Uni Bern Spezial

«Ich bin Pendler zwischen den Welten»

Raffaele Cioffo studiert seit 2022 Sportwissenschaften und Philosophie an der Universität Bern. Der 22-Jährige spielt ausserdem für die Oberwil Rebells in der höchsten Streethockey Liga der Schweiz – Teil 4 der «Uni-Protokolle».

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Jeder Uni-Tag sehe für ihn anders aus – da sei es nicht leicht eine Routine zu finden, so Cioffo. (Bild: Manuel Lopez)

«Ich erinnere mich noch gut, wie ich hier angekommen bin vor anderthalb Jahren: Mit dem gemieteten Bus fuhr ich nach Bümpliz, zu meiner ersten WG – im Laderaum ein Bett, das ich preiswert auf Ricardo ersteigert hatte. Es fühlte sich an, als sehe ich den Trailer meines Lebens: Jetzt geht es endlich los, alleine in einer neuen Stadt leben und zum ersten Mal eine Uni besuchen. Die Corona-Pandemie und die anderthalb Jahre beim Militär – das war auf einmal Schnee von gestern.

Nun bin ich Pendler zwischen zwei Welten: Da ist Bern, mein Lebensmittelpunkt, und Zug, wo ich Streethockey spiele. In der Sportart gelten die gleichen Regeln wie beim Eishockey, aber statt in Schlittschuhen spiele ich in Turnschuhen und mit einem orangen Hartgummiball.

«Uni-Protokolle»

Welche Menschen bevölkern die Uni, welche Lebensentwürfe prallen in den Fakultäten aufeinander? Die «Haupstadt» hat fünf Studierende getroffen – in den «Uni-Protokollen» gewähren sie Einblicke in ihren Alltag, teilen Zweifel, Wünsche und Gedanken.

Mit den Oberwil Rebells spielen wir in der höchsten Spielklasse und sind aktuell ungeschlagener Tabellenführer. Zwei Mal pro Woche trainiere ich in Zug. Das sind jeweils lange Tage: Um 17 Uhr starte ich vom Bahnhof Bern, um Mitternacht bin ich zurück. Hinzu kommen Matches am Wochenende und dann stürme ich auch noch für das Schweizer Nationalteam. Meine Lehrveranstaltungen habe ich extra so gelegt, dass sie mir Freiräume für die Trainings lassen. Derzeit habe ich rund zehn 90-Minuten-Blöcke Uni pro Woche. Ausser Sportwissenschaft studiere ich im Nebenfach Philosophie – dort kann nicht immer Rücksicht auf mein Sportpensum genommen werden. 

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Basketball, Eishockey und Ultimate Frisbee – Cioffos Sportstudium ist abwechslungsreich. (Bild: Manuel Lopez)

Und dann sind da noch meine Nebenjobs: ich werde zwar von meinen Eltern unterstützt, bin aber noch auf zusätzliche Einkünfte angewiesen. Zweimal in der Woche arbeite ich in der Mensa des Hochschulzentrums Von Roll. Während der vorlesungsfreien Zeit fällt dieser Job allerdings weg. Ich bin dann zum Beispiel als Freelancer bei der SUVA aktiv, wo ich für Präventionsmassnahmen zuständig bin. Beim Schweizerischen Streethockey Verband schreibe ich ausserdem gerade an einem Manual für Jugend und Sport (J+S) und verdiene mir so etwas dazu.

Inzwischen lebe ich zusammen mit zwei anderen Sportstudenten in einer WG in Ostermundigen. Dehnübungen und Yoga, Kaffee aus der Bialetti mit Blick auf den Bantiger, eingelegte Haferflocken und Obst: So sieht mein idealer Start in den Tag aus. Dann breche ich auf zum Institut für Sportwissenschaft im Neufeld – oder zur Philosophie in der Unitobler, meinem Nebenfach.

Über das Studium habe ich Einblick in Sportarten bekommen, mit denen ich sonst nie in Berührung gekommen wäre. Ich habe zum Beispiel das Geräteturnen für mich entdeckt. Und mit meiner Freundin tanze ich Salsa. Ich hätte nicht gedacht, dass mir das so viel Spass machen würde. 

Im Sommer kann man mich ausserdem häufiger auf dem Beachvolley-Feld des Marzilis antreffen.

Egal ob auf Sand, dem Tanzparkett oder dem Spielfeld: Der Sport ist für mich eine Welt, die ich immer mit einem Grinsen betrete und am Ende mit einem noch grösseren verlasse.

Hauptstadt Flagge am Universitaets Hauptgebaeude fotografiert am Donnerstag, 29. Februar 2024 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Die «Hauptstadt» an der Uni

Vom 4. bis zum 8. März gastierte die «Hauptstadt» an der Universität Bern. Die Redaktion verlegte ihren Standort für eine Woche ins Hauptgebäude und tauchte ins Uni-Leben ein.

Im Fokus steht die Universität nicht nur als Ort der Wissenschaft. Sondern als vielfältiger, dynamischer gesellschaftlicher Lebensraum in der Länggasse. Wir fragen auch: Wie muss man sich ein Student*innenleben – jenseits der Vorurteile – vorstellen? Und wie kommen Studierende in der Länggasse gastronomisch über die Runden?

Hier geht es zum thematischen Schwerpunkt.

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