Wo die Stadtberner SVP stolz ist
In Bern West ist die SVP die stärkste Partei. Grund genug, damit Parteichef Thomas Fuchs der «Hauptstadt» auf einer Tour seinen Stadtteil näherbringt.
Nirgends ist die Stadt Bern so urban wie in den Hochhaussiedlungen von Bethlehem. Und nirgends so ländlich wie in Oberbottigen. Nirgends ist Bern so international wie im Untermatt-Quartier und nirgends sind die Wählenden so konservativ wie in Bümpliz.
«Herr Fuchs, gibt es trotz dieser Gegensätze eine eigene Identität in Bern-West?»
«Ja, ich bin jedenfalls stolzer Bern Westler.»
Als er sechs war, zog die Familie von Thomas Fuchs nach Niederbottigen. Der Weiler umfasst rund ein Dutzend Häuser und gehört zum ländlichen Teil der Stadt Bern. Bis heute lebt der Präsident der städtischen SVP hier.
«Gegenüber Aussenstehenden muss ich immer rechtfertigen, weshalb mir Bern West gefällt. Dabei kennen diese Personen oftmals nur den schlechten Ruf des Stadtteils, waren selbst aber noch nie hier.»
Die «Hauptstadt» hat Thomas Fuchs gebeten, ihr «sein» Bern West zu zeigen. Fuchs hat dazu fünf Stopps, verteilt im ganzen Stadtteil, ausgesucht. Los ging es mitten in Bümpliz.
1. Stopp: Schloss Bümpliz
Fuchs steht auf dem Kiesplatz vor dem Schloss, schaut um sich und sagt: «Hier kommt alles zusammen, wofür Bümpliz steht – die Hochhäuser des Fellerguts, das alte Bümpliz mit seinem Schloss, die stattlichen Einfamilienhäuser gleich angrenzend sowie Restaurants und die Permanence-Klinik, die für das gute Dienstleistungsangebot stehen.»
28 Jahre ist Thomas Fuchs nun bereits in der Politik tätig, 2011 war er kurzzeitig sogar Nationalrat. Als Politprofi versteht er es, beiläufig die Tätigkeiten seiner Partei zu loben: «Der Schlossgarten in seiner heutigen Form ist der SVP zu verdanken.» Tatsächlich wollte die Stadt den Ziergarten einst umnutzen, scheiterte aber am Widerstand aus der Politik und der lokalen Bevölkerung.
Auch für den unweit gelegenen Friedhof Bümpliz setzt sich Fuchs ein. Die Stadt hatte geplant, diesen ersatzlos aufzuheben. «Das führte zu einem Aufstand, wie ich ihn im Westen noch nie erlebt habe», sagt Fuchs.
Dass im Schloss seit 2005 das Standesamt untergebracht ist, geht ebenfalls auf eine bürgerliche Initiative zurück. Zuvor war das historische Gebäude lange Zeit ungenutzt. «Das umgenutzte Schloss steht für das Potenzial, das in Bern West steckt», sagt Fuchs. Ein Potenzial, das seiner Meinung nach noch zu selten ausgeschöpft wird.
2. Stopp: Parkplatz Looslistrasse
An der Looslistrasse ist dieses Potenzial offensichtlich. In die Jahre gekommene Gewerbebauten grenzen an einen tristen Parkplatz des Apotheken-Unternehmens Galenica. Hier soll in den kommenden Jahren die Überbauung Weyermannshaus West entstehen. Bis zu 1‘000 neue Wohnungen sind geplant. «Es ist dasjenige Quartier in Bern, das sich in nächster Zeit am stärksten verändern wird», sagt Fuchs zwischen parkierten Autos stehend.
Für die Stadtentwicklung sei so ein Areal laut Fuchs «ein Glücksfall». Das heutige Industrie- und Gewerbegebiet sei schlecht genutzt. Gleichzeitig ermögliche die Grossüberbauung gemäss dem SVP-Präsident eine bessere Durchmischung der Gesellschaft. So gilt die angrenzende Untermatt heute als Quartier mit besonders hoher Armutsgefährdung und überdurchschnittlich vielen Menschen ohne Schweizer Pass.
Dass Fuchs diesen Ort an der Looslistrasse ausgewählt hat, hat noch einen weiteren Grund. Die Stadt will den Parkplatz für 3,7 Millionen Franken kaufen und zu einem Spielplatz umbauen. «Damit wäre das der wohl teuerste Spielplatz der Welt», sagt Fuchs. Er ist Kopf des Komitees, das jüngst erfolgreich das Referendum gegen den Kauf des Grundstücks eingereicht hat. «Die Stadt kann im neuen Quartier problemlos einen Spielplatz bauen, da braucht es diesen hier nicht – insbesondere nicht zu diesem Preis», so Fuchs. Die Stimmberechtigten in Bern entscheiden im November über den Kauf.
