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Der Hackbraten ist würzig, der Kartoffelstock hat Substanz, das Gemüse hat sich verirrt. (Bild: Nicolai Morawitz)
Bernapark Stettlen

Zmittag im Bernapark

Die «Hauptstadt» hat ihre Redaktion für eine Woche in den Bernapark in Stettlen verlegt und berichtet über die Kulinarik, die sie vor Ort antrifft.

Linde, Stettlen: Hackbraten an Paprikarahmsauce; Wild ohne Wild; Worbletaler Röschti.

Die Bise zog bissig durchs Worblental, als wir vom Bernapark hochstiegen in den Stettler Dorfkern, zum Mittagessen in der «Linde», der traditionellen Dorfbeiz direkt an der Hauptstrasse. Es fühlte sich an, als wären wir nicht 15 Minuten, sondern stundenlang gewandert. Aus der smarten Start-up-Umgebung mit Vegi-Zmittag zurück in die dörfliche Gastro-Vormoderne mit verblichenen Vorhängen, düsteren Gaststuben und währschafter Kost.

Sehr währschafter Kost.

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Kein Etikettenschwindel: Wie früher, aber wirklich. (Bild: Nicolai Morawitz)

Nun, die bittere Kälte draussen hatte in mir den Instinkt geweckt, Reserven anzulegen. Deshalb entschied ich mich schon beim Lesen der Tafel vor dem Eingang für das Tagesmenü: Tagessuppe, Hackbraten an Paprikarahmsauce, Kartoffelstock, Gemüsebeilage (Fr. 17.90). «Auf Anfrage bieten wir Ihnen ein Vegi-Menü an», stand noch auf der Speisekarte, aber ich ignorierte es. Und ich bereute es nicht.

Zu Beginn kam eine kräftige Steinpilz-Suppe, begleitet von Standard-Ruchbrot, wie man es in der Stadt kaum mehr findet. Dann der Hauptteller, der aussah, als hätte man in der Küche das Wort Bodenständigkeit kulinarisch definieren wollen. Zwei Kugeln sämiger Kartoffelstock, dazu zwei fingerbreite Tranchen liebevoll durchgekneteter und -gegarter Hackbraten. Eher auf den Teller verirrt hatte sich hingegen die rekordverdächtig kleine Gemüsebeilage. Mir war das egal.

Ich kam keine Sekunde auf die Idee, etwas zu bemängeln. Geschweige denn, irgendwo nachzuwürzen. «80er-Jahre-Style, aber voller Qualität», brachte mein Kollege die Geschmacksreise in die Vergangenheit auf den Punkt. Kein Kunstwerk, solide Büez ohne Schabernack. Etwas jedoch hatten wir vergessen einzuberechnen: Ein Zeitfenster für ein ausführliches Verdauungsschläfchen.

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Hard work, aber fein: Worbletaler Röschti. (Bild: Nicolai Morawitz)

Noch mehr beissen musste am Nachmittag im Büro jedoch meine Kollegin. Sie ist eine passionierte Sportlerin, und wir kennen sie als Person mit sehr gesundem Appetit. Aber die «Worbletaler Röschti mit Spiegelei, Gmüesstreife u verloffenem Chäs» (Fr. 20.50) brachte sie an ihre Leistungsgrenze. Alles mit Passion und jahrzehntelanger Erfahrung gekocht, aber sparsame Mengenberechnung ist nicht die Kernkompetenz der «Linde»-Küche. So wäre wohl auch der Titel über der Vegi-Abteilung der Speisekarte zu verstehen gewesen: «Fleischlos, aber nicht reizlos».

Den aufregendsten Einblick in die traditionelle Landfrauenküche leistete sich mein Kollege, der sich in den Teller «Wild ohne Wild» (nach dem Rezept vom «Moosegg Änneli», wohlverstanden) verguckt hatte: Butterspätzli, Rosenkohl, Rotkraut, glasierte Marroni und Früchte (Fr. 25.50), wunderbar drapiert wie ein Mandala. Wer weiss, wieviel Zeit und Fertigkeit nötig ist, das alles parallel so gut zu kochen, kann nicht anders, als in den verlangsamten Genussmodus zu schalten. Was mein Kollege tat.

Als wir uns langsam wieder auf den Arbeitsnachmittag besannen, traf am Nebentisch gerade die Altherren-Jassgruppe ein. Die Jassdecke lag schon bereit, sie bestellten «Panasch» und «Henasch» (Henniez mit Bier), der Begrüssungsspruch lautete: «So, gsung u gfrääsig?»

Ich hätte mit Ja geantwortet.  (Jürg Steiner)

La Famiglia: Kalbsgeschnetzeltes mit Mischpilzen und Trüffel-Polenta

Das Angebot an Restaurants in Stettlen ist klein – sehr klein. Im Dorfzentrum die «Linde». Dazu gibts morgen mehr. Und im Bernapark bietet das «La Famiglia» klassische italienische Küche an. Das Restaurant liegt im Eingangsbereich des Areals. Gegen die Zugstation hin führt es zudem eine Gelateria. Offensichtlich entspricht das Restaurant im Bernapark einem Bedürfnis, denn an diesem Mittag ist es gut besucht. 

Die umfangreiche Speisekarte mit ihren über 130 Positionen, von Pasta über Pizza zu allen anderen erdenklichen italienischen Standardgerichten zieht wohl keine städtischen Gastrofreaks nach Stettlen. Sie bietet aber eine breite und solide Auswahl, die viele Gäst*innen zufriedenstellt.

