll. Das kostet etwa 5 Millionen zusätzlich pro Jahr, die anderswo fehlen.
Herr von Graffenried, könnte die Stadt da künftig etwas einsparen?
Alec von Graffenried: Der Gemeinderat hat zweimal vorgeschlagen, dort zu sparen. Das Parlament hat jeweils klar abgelehnt und entschieden, wir wollen die 1 zu 6 Betreuung im Interesse einer besseren Betreuung der Kinder. Die Qualität der Schulbetreuung wird so sicher besser. Betreuerinnen und Betreuer können besser auf die einzelnen Kinder eingehen. Man hat sich also bewusst so entschieden und lässt sich das etwas kosten.
Wen willst du am 24. November in die Stadtregierung wählen? Um dir diese Entscheidung zu erleichtern, führt die «Hauptstadt» vier Wahlkampfgespräche mit je zwei Kandidat*innen durch. Ein Mitglied der bürgerlichen Liste «Meh Farb für Bärn» tritt jeweils gegen eines der Rot-Grün-Mitte-Liste an.
In jedem der Gespräche geht es um unterschiedliche Sachthemen, die für die Stadt Bern von Bedeutung sind: Kitas, Gewerbe, Klimawandel, Finanzen, Kultur und vieles mehr.
Du kannst die Gespräche sowohl als Artikel lesen als auch hören: als Spezialfolgen des «Hauptstadt»-Wahljahr-Podcasts «Im Hinterzimmer». Auf der Website oder überall, wo es Podcasts gibt.
Bei der Sanierung von Schulhäusern ist Denkmalpflege immer wieder ein Thema, wenn es um den Bedarf an mehr Raum geht. Warum müssen so viele Schulhäuser geschützt sein, wenn sich die Bedürfnisse an die Schule über die Jahre immer wieder ändern?
Alec von Graffenried: Wenn man gute Qualität baut, hat man das Risiko, dass die Häuser später geschützt werden, weil es wirklich schöne Schulhäuser sind. Fast alle Schulhäuser in der Stadt Bern sind geschützt. Das ist nicht schlimm, sondern eine Auszeichnung.
Ist das sinnvoll?
Alec von Graffenried: Das macht sehr viel Sinn. Auch das Bethlehemackerschulhaus, wo ich heute war, ist ein sehr schönes Schulhaus. Das hat man weiterentwickelt. Dort konnte man den Hauptbau ersetzen durch einen Neubau. Man hat aber die schönen alten Pavillons erhalten. Das sind sehr kleinräumige Schulhäuser mit viel Bezug zum Aussenraum, geeignet für die Unterstufen. Es ist zudem das erste Schulhaus, das ein Plusenergie-Schulhaus ist. Es produziert dank Photovoltaik mehr Energie, als es selbst verbraucht. So lassen sich auch geschützte Gebäude gut entwickeln. Auch im geschützten Enge-Schulhaus, das kürzlich wieder eröffnet wurde, hat man alle Nebenräume schaffen können, die es heute für eine Schule braucht. Gute Umbauten funktionieren auch mit Schutz. Seien Sie doch froh, dass wir so schöne Schulhäuser haben.
Florence Pärli: Ich bin einverstanden, das Enge-Schulhaus hat man fantastisch renoviert. Aber es ist schon so, dass wir aufgrund des Denkmalschutzes sehr eingeschränkt sind und sehr langsam vorwärts kommen. Ich hätte lieber, dass man zwei bis drei Schulhäuser spezifisch sehr stark schützen würde und bei anderen doch mal die Funktion über die Form stellen würde. Ein weiteres Beispiel ist das Hochfeldschulhaus. Dort braucht man Schulraum, kann aber wegen des Denkmalschutzes nicht aufstocken.
