Dorf bleiben! Oder doch Stadt werden?
Auf Stellwänden, mit Post-It-Zetteln: Die Ostermundiger*innen taten am Samstag dem Gemeinderat ihre Meinung zur Fusion kund. Viel Skepsis und ein wenig Hoffnung auf Synergien war da zu lesen und zu hören.
«Dorfcharakter Ostermundigen geht verloren. Jawohl!!»
«Verwaltungsorganisation optimieren. Nur 1 IT-System!»
«Neue, eigene Identität entdecken und als grosses Quartier zusammenfinden»
«Das Abfallwesen soll in der Gemeinde bleiben – keine Mehrfarben-Säcke wie Bern»
Farbige Post-It-Zettel kleben auf Stellwänden im Saal der reformierten Kirchgemeinde Ostermundigen. Sechs Wände sind im Raum verteilt. Darauf sind Bemerkungen zu den Chancen und Risiken zur geplanten Fusion mit der Stadt Bern zu lesen. Die Gemeinde will bei der Bevölkerung den Fusions-Puls fühlen. Sie hat zum «Mundiger Forum», einem Bevölkerungsanlass zum angedachten Zusammengehen mit der Stadt Bern, eingeladen. Und sie erhält durchaus Feedback, wenn auch nur von den politisch sehr Interessierten.
Es sind Wünsche, Ängste, Analysen zur angestrebten Fusion der Gemeinde mit der Stadt Bern. Erste intensive Gespräche mit der Stadt hat der Gemeinderat geführt, weitere Verhandlungen stehen noch an. Der Gemeinderat will nun mit solchen Anlässen herausfinden, worauf er ein besonderes Augenmerk richten soll. Letzte Woche waren an zwei Abenden auch Gewerbe, Vereine und Politiker*innen eingeladen.
Gut zehn Leute stehen am Samstag nach dem Mittag im Saal. Mehr als die Hälfte davon sind im Gemeinderat oder Teil der Begleitgruppe «Kooperation Bern. Das «Mundiger Forum» ist kein Publikumsmagnet.
«Es gibt grad eine Flaute nach dem Zmittag», sagt Synes Ernst, Leiter der Ortspartei «Die Mitte» und Mitglied der Begleitgruppe. Am Vormittag seien rund 30 bis 40 Leute da gewesen. Auch Stadtpräsident Alec von Graffenried habe den Ostermundiger*innen mehr als eine Stunde zugehört.
Synes Ernst stellte bei vielen Bürger*innen Skepsis fest. «Die Leute fragen sich: Kommt das gut?» Fast niemand sei Feuer und Flamme für die Fusion. Er höre oft, das Dorf verliere die Identität. «Wenn ich zurückfrage, wo genau man die Identität verliere, können das die meisten aber nicht formulieren.»
Pensionär Walter Fankhauser, der seit 1987 in Ostermundigen wohnt, liest die hängenden Post-It-Zettel konzentriert durch. «Das hier ist ein guter Anlass», sagt er. «Und vor 15 Jahren wäre ich wahrscheinlich für die Fusion gewesen.» Da sei Ostermundigen eine armengenössige Gemeinde gewesen. «Jetzt bin ich aber gegen die Fusion.» Die Gemeinde erlebe gerade einen Aufschwung. Dann solle sie auch eigenständig bleiben. «Sonst wird alles zu gross», sagt Fankhauser. Noch sei Ostermundigen familiär. «Man kennt den Gemeindepräsidenten persönlich, das würde verloren gehen.»
Euphorische Fusions-Befürworter gibt es an diesem Nachmittag nicht.
Daniela Feller sitzt für die FDP im Gemeindeparlament und ist gespannt, wie es mit den Diskussionen mit der Stadt weitergeht. «Wenn Bern weiter so als Chefin auftritt, dann sage auch ich eher Nein.» Es solle ein wirkliches Zusammengehen sein. «Die von Bern vorgeschlagene schwache politische Vertretung von Ostermundigen im Gemeinderat kommt nicht gut an.» Ostermundigen wolle in einer Übergangsfrist schon mitbestimmen. «Wir haben noch eine dörfliche Atmosphäre, in Bern ist alles anonymer», sagt Feller. Obwohl sie dann doch findet, dass die Fusion eine Chance wäre. Die Gemeinden hätten zusammen eine ansprechende Grösse. Man müsse diese Chance aber auch richtig packen.
Alteingesessene und politische Aktive sehen also vor allem einen Verlust – von Heimat und Mitbestimmung. Aber wie denken die Neuzuzüger*innen? Wenig überraschend sind sie an diesem Anlass im Kirchgemeindehaus nicht zu finden.
Dennoch ist Gemeindepräsident Thomas Iten zufrieden. «Es war ein interessanter Austausch und es gibt kontroverse Meinungen.» Und es herrsche eine gute Stimmung, weil miteinander über die Fusion gesprochen werde. «Wir müssen nun im Gemeinderat sehr gut analysieren, welchen Mehrwert eine Fusion für Bevölkerung, Vereine und Gewerbe hat», sagt Iten. Und gerade die Rolle der Vereine könne ein «Game-Changer» sein. «Der ganze Fusions-Prozess ist sehr lehrreich, egal was am Ende herauskommt.» Er selbst will sich noch immer nicht öffentlich festlegen, ob er die Fusion wirklich will.
Wie die Diskussion um die Fusion sich entwickelt, hängt wohl auch von Antworten auf die Post-It-Fragen ab.
«Parkplätze sind im Auge zu behalten»
«Mitfinanzierung Reitschule?»
«Denkt bitte daran, es sind nicht alle IT und wir werden auch älter!»
«Ortstafel Ostermundigen beibehalten! Wie in Gümligen.»