Grunzen in Berndeutsch – Askforce-Selection #65

Die Wurzeln der berndeutschen Sprache reichen zurück in die Steinzeit, obschon Bern erst 1191 gegründet wurde. Die Askforce hat nachgeforscht. Und wie!

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Das rotierende Hirn der Askforce. (Bild: Pia Zibulski)

Unlängst fragten sich Kinder im Tram Nr. 9 – Fahrtrichtung Wabern –, welches das erste je von einem Menschen gesprochene Wort gewesen sein mag. War es «Mammut», «Ei», «Chips», «da» oder «wo»? Die plötzlich eingeworfene Frage «sprachen Höhlenmenschen überhaupt Berndeutsch?» brachte die Diskussion aber zu einem abrupten Ende. Deshalb übernimmt hier die Askforce. 

Fragt die Askforce, Hauptstädter*innen!

Die Askforce nennt sich selber «Berns bewährte Fachinstanz für alles, die Antworten auf Fragen liefert, die viele nicht zu stellen wagen». Mit anderen Worten: Keine Frage ist zu abwegig. Das ist eine Aufforderung an alle Hauptstädter*innen: Deckt die Askforce mit euren lebenswichtigen Fragen ein – an diese Adresse: [email protected].

Über 20 Jahre lang erschien die Askforce wöchentlich im Bund und erarbeitete sich den Ruf, die schrägste Kolumne der Schweiz zu sein. Als Bund und BZ im Herbst 2021 fusionierten, verschwand die Askforce aus dem Traditionsblatt, verewigte sich in einem Buch und tauchte als Startup Anfang 2022 wieder auf.

Auf den ersten Blick scheint die Sache klar: Bern wurde 1191 gegründet, die Steinzeit endete aber bereits etwa 2200 vor Christus. Folglich können Höhlenmenschen gar kein Berndeutsch gesprochen haben, da es Bern zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gab.

Doch das wäre zu kurz gegriffen. Auf dem Gebiet, das später zu Bern werden würde, wussten sich die Menschen bereits früh zu verständigen. Stellen Sie sich eine Wisentjagd ohne funktionierende Kommunikation vor. Auch wenn das noch kein Berndeutsch im heutigen Sinne war, so lässt sich doch von einer Art Protoberndeutsch sprechen – eine urzeitliche Vorstufe, die sich über Jahrtausende unter verschiedensten Einflüssen schliesslich zu unserem Berndeutsch entwickelte.

Lange blieb jedoch unklar, wie diese Frühform der Sprache geklungen haben mag. Die Gesichtsanatomie unserer Vorvorvorvorfahren lässt darauf schliessen, dass sie Gesten, Schreie und Grunzlaute und lautmalerische Kürzestwörter nutzten, um sich zu verständigen. Hier eine mögliche Auswahl: «ahhhh», «mhmmm», «wäääääää!», «hööööö?» oder auch «jooouu!» 

Kommt Ihnen das vertraut vor? Ihr Gefühl täuscht Sie nicht. Neueste Erkenntnisse aus der Paläolinguistik bestätigen, dass dieses Protoberndeutsch in allen Bernerinnen und Bernern schlummert. Unser zivilisiertes Sprachsystem greift normalerweise kaum darauf zurück – ausser in aussergewöhnlichen Momenten. So kann es passieren, etwa bei einem Eishockeymatch oder wenn wir uns mit dem Hammer auf den Daumen schlagen, dass diese Ursprache nach aussen dringt.

Und es gibt eine Lebensphase, in der sich diese Ursprache nahezu ungehindert entfaltet. Wer Teenager hat oder zumindest schon einmal einem begegnet ist, wird wissen, dass aus deren Mündern oft nur Grunzlaute, undefinierbare Geräusche und Wortfetzen dringen, die alarmierend nach urzeitlicher Kommunikation klingen. Was Sie bisher vielleicht als Faulheit, Desinteresse oder schlicht Unverständnis abgetan haben, ist in Wahrheit die Wiedererweckung uralter Kommunikationsmuster. Die Protosprache feiert in der Pubertät ihre grosse Renaissance.

Doch keine Sorge: Nach zwei, drei Jahren passt sich auch die Teenagersprache wieder an unsere modernen Sprachkonventionen an. Das Grunzen weicht allmählich vollständigen Sätzen. Und vielleicht hören Sie dann sogar waschechtes Berndeutsch: «Hets im Iisschrank obe a dr Träppe no Kartoffle, Karotte und Butter? Oh, het dr Hahn grad gkräht? De muessi jitz ga arbeite.»

Askforce-Selection #65, 13. Dezember 2024

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Diskussion

Unsere Etikette
Peter Hofer
14. Dezember 2024 um 13:34

«Hets im Iisschrank obe a dr Träppe no Kartoffle, Karotte und Butter? Oh, het dr Hahn grad gkräht? De muessi jitz ga arbeite.»

Das ist wohl Neuberndeutsch in hundert Jahren. 😂

Madeleine Gafner
14. Dezember 2024 um 07:54

Schöni Parodie:

Wes im Chüeuschrank obe ar Stäge no Härdöpfu, Rüebli u Anke het, u o dr Güggu gkräit het, de chöit dr de go schaffe und z.B. ds Idiotikon läse.