Alec von Graffenried: Im Hochfeldschulhaus bin ich selbst zur Schule gegangen. Dort hat es genug Aussenraum und die Container sind in einem gewissen Sinne auch Luxuscontainer. Die Kinder sowie die Lehrerinnen und Lehrer, die dort in Containern Schule haben, finden diese ja gut. Bei der Schulraumplanung wird immer gesagt «ihr habt das nicht geplant». Aber man muss sehen, dass der Vorlauf sehr kurz ist. Man hat zwar Geburtenzahlen. Aber danach weiss man nicht, wie viele Kinder in der Stadt bleiben. Tendenziell zügeln Familien oft weg. Das trifft aber nicht immer zu. Ein Beispiel ist die Länggasse: Dort ist praktisch nichts gegangen beim Wohnungsbau. Und trotzdem mussten wir ein zusätzliches Schulhaus bereitstellen. Der Grund: Plötzlich blieben Familien mit Kindern in den gleichen Wohnungen. Und das sieht man nicht weit voraus, sondern erst, wenn sich die Eltern entscheiden: Wir bleiben in einer 3-Zimmer-Wohnung wohnen, trotz zwei Kindern.
Florence Pärli: Ich habe hier zwei Repliken. Die eine ist zu den Containern. Diese sind sehr teuer. Beim Kirchenfeldschulhaus kostet das Provisorium 30 Millionen Franken. Das ist eine unnötige Ausgabe, die nicht anfallen würde bei langfristiger Planung. Und ihr habt einen Familienpolitik-Plan. Euer Ziel war eigentlich, dass wir viele Kinder in Bern haben. Deshalb ist es schon kurz gegriffen, zu sagen, man hätte es nicht sehen können.
Ein weiterer Bereich, der von Kinderzahlen abhängig ist, sind Kitas. Die städtischen Kitas brauchen im Moment Nachkredite. Sie sind teurer als die privaten und müssen vielleicht Standorte schliessen, denn die Nachfrage nach Kita-Plätzen ist gesunken. Sollte die Stadt das Angebot beibehalten oder sich zurückziehen, Frau Pärli?
Florence Pärli: Sie sollte sich insofern zurückziehen, als dass die Kitas ausgelagert werden sollten. Aktuell sind sie Teil der engen Stadtverwaltung. Das ist für keine Partei gut. Weder für die Stadt noch für die Kitas selber. Denn die Kitas sind von der städtischen Verwaltung und IT-Infrastruktur abhängig und das kostet sie sehr viel. Die Stadt Bern darf weiterhin Kitas betreiben, gerade an Orten, wo es nicht so lukrativ ist für die Privaten. Aber nicht im Setting, in dem sie jetzt sind.
Warum braucht es die städtischen Kitas, Alec von Graffenried?
Alec von Graffenried: Wir möchten eigentlich mit den städtischen Kitas marktergänzend tätig sein. Wenn der Markt ein gutes und qualitativ hochwertiges Kita-Angebot ermöglicht, soll der Markt das machen. Das ist im Kirchenfeld der Fall. Da gibt es keine städtische, nur private Kitas. Er kann es aber nicht überall. Wir haben auch Quartiere, in denen es keine Kitas gibt. In Bethlehem ist die städtische Kita die einzige Kita. Dort hat der Markt kein Angebot geschaffen. Doch auch in Bethlehem sollten Kinder in die Kita gehen können.
Also gibt es kein Problem mit den städtischen Kitas?
Alec von Graffenried: Doch, wir haben ein Kostenproblem. Sie können zurzeit nicht kostendeckend betrieben werden. Wir müssen aus dieser Defizitwirtschaft herauskommen. Wegen strukturbedingten Mehrkosten haben die städtischen Kitas einen Nachteil gegenüber den privaten Kitas. Wir werden Vorschläge machen, um dies auszugleichen.
Florence Pärli: Euer Vorschlag wird wahrscheinlich sein, mit Steuergeldern zu subventionieren. Hättet ihr auch andere Ideen?
Alec von Graffenried: Nein, es gibt einen guten externen Bericht, der genau darauf hinweist. Wir wollen nicht den Markt verfälschen und auch keinen Marktvorteil gegenüber den privaten Kitas. Aber wir wollen die Nachteile ausgleichen, die die städtischen Kitas haben, weil sie zum Beispiel höhere IT-Kosten tragen müssen.
