Das Rezept der kleinen Brauereien

Im Kanton Bern gibt es fast 200 Brauereien – dabei sinkt die Lust auf Bier. Wie gehen die kleinen Brauereien damit um? Ein Besuch bei der «Lohnbrauerei» und «Schuum».

Susanne Lutz der Berner Lohnbrauerei fotografiert am Montag, 26. Mai 2025 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Bern hat eine grosse Biervielfalt und viele Brauereien: So etwa die Lohnbrauerei, wo Susanne Lutz arbeitet. (Bild: Simon Boschi)

Im ersten Stock der Berner Lohnbrauerei liegen verschiedene Malzsäcke. Brauerin Susanne Lutz zeigt auf eine Sammlung an Proben, die an der Wand hängt: Rauchmalz, Caramel-Malz und viele mehr. «Schon allein mit dieser Zutat kann man beim Geschmack enorm spielen.» Die Wahl des richtigen Malz-Getreides für das passende Bier sei eine Kunst für sich.

Berner Lohnbrauerei fotografiert am Montag, 26. Mai 2025 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Brauer*innen können den Geschmack mit unterschiedlichen Malzsorten beeinflussen. (Bild: Simon Boschi)

Das Potential verschiedener Zutaten nutzen derzeit im Kanton Bern fast 200 Brauereien. Damit ist Bern im schweizweiten Vergleich eine Brauerei-Hochburg. Rund ein Sechstel aller Schweizer Hersteller sind hier. Zu den Grossen zählen Rugenbräu aus Interlaken, Felsenau aus Bern und Burgdorfer Bier. Daneben gibt es unzählige Klein- und Mikro-Brauereien.

Die Berner Bierlandschaft hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten stark verändert. Früher gab es bei den Bieren keine grosse Vielfalt. «Ein Lager, ein Spezbier und vielleicht noch ein Dunkles», so beschreibt der Berner Biersommelier Pierre Dubler das frühere Angebot. Das habe auch mit dem Bierkartell zu tun, welches Konkurrenz verhinderte und erst Anfang der 90er Jahre aufgelöst wurde.

Wie unterscheiden sich Biere?

Vom Mainstream-Lagerbier bis hin zum Sauerbier – die geschmackliche Vielfalt kennt fast keine Grenzen. Bereits mit der Auswahl und Kombination der vier Grundzutaten – Wasser, Malz, Hopfen, Hefe – lassen sich diverse Biersorten herstellen. Im letzten Jahrzehnt wurde auch hierzulande viel herumexperimentiert und neue Zutaten ins Bier gemischt: Koriander, (Zitrus-)Früchte, Gewürze, Kräuter, Kaffee. Diese Inhaltsstoffe geben ihren Geschmack weiter. Entscheidend ist auch die Dauer der Gärung (in der Regel zwischen 4-8 Wochen) und die Temperatur, welche bei untergärigem Bier tiefer ist als bei obergärigem.

Seitdem wurden aus schweizweit 30 Herstellern 1'150. Besonders zwischen 2015 und 2021 sind viele neue dazugekommen. Es zeigt sich an farbenfrohen Bierregalen im Laden: Die Auswahl ist gross.

Vom Hobby zum Beruf

Eine kleinere Brauerei in der Stadt Bern ist «Schuum», sie produziert seit 2015. Ihr Besitzer Alexander Balajew sagt: «Wir sind eine Hobbybrauerei in Grossformat». Als Freizeitbeschäftigung hat es auch begonnen, in einer WG. «Aus Neugierde nach neuen Bieren haben wir damals, wie viele andere auch, angefangen, zu experimentieren.» Die Herausforderung und der Wunsch seien gewesen, nicht mehr dasselbe klassische Lagerbier zu brauen.

Auch bei den Trinker*innen sei das gut angekommen. «Diese neue Vielfalt hat die Leute überrascht. Gerade bei Craft Beer Events wurden wir oft überrannt.» «Schuum» produziert Biere mit Geschmack nach Marroni, Holunder oder Nüssen.

«Mittlerweile produzieren wir bis zu 30'000 Liter pro Jahr», sagt Alexander Balajew. So viel mache Rugenbräu an einem Tag. Für Balajew, der auch professioneller Musiker ist, passt die derzeitige Grösse aber gut. «Das Brauen ist ein grosser Teil meiner beruflichen Tätigkeit, aber nicht die einzige». Das mache die Brauerei unabhängiger. «Wir machen uns den Druck nicht, sondern probieren nur aus, worauf wir wirklich Lust haben.»

Fokus auf die Gastronomie kann auch funktionieren

Ein anderes Konzept verfolgt die Berner Lohnbrauerei: Sie fokussiert sich auf die Gastronomie. Die Brauerei in Holligen, gleich neben dem Standort von Café Blaser, wurde 2022 von mehreren Berner Beizenbesitzer*innen gegründet. Hauptaktionärin ist das Restaurant Rosengarten, auch das Restaurant Dampfzentrale und weitere Betriebe sind beteiligt. Das habe den Einstieg erleichtert. «So konnten wir schon mit einem gewissen Kundenstamm starten», sagt Susanne Lutz. Denn der Verkauf sei eine anspruchsvolle Aufgabe.

Berner Lohnbrauerei fotografiert am Montag, 26. Mai 2025 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Die Lohnbrauerei ist bereit für den Sommer. (Bild: Simon Boschi)

Das Konzept einer Lohnbrauerei ist es, Bier im Auftrag anderer herzustellen. Also beispielsweise für Gastronomiebetriebe, aber auch für andere Brauereien. Wenn deren Anlagen an ihre Kapazitätsgrenzen stossen, kann die Lohnbrauerei mit den gewünschten Zutaten und dem originalen Rezept das Bier – gegen Lohn – für eine andere Marke brauen.

