Partydrogen – Hauptstadt-Brief #427

Samstag, 15. Februar 2025 – die Themen: Eishockey; Meral Kureyshi; Stadtrat; Viererfeld; Citysoftnet; Inselspital; Silvia Gertsch.

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(Bild: Marc Brunner, Buro Destruct)

Diese Woche hat ein Partydrogen-Fall meine Aufmerksamkeit geweckt. Hauptfigur ist der brillante finnische Eishockeyspieler Miro Aaltonen, der bereits ab nächster Woche beim SC Bern spielt. Paradoxerweise nicht nur trotz, sondern auch weil er Kokain konsumierte.

Aaltonen ist einer der besten Eishockeyspieler in der Schweiz. Bisher schoss er für Kloten sehr viele Tore, ab der kommenden Saison hat er einen Vertrag beim SC Bern. Doch: Mitte Januar wurde bekannt, dass Aaltonen in einer Dopingkontrolle hängenblieb. Kloten entliess den Starspieler fristlos.

Anders als die meisten Spitzensportler*innen, die nach positiven Proben gerne von verunreinigten Lippenpomaden schwadronieren, stand Aaltonen zu seinem Vergehen. Er gab zu, bei einer Party in Finnland Kokain konsumiert zu haben. Zudem zeigte er Reue und verpflichtete sich, auf eigene Kosten an einem Rehabilitationsprogramm teilzunehmen. Und er habe Kokain nicht genommen, um seine sportliche Leistung zu pushen.

Das alles führte dazu, dass Swiss Sport Integrity milde blieb und Aaltonen nur für einen Monat sperrte. Ab dem 18. Februar darf der entlassene Finne wieder spielen – und der schlaue SC Bern witterte den Braten subito. Diese Woche teilte der Club mit, dass er sich nicht erst nächste Saison mit Aaltonen verstärkt. Sondern sofort.

Banalisiert der SCB damit den Konsum von Partydrogen? «Wir sehen uns gegenüber unseren Fans, unserem Nachwuchs, unseren Sponsoren in grosser Verantwortung», hält SCB-CEO Marc Lüthi dazu fest. Was heisst das konkret, fragt die «Hauptstadt»: Durch «gezielte Aufklärungsarbeit und vielfältige Gespräche» sensibilisiere der SCB auf allen Ebenen, einschliesslich der ersten Mannschaft, für die Themen Doping und Suchtmittel, präzisiert Mediensprecherin Anic Marchand. Zudem unterstütze der Club lokale soziale Institutionen, die sich der Prävention und der Unterstützung suchtbetroffener Menschen widmen.

Der SCB gibt einem Menschen, der zu einem Fehler steht, eine zweite Chance. Und er verspricht als kommerzorientierer Sportclub, soziale Verantwortung wahrzunehmen. Finde ich gut. Aber: Ich nehme den SCB beim Wort. Auf und neben dem Eis.

Was denkst du dazu? Schreibe mir hier.

Foto eines Ahorns im Schnee aufgenommen auf der Axalp.
Bilderserie von Romy Streit (7/12): Ahorn im Schnee, aufgenommen auf der Axalp. (Bild: Romy Streit)

Und das gebe ich dir ins Wochenende mit:

  • Literatur: Der im Kosovo geborenen Berner Schriftstellerin Meral Kureyshi gelang 2015 mit ihrem Debüt «Elefanten im Garten» ein grosser Wurf. Nun erscheint nach fünfjähriger Arbeit ihr dritter Roman «Im Meer waren wir nie». Meine Kollegin Yolanda Buerdel hat Kureyshi in ihrem Atelier im Progr getroffen. Lies hier ihr feines Porträt.
  • Stadtpolitik: Die Stadt Bern vergünstigt das Wählen und Abstimmen, indem sie das Porto für die briefliche Stimmabgabe wieder übernimmt. Das hat das Stadtparlament am Donnerstag beschlossen. Durch welche Traktanden sich die Stadträt*innen sonst noch kämpften, fasst mein Kollege Joël Widmer für dich knapp und kompetent im Stadtrat-Brief zusammen.
  • Wohnen: Der geplante Bau des Vorzeigequartiers Viererfeld erhält die nächste Verspätungsmeldung: Wie der Gemeinderat mitteilt, ist der Baustart nun für 2030 vorgesehen, die ersten Häuser würden so frühestens 2032 bezugsbereit. Wichtigster Grund für die Verzögerung: die hochambitionierte, klimaresiliente Quartierentwicklung, für die teilweise völlig neue Lösungen gefunden werden müssen.
  • IT-Debakel: Die Stadt Bern hat sich mit der Einführung der Fallführungssoftware Citysoftnet im Sozialamt und im Amt für Erwachsenen- und Kindesschutz in teure Probleme hineinmanövriert. Doch Citysoftnet ist ein Gemeinschaftswerk der Städte Bern, Zürich und Basel. Nach Bern führt nun auch Zürich die neue Software ein. Technisch laufe das System, schreibt die Stadt Zürich in einer Mitteilung. Aber die Arbeitsbelastung sei für die Mitarbeitenden «sehr hoch». Ziel sei «eine möglichst schnelle Rückkehr in den normalen Arbeitsalltag». Heisst im Klartext: Der mit dem IT-Systemwechsel verbundene Druck auf das Personal wurde trotz der Erfahrung in Bern auch in Zürich unterschätzt.
  • Inselspital: Die Insel-Gruppe schreibt 2024 einen Verlust, aber das Rot der Zahlen ist etwas heller geworden. Insgesamt 51 Millionen beträgt das Defizit – deutlich weniger als im Vorjahr. Das sei ein Zeichen, dass die eingeleiteten Massnahmen greifen, teilt Verwaltungsratspräsident Bernhard Pulver mit. Zu den Massnahmen gehört ein Stellenabbau mit Entlassungen, der zurzeit läuft. Mit schwarzen Zahlen rechne die Insel-Spitze jedoch frühestens 2026.
  • Kongo: Die Community der Exil-Kongolesen ruft für heute Samstag zu einer Friedensdemo (ab 14 Uhr) vor dem Bundeshaus gegen den brutalen, aber vergessenen Krieg in ihrem Land auf. 

PS: Die Berner Malerin Silvia Gertsch, Tochter des verstorbenen Malers Franz Gertsch, gehört zu den wichtigen Gegenwartskünstlerinnen. Sie lebt und arbeitet in Rüschegg, ihre bevorzugte Technik ist die Hinterglasmalerei, die keine Fehler erlaubt. Aktuell stellt Silvia Gertsch ihr Schaffen in der Galerie Bischoff im Progr aus (bis 22. Februar). Wenn du ihre faszinierenden Arbeiten sehen willst, hast du noch eine Woche Zeit.

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