Florence Pärli: Ein Ausgleich wäre demnach mit Steuergeldern finanziert.
Bern ist seit 30 Jahren rot-grün regiert. Trotzdem hat die Stadt in der Klimapolitik lange geschlafen. Erst kürzlich wurde beschlossen, dass man möglichst viele Dächer von der Stadtverwaltung mit einer Solaranlage bestückt. Warum hat das so lang gedauert, obwohl die Wissenschaft den Klimawandel schon seit Jahrzehnten beschreibt?
Alec von Graffenried: Das ist eine gute Frage. Aber ich bin auch noch nicht 30 Jahre Stadtpräsident…
… aber acht Jahre.
Alec von Graffenried: Und wir haben dann rasch die Klimawende eingeleitet. Klimapolitik ist in vielen Bereichen auch Baupolitik. Den ganzen Klima-Umbau der Energiewirtschaft muss man im Gebäudepark oder im Verkehr realisieren. Dafür muss sehr viel gebaut und realisiert werden. Deshalb dauert das so lange.
Sind Sie – als grüner Politiker – mit der städtischen Klimawende zufrieden?
Alec von Graffenried: Natürlich geht es zu langsam. Natürlich müssen wir schneller werden. Aber man muss auch eine Balance halten zwischen dem, was finanziell möglich ist, und dem, was man sich leistet. Aus Klimasicht müsste man alle alten Heizungsanlagen sofort entfernen und ersetzen. Aber im Sinn des Investitionsschutzes – man würde ja Heizungsanlagen entsorgen, die noch nicht amortisiert sind – wäre das nicht optimal.
Wo könnte die FDP hier dynamisieren oder wollen Sie gar keine forsche Klimapolitik?
Florence Pärli: Meines Erachtens verfolgt die Stadt Bern die ambitiöseste Klimapolitik, die eine Stadt mit dieser finanziellen Ausgangslage haben kann. Unsere Kritik ist, dass wir sehr viel Klumpenrisiken schaffen. EWB hat jetzt eine halbe Milliarde in die Fernwärme investiert und deswegen kaum Geld für anderes.
Und wofür fehlt denn nun bei EWB Geld?
Florence Pärli: Man hat beispielsweise viel weniger Mittel, um in Solaranlagen zu investieren.
Herr von Graffenried, wenn Sie noch einmal vier Jahre gewählt werden, haben Sie nochmals die Chance, in dieser Klimapolitik zu dynamisieren. Wo werden Sie das tun?
Alec von Graffenried: Ich möchte die Ziele rascher erreichen. Man könnte zusätzliche Gebiete mit Fernwärme erschliessen, etwa in der Altstadt.
Wir wechseln zu einem ganz anderen Thema. Frau Pärli, welches ist im Bereich Sicherheit die grösste Herausforderung in dieser Stadt?
Florence Pärli: Sachbeschädigungen sind und bleiben ein grosses und ein teures Thema. In Bezug auf Jugendgewalt und Messergewalt haben wir Schwierigkeiten. Das ist neu aufgekommen. Die Drogen bleiben ein Thema. Und wir haben auch Gewaltexzesse im Bereich Schützenmatte.
Beim Thema Sicherheit, Herr von Graffenried, geht es aber nicht nur um den öffentlichen Raum. Macht die Stadt genug zur Prävention im Bereich häusliche Gewalt und Menschenhandel?
Alec von Graffenried: Im Bereich Menschenhandel ist die Stadt sehr gut unterwegs. Wir haben mit der Fremdenpolizei eine Behörde, die hier sehr gut hinschaut und uns gut vor Missbräuchen schützt. Im Bereich der häuslichen Gewalt geht es darum, dass Gewalttaten zur Anzeige gebracht werden. Wir machen hier viel. Aber wenn jemand eine bessere Idee für Sensibilisierungsmassnahmen hat, nehmen wir diese gerne entgegen. Im öffentlichen Raum kann man sagen: Die Stadt Bern ist glücklicherweise ein sicherer Ort. Die meisten Gewaltdelikte passieren wohl am Sonntagabend am TV im Tatort. Wir leben in der Schweiz in einer sehr sicheren, fast heilen Welt. Man sollte sich dessen immer wieder bewusst werden. Wenn Florence Pärli sagt, das grösste Problem seien Sachbeschädigungen, ist das für die Stadt gewissermassen ein Kompliment.
