Klassische Vertreibung –Askforce-Selection #63

«Hauptstadt»-Leser Georg H. verdächtigt die Askforce, dass sie sich manchmal selber Fragen stellt. Die Askforce macht das zwar nicht, kann es aber trotzdem gut.

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Das unablässig fragende Hirn der Askforce. (Bild: Pia Zibulski)

Georg H. aus Bern, ein echter Hauptstädter, hegt den Verdacht, die Askforce erfinde manchmal «bedeutsame» Fragen, «um auf relevante Themen eingehen zu können».

Zugegeben: In unseren Anfängen haben wir in seltenen Fällen eigene Fragen beantwortet. Aber nur, weil damals unser Briefkasten ab und zu leer geblieben war. Diese Zeiten sind vorbei – dank Leserinnen und Lesern wie Ihnen, Herr H., die mit staunenden Augen auf die Welt blicken und das Sonderbare im Gewöhnlichen sehen.

Ihre Zuschrift, Herr H., haben wir darum sehr gern entgegengenommen. Sie fordern uns auf, eine unserer «sehr bedeutsamen Fragen» zu beantworten. Oder besser gesagt: beantworten zu lassen. Denn Sie wollen wissen, wie dies eine künstliche Intelligenz angeht.

Nun, Herr H., das wissen wir bereits. Anfang 2023, als der Textroboter ChatGPT die halbe Welt in Erstaunen versetzte, liessen wir ihn zum Zug kommen. Das Ergebnis war zwar schon ein bitzeli verblüffend – aber doch auf eine seltsame Weise seltsam.

Fragt die Askforce, Hauptstädter*innen!

Die Askforce nennt sich selber «Berns bewährte Fachinstanz für alles, die Antworten auf Fragen liefert, die viele nicht zu stellen wagen». Mit anderen Worten: Keine Frage ist zu abwegig. Das ist eine Aufforderung an alle Hauptstädter*innen: Deckt die Askforce mit euren lebenswichtigen Fragen ein – an diese Adresse: [email protected].

Über 20 Jahre lang erschien die Askforce wöchentlich im Bund und erarbeitete sich den Ruf, die schrägste Kolumne der Schweiz zu sein. Als Bund und BZ im Herbst 2021 fusionierten, verschwand die Askforce aus dem Traditionsblatt, verewigte sich in einem Buch und tauchte als Startup Anfang 2022 wieder auf.

Eigene Fragen haben wir immer auf Lager. Diese ist eine unserer neusten: «Was passiert, wenn Menschen, die beim Bahnhof Bern herumhängen und Bier trinken, mit klassischer Musik berieselt werden?» Genau dies geschieht seit diesem Sommer.

Es ist keine grosse Sache, diese Frage – mit der Bitte um eine Pointe – einem Textroboter vorzulegen. ChatGPT liefert blitzartig eine behutsam formulierte, aber immer noch auf eine seltsame Weise seltsame Antwort, die auf eine «elegante Happy Hour» für alle hinausläuft. Und deswegen aus unserer Sicht nicht fit to print ist.

Für Sie, Herr H., mag das unbefriedigend sein. Darum liefern wir Ihnen – bloss stichwortartig – eine Antwort, die auf der Basis unserer natürlichen Bosheit auf etwas ganz anders hinauslaufen würde als auf eine Happy Hour:

  • 17.00 Uhr: Die SBB legen los mit klassischer Musik.
  • 17.30 Uhr: Die SBB stellen fest, «dass die Loser an Ort und Stelle verharren, weil ihnen die Musik besser gefällt als erwartet». So steht es später im Polizeirapport.
  • 18.00 Uhr: Es nähern sich auffällig viele auffällig gut gekleidete Personen. Es handelt sich um Klassikfans aus Muri und dem wohlhabenden Berner Kirchenfeldquartier, die von der Neuerung erfahren und sich unverzüglich auf den Weg gemacht haben.
  • 18.15 Uhr: Ein 67-jähriger Klassikfan fordert einen «Randständigen» auf, er und seine «verschwitzten Kumpel» sollen sich endlich verziehen. 
  • 18.16 Uhr: Es kommt zu wüsten Beschimpfungen.
  • 18.20 Uhr: Als die Polizei eintrifft, ist eine Massenschlägerei im Gang.
  • 18.25 Uhr: Die Polizei setzt Tränengas und Gummischrot ein.

Pikantes Detail: Bei den späteren Untersuchungen stellt sich heraus, dass die für die Musikauswahl verantwortliche SBB-Angestellte, die die Vorgänge über Video verfolgte, um 18.17 Uhr Richard Wagners «Der Ritt der Walküren» einspielte – und die Lautstärke maximal aufdrehte.

8. November 2024, Askforce-Selection #63 

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