Bei der Lohnbrauerei laufe es gut. Und das, obwohl man beim eigenen Bier mit der «Wirtelinie» einen Fokus auf die Gastronomie setzt. Wie im Hauptsachen-Talk zum Thema Gastro thematisiert wurde, beschäftigt der sinkende Alkoholkonsum auch die Wirte. Aber: «Wir sind klein und neu», sagt Susanne Lutz, das mache die Brauerei interessant. Neue Gastro-Betriebe würden schnell auf sie aufmerksam. Zudem können die Wirte bei der Entstehung neuer Biersorten mitreden. «Die Wirte-Biere entstehen im Dialog. Wenn es der Gastro zu bitter ist, können wir das anpassen», erzählt Lutz.

Susanne Lutz und ihr Kollege der Berner Lohnbrauerei fotografiert am Montag, 26. Mai 2025 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Chemielabor und Küche in einem: Hier arbeitet Susanne Lutz (rechts im Bild). (Bild: Simon Boschi)

Nach wie vor beobachtet Susanne Lutz: «Die Leute haben Lust auf Kleinbrauereien und experimentelle Produkte». Diese Neuentdeckerei habe in den letzten Jahren etwas abgenommen, sagt hingegen Alexander Balajew. «Viele Leute sind auf den Geschmack gekommen und bleiben den entdeckten Bieren und Brauereien treu.» Es sei aber «nicht mehr so der Hype wie früher», sondern pendle sich langsam ein.

Der Trend beim Bierkonsum insgesamt zeigt nach unten. Erstmals wurden 2024 weniger als 50 Liter pro Kopf konsumiert. Das habe neben sinkender Kaufkraft auch mit dem Gesundheitsbewusstsein der Leute zu tun, erklärt Experte Dubler. «Alkohol wird bewusster konsumiert.» Diese Entwicklung ist für die Einzelnen begrüssenswert.

So bleibt aber für die vielen Brauereien weniger übrig. Pierre Dubler sagt: «Es ist ein Verdrängungsmarkt.» Und die Spielregeln hätten sich verändert. «Früher haben die Grösseren die Kleineren geschluckt. Heute können die Kleinen auch Nadelstiche setzen, denn auch die Grossen verlieren.» Denn obwohl die Preissensibilität grösser wurde, würden die Leute für ein lokales Craft Bier gerne auch ein wenig mehr bezahlen.

Steigende Herstellungskosten

Das Umfeld ist für alle schwieriger geworden: Corona-Pandemie, Ukrainekrieg mit steigenden Rohstoff- und Energiepreisen sowie die allgemeine Inflation haben gemäss Alexander Balajew das Klima für die Brauereien erschwert. Bei kleinen Brauereien geht es schnell einmal um die Existenz.

Das beobachtet auch Susanne Lutz. Einige dieser Brauereien seien «zu gross für ein Hobby», jedoch «zu klein, um langfristig professionell zu rentieren». Denn das Brauen ist zeitlich aufwändig, und gerade die Anschaffung der Anlagen über eine Home-Ausstattung hinaus sei teuer. Dass es jetzt eine gewisse Bereinigung gibt und Brauereien wieder verschwinden, war auch laut Dubler absehbar.

Alkoholfreies Bier im Trend

Während der allgemeine Konsum von Bier zurückgeht, steigt der Absatz alkoholfreier Alternativen. Mittlerweile beträgt der Anteil 7 Prozent am Gesamtmarkt, im Detailhandel noch mehr. Es bietet sich für die Brauereien die Chance, neue Konsument*innen anzusprechen. So sei beispielsweise Kitchen Brew, eine Brauerei in Basel, wegen ihres alkoholfreien Biers stark gewachsen, erzählt Pierre Dubler.

Berner Lohnbrauerei fotografiert am Montag, 26. Mai 2025 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
In diesen Tanks gärt das Bier rund 5 Wochen. (Bild: Simon Boschi)

Auch die Lohnbrauerei hat ein solches Getränk im Angebot. Dieses läuft gemäss Susanne Lutz gut. Der Standort der Lohnbrauerei, welche in der Stadt Bern zu den grösseren zählt, sei für die Herstellung alkoholfreier Biere aber zu klein. Deswegen spanne man mit der Brauerei Thun zusammen – diese habe die benötigte Anlage.

Die Herstellung eines alkoholfreien Bieres ist nicht trivial. «Alkohol ist ein Geschmacksträger», sagt Pierre Dubler. Grundsätzlich könne man zwar aus jedem Bier eine alkoholfreie Version herstellen. Das geht einerseits, indem man vermeidet, dass Alkohol entsteht, zum Beispiel indem man Negativhefe verwendet. Oder man kann den Alkohol im Nachhinein entziehen, zum Beispiel mittels Vakuumverfahren. Die benötigten Anlagen sind aber entweder teuer oder entziehen dem Getränk den Geschmack.

Um ein leckeres alkoholfreies Getränk zu brauen, muss man deswegen auch an der Rezeptur schrauben und somit Zeit und Geld investieren.

Susanne Lutz zeigt auf ein Mini-Homebrew Set. Damit könne man 20 Liter brauen. «Das ist eine gute Grösse, um ein ‹Laborbier› herzustellen». So kann herumexperimentiert und an der richtigen Mischung getüftelt werden. Was sich bewährt, wird danach in grösserem Stil produziert.

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