Im Präventionsbereich hat die Stadt Bern kürzlich die Kampagne «Bern schaut hin» gegen Sexismus und Queerfeindlichkeit gestartet. Wie finden Sie diese, Frau Pärli?
Florence Pärli: Ich habe diese im Parlament mit initiiert. Mir geht es bezüglich Sicherheitsempfinden nicht ganz so, wie von Herrn von Graffenried beschrieben. Ganz ehrlich, als Frau fühlt man sich in der Stadt nicht immer wohl. Es gibt Orte, die ich aus Erfahrung meide. Ich habe im Tram einen Übergriff erlebt, der so einschneidend war, dass ich mich seither im Tram nicht mehr hinsetze, wenn ich in der Nacht alleine unterwegs bin. Solche Erlebnisse haben uns dazu bewogen, eine Kampagne zu starten. Zu Beginn empfand ich die Kampagne nicht gut umgesetzt. Das Ziel war eigentlich, dass man Übergriffe melden kann und Menschen motiviert, Opfern zu helfen ...
Alec von Graffenried: … also Zivilcourage zeigen?
Florence Pärli: Man soll die Menschen ermutigen, aufmerksam zu sein. Wenn jemand angegangen wird, kann man die Person darauf ansprechen und ihr auch Hilfe anbieten. Das «Wie kann ich helfen?» fehlt mir in der Kampagne derzeit noch.
Wie kann man Zivilcourage zeigen, Herr von Graffenried?
Alec von Graffenried: Man kann Vorbild sein. Und oft hilft es schon, dass man aufmerksam ist, dass man die Situation anspricht, dass man hingeht und sagt: Hör auf damit. Oder dass man Hilfe holt und nicht einfach die Hände in den Schoss legt und sagt, das geht mich nichts an.
Frau Pärli, Sie sagen, Sie wollen Null-Toleranz bei Gewaltexzessen. Was meinen Sie genau mit dieser Null-Toleranz?
Florence Pärli: Auf der Schützenmatte wurden kürzlich Polizisten angegriffen. Und dort hat mich die Reaktion der Stadt enttäuscht, weil die Reaktion einmal mehr war, «wir sind im Dialog». Dass Dialog allein nicht ausreicht, sieht man daran, dass es eine Woche später gleich nochmals einen Angriff gab. Da wurden wieder vom Dach der Reithalle Steine auf Polizeiautos geschossen. Offenbar sieht das die Stadt als okay.
Alec von Graffenried: Polizei anzugreifen ist nie okay!
Florence Pärli: Aber ihr sagtet, ihr seid im Dialog.
Alec von Graffenried: Wir sind nicht mit den Tätern im Dialog. Wir sind mit jenen im Dialog, zu denen wir einen Draht haben. Nicht mal die Polizei kennt die Täter.
Florence Pärli: Warum kann das Dach der Reitschule noch von Tätern bestiegen werden?
Alec von Graffenried: Die Frage ist, ob nichts mehr passiert, wenn man das Dach absperren könnte. Solche Gewalt gibt es auch in anderen Städten. Bei uns wissen wir, wo es passiert. Es gibt diesen Brennpunkt zwischen Bahnhof und Reithalle. Die Behörden und die Reithalle sollten hier am gleichen Strick ziehen und versuchen, Gewaltexzesse zu verhindern. Aber eine 100-Prozent-Sicherheit werden wir nie erreichen können.
Florence Pärli: Andere Städte haben das geschafft, wenn man die Rote Fabrik in Zürich nimmt.
