Nächtliche Mückenjägerin

Wer in der Dämmerung nach oben blickt, sieht sie am Stadthimmel: die Zwergfledermaus. Unsere Kolumnistin schreibt, wie das Tier uns mit seinem Appetit einige Mückenstiche erspart.

Illustration Tierkolumne
(Bild: Natalie Neff)

Der Sommer ist Fledermauszeit. Landauf, landab sind derzeit die Fledermausweibchen mit der Aufzucht der Jungtiere beschäftigt. Doch Fledermaus ist nicht gleich Fledermaus. 30 Arten gibt es alleine in der Schweiz. 

Erstaunlich viele wurden schon in der Stadt Bern nachgewiesen: In den letzten 123 Jahren erhielt das nationale Datenzentrum für Fauna Meldungen zu 15 Arten, die auf Stadtberner Gemeindeboden gesichtet wurden.

Wer nun wegen der Zeitspanne stutzt, stutzt zu Recht. Von der Kleinen Hufeisennase, Rhinolophus hipposideros, fehlt seit 1901 jede Spur, und seit der letzten Beobachtung der Mopsfledermaus, Barbastella barbastellus, sind unzählige Liter Wasser die Aare hinabgeflossen: Sie wurde das letzte Mal im Jahr 1960 gesehen und gemeldet. 

Andere Arten sind treue und langjährige Stadtbernerinnen. Nehmen wir die Zwergfledermaus Pipistrellus pipistrellus. Klein, braun, wendig. Sie ist wohl die häufigste Art in der Stadt und kann von aufmerksamen Abendspaziergänger*innen gut beobachtet werden. 

Bis zu 2000 Mücken pro Nacht

Die Zwergfledermaus fliegt schon bald nach Sonnenuntergang aus und kurvt wendig durch die Lüfte, auf der Suche nach Nahrung. Dabei ist sie nicht sehr wählerisch. Am liebsten frisst sie Zweiflügler. Auf gut Deutsch: Mücken und Fliegen. Davon kann die Zwergfledermaus nicht genug kriegen. Zwischen 1500 und 2000 Mücken vertilgt sie pro Nacht. Sie ist – so kann man sagen – eine hocheffiziente biologische Waffe gegen jede Mückenplage. 

Eine Zwergfledermaus fliegt jedoch nicht zufällig durch die Stadt auf der Suche nach einem geeigneten Mückenschwarm. Sie ist sehr standorttreu und patrouilliert in einem Gebiet auf festen Flugbahnen. Das lässt sich in Innenhöfen und entlang von Quartierstrassen meist hervorragend beobachten. Dabei benötigt sie Bäume und Gebüsche als Leitstrukturen. 

Wie alle anderen Fledermausarten nutzen auch Zwergfledermäuse die Echoortung, um sich im Raum zu orientieren und zu jagen. Kurz gesagt: Fledermäuse sehen mit den Ohren.

Ein Buffet unter der Strassenlaterne

Die naturdunkle Nacht ist der Fledermaus Paradies. Viele unserer Fledermausarten reagieren sehr empfindlich auf künstliches Licht. Sie meiden beleuchtete Gebiete und trauen sich nicht einmal über eine erhellte Strasse. 

Die Fledermausarten, die in den Städten vorkommen, gehören zu den toleranteren Arten, was Kunstlicht betrifft. So sieht man die Zwergfledermaus hier und da an Strassenlaternen herumflattern. Es handelt sich dabei um den Standort mit dem am einfachsten zu erbeutenden Nahrungsangebot weit und breit, denn das Licht zieht viele Insekten an. 

Einmal im Lichtkegel angekommen, finden die Insekten den Weg kaum noch hinaus. Sie verbringen die Nacht im Licht, bis sie an Erschöpfung sterben. Ein hochwillkommenes Buffet für die hungrige Zwergfledermaus. 

Aber zu viel Licht darf es auch nicht sein. In taghellen Strassenzügen fehlt auch die urbane Zwergfledermaus. Tatsächlich gilt künstliches Licht in der Nacht als einer der Hauptgründe für die Abnahme der Biodiversität. Viele Insekten, Amphibien und über zwei Drittel der wild lebenden Säugetiere in der Schweiz sind nachtaktiv. 

Bereits der Vollmond mit einer Stärke von 0.3 Lux lässt einige von ihnen vorsichtiger werden. Die meisten Strassenlaternen in Bern strahlen mit zigfacher Stärke – und das die ganze Nacht. Für viele Tiere wirkt das wie Hunderte von Vollmonden gleichzeitig. Es ist daher höchste Zeit, unser eigenes Lichtbedürfnis zu überdenken und an unsere Mitgeschöpfe anzupassen. Sonst verschwindet auch die anpassungsfähige Zwergfledermaus.

Zur Person

Die Bernerin Irene Weinberger ist als Biologin spezialisiert auf einheimische Wildtiere und das Konfliktmanagement zwischen Natur und Mensch.

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