3. Stopp: Schiesstand Riedbach
Mit dem Auto geht es in den äussersten Westen von Bern, zum Schiessstand Riedbach. Hier will die Stadt eine «Zone für experimentelles Wohnen» einrichten. Auf dem Areal sollen Gruppen wie die Stadtnomaden mit ihren Hütten und Wohnwagen Platz finden. Eine entsprechende Zonenplanänderung wurde von den Stimmberechtigten 2013 gutgeheissen. Aufgrund eines juristischen Hickhacks ist das Ganze aktuell jedoch hängig.
«Das Vorhaben ist ein Beispiel dafür, dass die Stadt gerne nach Bern West abschiebt, was in den anderen, wohlhabenderen Stadtteilen niemand will», sagt Fuchs. Als weitere Beispiele nennt er die Ansiedlung des Recyclingwerks Resag oder die Wohnzone Buech für sesshafte Fahrende.
Die Benachteiligung Bern Wests gegenüber den anderen Stadtteilen erwähnt Fuchs während der Autofahrt immer wieder. Dabei müsste der Westen in Bern eigentlich tonangebend sein: Mit rund 34‘500 Personen und einem Flächenanteil von fast 40 Prozent ist Bern West der mit Abstand grösste Stadtteil. Trotzdem hat er aktuell keine Person in der Stadtregierung. Wobei das auch schon anders war: In den 1980er-Jahren stellte Bümpliz sogar zwei Gemeinderäte.
«Als Bern-Westler fühlt man sich von der Stadt zu wenig wertgeschätzt», sagt Fuchs. Aus Protest dagegen würden viele die SVP wählen. Tatsächlich war der Stimmenanteil der SVP bei den letzten Wahlen auf städtischer Ebene mit 23,5 Prozent nirgendwo so hoch wie hier. Zum Vergleich: Über die ganze Stadt hinweg holte die SVP nur gerade 8,5 Prozent der Stimmen. «Die Unzufriedenheit in Bern West ist gross», sagt Fuchs.
4. Stopp: Zentrum Kleefeld
Gleich neben dem Ladenzentrum Kleefeld befindet sich die Schule, die Thomas Fuchs einst besucht hat.
«Was hat sich seit Ihrer Kindheit hier verändert, Herr Fuchs?»
«Das Schulhaus wurde jüngst neu gebaut, ansonsten ist vieles gleich geblieben.»
Trotzdem ist Fuchs unzufrieden. Weil das Schulhaus in der alten Dimension mit zwei Stockwerken neu errichtet wurde. «Dabei wäre der Neubau die Chance gewesen, an bester Lage Wohnungen zu bauen – ohne dafür zusätzliches Bauland zu beanspruchen.»
Fuchs steht jetzt neben dem Restaurant Kleefeld. Dieses hat er vor Jahren gemeinsam mit einer SVP-Parteikollegin gekauft und zeitweise mit SVP-Kollege Erich Hess betrieben. Es ist eine von mehreren Liegenschaften, die der Banker Fuchs in Bern West besitzt. «Wieso sollte ich auch in ein Haus im Kirchenfeld investieren, wenn ich hier eines zu einem Bruchteil der Kosten kaufen kann?»
Fuchs tätigt diese Investitionen, weil er an einen Aufschwung in Bern West glaubt. Als Beispiel nennt er das Ladenzentrum Kleefeld. Teile des einstöckigen Gebäudes sollen in den kommenden Jahren abgerissen und durch einen höheren und modernen Neubau ersetzt werden. «Aufwertung und Wachstum sind in diesem Teil der Stadt noch möglich», sagt Fuchs.
5. Stopp: Neubauquartier Brünnen
In Brünnen sind Aufwertung und Wachstum längst Realität. Hier befindet sich das moderne Bern West mit dem Einkaufszentrum Westside und dem immer noch wachsenden Neubauquartier.
Wir halten neben einem grossen Rundbau, der sich in Bau befindet. Ein Vorzeigeprojekt mit gutem ÖV-Anschluss, viel Grün und einem unterirdischen Parkplatz, findet Fuchs – auch wenn man seiner Meinung nach noch höher hätte bauen sollen. «Solche Projekte sind sowohl bei Investoren wie Mietern beliebt.»
Tatsächlich zeigt ein Blick auf die Projektwebseite, dass nahezu sämtliche Wohnungen weit vor Fertigstellung bereits vermietet sind. Dabei sind die Mieten für Bern West teuer: 1221 Franken kostet eine 4-Zimmer-Wohnung in Bern West gemäss dem statistischen Amt der Stadt im Schnitt. Das ist deutlich weniger als der städtische Schnitt (1‘553 Franken). Im runden Neubau kostet die letzte verbliebene Wohnung 2480 Franken im Monat.
«Viel Geld», findet auch ein Passant, der Thomas Fuchs kennt und ihn kurz in ein Gespräch verwickelt. «Bei mir im Gäbelbach-Hochhaus reicht das fast für drei Monatsmieten.»
Die Aussage zeigt: In Bern West werden auch in Zukunft unterschiedlichste Lebensrealitäten aufeinandertreffen.