Alec von Graffenried: Die Rote Fabrik ist heute kein Jugendzentrum mehr, sondern eher ein Altersheim. Zürich hat dafür ein Hooligan-Problem.
Kommen wir zurück zur Reitschule. Es gibt auf dem Vorplatz einen verstärkten Drogendeal und mehr Gewalt. Auch die Reitschule beschäftigt das, denn sie spürt einen Rückgang von Kund*innen. Das Restaurant Sous le Pont ist im Moment über den Mittag zu. Was passiert dort gerade, Herr von Graffenried?
Alec von Graffenried: Das ist relativ komplex. Man hat im Bereich der Reitschule einen sehr raschen Generationenwechsel. Es sind tendenziell immer 16- bis 24-Jährige, die dort unterwegs sind. Und dann haben wir wechselnde Schwierigkeiten. Im Moment gibt Nordafrikaner aus dem Asylbereich, die schlecht betreut sind und dann irgendwo landen. Und wo landen sie? Sie landen in der Stadt. Und wenn sie in der Stadt Bern landen, dann gehen sie dorthin, wo das Leben stattfindet, wo sie ihre Kundschaft finden. Das ist im Bereich Bahnhof, Schützenmatte und Reitschule. Immerhin haben wir nun eine hohe Compliance von allen, die vor Ort beteiligt sind und den Perimeter beobachten und analysieren. Wir konnten auch Massnahmen treffen, so etwa mit dem Schutzraum gegen Gewalt. Und schliesslich arbeiten wir gut mit der Polizei zusammen.
Was ist für die Stadt besser, ein lebendiges Kulturzentrum Reitschule oder gar keine Reitschule mehr?
Alec von Graffenried: Ein lebendiges Kulturzentrum ist sicher besser. Im Moment stecken aber viele Clubs in Schwierigkeiten. Einzelne Clubs – so etwa der Gaskessel – laufen zwar super. Andere Clubs laufen schlecht. Ich wünsche mir eine lebendige Clubkultur, wo die Leute auch aktiv sind, sich einbringen können und eine gute Zeit haben können.
Florence Pärli: Ich möchte selbstverständlich ein lebendiges Kulturzentrum. Ich war nie gegen die Reitschule – im Gegenteil. Ich habe dort wunderschöne Momente erlebt. Und genau darum will ich, dass es nicht als Ort der Gewalt wahrgenommen wird, sondern als Ort, an dem man friedlich zusammenkommt und feiert.
Sollten Sie gewählt werden, welche Direktion wollen Sie und warum, Frau Pärli?
Florence Pärli: Ich strebe die Finanzdirektion an. Da ist der grösste Handlungsbedarf. Wir haben ein grosses finanzielles Defizit, das sich anbahnt und immer grösser wird. Eine Steuererhöhung droht. Wir haben eine grosse Schuldenproblematik in Bern. Ich würde gerne aktiv helfen, die finanzielle Situation der Stadt Bern zu verbessern.
Von allen Kandidierenden sind Sie, Alec von Graffenried, wohl die einzige Person, welche die Direktion behalten will. Warum?
Alec von Graffenried: Ich bin für Kontinuität. Wir haben mit drei Rücktritten sehr viele Wechsel. Und es ist nicht so, dass die Gemeinde von Null starten und wieder funktionieren kann. Es wäre gut, wenn ein, zwei Direktionen in denselben Händen blieben. Daher sehe ich auch nicht ein, warum es jetzt einen Wechsel in der Präsidialdirektion geben sollte. Darüber kann man in vier Jahren wieder diskutieren, wenn die jetzt neu Gewählten Erfahrungen sammeln konnten.
Gewählt wird am 24. November. Am Sonntagmorgen ist der Wahlkampf vorbei, man kann nur noch warten. Wie werden Sie den Vormittag verbringen, Alec von Graffenried?
Alec von Graffenried: Ich werde mich auf das Zibele-Schwimmen vorbereiten, das am Vormittag stattfindet.
Was werden Sie machen, Frau Pärli?
Florence Pärli: Ich gehe wahrscheinlich eine sehr lange Runde joggen.