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Die beiden Vorspeisen sind keine Offenbarung (Bild: Nicolai Morawitz)

Beim Tagesmenü stehen Pasta all’Arrabiata und eine Pizza mit Zwiebeln und Speck zur Auswahl. Beides ist für 17.90 Franken zu haben, Suppe und Salat inbegriffen. Ich wähle aber den Tages-Hit. Ein Kalbsgeschnetzeltes mit Mischpilzen am Rahmsauce, serviert auf Trüffelpolenta. Kostenpunkt 19.90 Franken, ebenfalls mit Suppe und Salat. 

Die beiden Vorspeisen sind keine kulinarische Offenbarung. Die bräunliche Gemüsesuppe hat einen leicht sauren Abgang und schmeckt mehr nach Maggi als nach Rüebli. Die Wartezeit zum Hauptgang wird hingegen von den Focaccia-Stücken, die auf dem Tisch stehen, gut überbrückt. Sie sind schön salzig und luftig.

Der Hauptgang, das Kalbsgeschnetzelte, ist gut gelungen. Das Fleisch ist zart gebraten und angenehm gewürzt. Unter den frisch sautierten Pilzen sind auch Steinpilze, was die Rahmsauce sehr schmackhaft macht. Gelungen sind auch die frischen und zum Glück nur äusserst kurz in der Pfanne geschwenkten Spinatblätter, die auf dem Gericht thronen. Schade nur, dass die Polenta etwas zu wässrig ist und nur mässig nach Trüffel schmeckt.

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Mit der umfangreichen Speisekarte mit ihren über 130 Positionen stellt das «La Famiglia» wohl viele Gäst*innen zufrieden. (Bild: Nicolai Morawitz)

Auch die anderen Gerichte kommen an. Die Kollegin am Tisch lobt die Menu-Pasta: Die Nudeln seien perfekt al dente und die Sauce scharf, aber nicht zu scharf. Die Pizza stillt den Hunger des Kollegen perfekt, der morgens 20 Kilometer mit dem Velo zur Arbeit kam, wie er ausführt. Einziger Wermutstropfen, sowohl bei Pasta wie Pizza, sind die wenig schmackhaften schwarzen (Dosen-)Oliven. 

Auch wenn einzelne Komponenten Luft nach oben haben, stimmt bei diesem Zmittag das Verhältnis Preis-Leistung. Und positiv in Erinnerung bleibt auch der aufmerksame Service. (Joël Widmer)

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Die Veginudeln mit Ei und Gemüse sind jeden Mittag im Angebot. (Bild: Nicolai Morawitz)

Me Wasana Thai Take Away: Gebratene vegetarische Nudeln mit Frühlingsrolle, vegetarisches Massaman Curry

Der kleine Thai Take-Away-Stand steht auf dem kargen Parkplatz vor dem Bernapark. Wasana Bärtschi hat das Take Away vor 3 Monaten eröffnet. Von Montag bis Freitag kann man hier zwischen drei und sechs Menüs auswählen. Vegetarische Nudeln und Frühlingsrollen sind immer zu haben. 

Bärtschi kocht die Menüs jeweils selbst vor Ort. Es kämen etwa dreissig Kund*innen am Mittag hier Essen holen, meint sie. Sie wirkt entspannt und ist zum Scherzen aufgelegt. Das hier sei ihre Lieblingsarbeit.

Um 12 Uhr ist die Schlange vor dem Food-Truck aber noch sehr überschaubar. Der Kunde, der vor uns an der Reihe ist, hat hier schon öfters gegessen. Empfehlen kann er jedes Menu. Wir entscheiden uns für die vegetarischen Nudeln und das Massaman Curry. Zwei von vier Menüs sind vegetarisch. Für die Agglomeration von Bern ist das kein schlechter  Wert, jedenfalls nach der bisherigen Erfahrung der «Hauptstadt»-Redaktion. Auf früheren Aussenstationen hatte sich ein Vegi-Faktor herauskristallisiert: Je weiter weg vom Stadtzentrum, desto kleiner die Auswahl an Vegi-Menüs

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Wasana Bärtschi führt das Take-Away seit drei Monaten. (Bild: Nicolai Morawitz)

Weil es draussen zu kalt ist, setzen wir uns mit den Take-Away-Boxen in die Cafeteria des Zentrums für Innovation und Digitalisierung (ZID), wohin die Hauptstadt für eine Woche ihren Redaktionssitz verlegt hat.

Die Nudeln führen einen kleinen Essensrausch herbei, was vielleicht auch am vielen Öl liegt. Knackiger Chinakohl, rote und gelbe Karotten und grüner Lauch bieten einen erfrischenden Ausgleich zu den öligen Nudeln. Ein bisschen mehr Gemüse würde das Menü aber vertragen. Die Frühlingsrolle ist knusprig und innen frisch, überzeugt aber vor allem wegen der ungewöhnlichen, aber schmackhaften süss-sauren Sauce. Innerhalb weniger Minuten ist die Take-Away-Box jedenfalls leer gegessen.

Auch den beiden Kolleg*innen, die sich für das Massaman Curry entschieden haben ‒  Zwiebeln, Zucchetti, Erbsen und Karotten an einer milden Currysosse neben weissem Reis ‒ schmeckt das Essen. Sie haben denn auch einen direkten Vergleich: Das Restaurant Nari in der Nähe des eigentlichen Standortes der Hauptstadt bietet ebenfalls Thai-Gerichte an. Und ist bei der Hauptstadtredaktion durchaus beliebt.

Schon das eine oder andere Thai-Restaurant musste im Vergleich zum Nari den Kürzeren ziehen. Nicht aber das Thai Take-Away in Stettlen: Es stehe dem Nari in nichts nach, bestätigen die beiden Kolleg*innen, sei überdies erst noch günstiger. Und: Die Portionen sind nicht zu gross, genau richtig für den Bürohunger. (Lea Sidler)

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