Weihnachtsgeschenk – «Hauptstadt»-Brief #258
Samstag, 16. Dezember 2023 – die Themen: Geschenkabo; Reto Nause; Demoverbot; Spez-Sek; Regionalgefängnis; Tiefenauspital; Cantonale Bern Jura; Berner Kopf der Woche: Ratheeshan Gunaratnam.
Das Zeitfenster, sich Weihnachtsgeschenke zu besorgen, schliesst sich jeden Tag mehr. Ich habe da eine Idee: Verschenk doch die «Hauptstadt»! Schlechter Witz, denkst du vielleicht. Aber genau genommen ist das eine der sinnvollsten Formen der Medienförderung.
Man jammert ja viel über newsdeprivierte, desinteressierte junge Menschen, die von Journalismus nichts wissen wollen. Was wir bei der «Hauptstadt» feststellen: Über unsere Social-Media-Kanäle lesen junge Leute durchaus die Artikel, die wir schreiben. Nur fällt es ihnen nicht ein, dafür zu bezahlen.
Das kann man natürlich beklagen. Wir aber sehen es als förderungswürdiges Potenzial: Wenn man jungen Menschen ein Abo schenkt, verschafft man ihnen regulären und regelmässigen Zugang zu Informationen, an denen sie offensichtlich Interesse haben. Und man stärkt das Medium, das diese herstellt. Ich finde: eine lohnende Win-Win-Investition.
Das möchte die «Hauptstadt» ab sofort aktiv fördern: Wir verbilligen bis Ende Dezember unser Geschenkabo. Wenn du ein Abo verschenkst, kostet dich das 90 statt 120 Franken. Ab dem zweiten zahlst du für jedes weitere verschenkte Abo nur noch 60 Franken.
Sicher: Mit jedem Abo, das du schenkst, machst du auch uns ein schönes Weihnachtsgeschenk. Und wir tun im Gegenzug alles dafür, dass der oder die Beschenkte ein Jahr lang Freude hat an deinem Geschenk. Deal?
Und das möchte ich dir ins Wochenende mitgeben:
Reto Nause: Niemand in der Berner Stadtregierung kann sich so ins Feuer reden wie der eloquente und emotionale Sicherheitsdirektor. «Kommen Sie mal in der Realität an, wirklich», brauste Nause meine Kollegen Joël Widmer und Mathias Streit an, als diese ihn zur zögerlichen Klimapolitik seiner Direktion befragten. Mitte-Politiker Nause ist aber auch ein Freund unkonventioneller Ideen. Er plädierte etwa dafür, mit einer Seilbahn vom Bahnhof zum Inselareal das städtische ÖV-Netz zu entlasten. Zupackend politisiert Nause nun auch als Nationalrat: Er möchte auf der Bundesterrasse eine Pop-up-Bar einrichten, um Sicherheitsprobleme zu bannen.
Demoverbot: Am 8. November hatte der Gemeinderat angekündigt, in der Innenstadt bis Weihnachten keine Grosskundgebungen und Umzüge mehr zuzulassen. Am Sonntag ist die nächste Demo gegen das Demoverbot angekündigt. Und politisch ist ohnehin Feuer im Dach. SP und Grünes Bündnis (GB) haben wegen dieser Grundrechtsverletzung nun sogar beim Regierungsstatthalteramt Beschwerde eingereicht gegen die Regierung, in der sie selber die Mehrheit haben. Seltsames Verhalten, schreibt mein Kollege Joël Widmer.
Spez-Sek: Am 19. November haben die Stimmberechtigten von Köniz entschieden, den Sonderfall der Spez-Sek-Klassen am Gymnasium Lerbermatt ab Sommer 2024 schrittweise abzuschaffen. Das sei nun aber so nicht möglich, teilt der Gemeinderat mit. Wegen einer Abstimmungsbeschwerde bestehe im Moment keine Planungssicherheit. Deshalb schlägt die Regierung dem Parlament vor, die Abschaffung um ein Jahr auf 2025 zu verschieben.
Regionalgefängnis: Über die Hälfte der 60 Mitarbeitenden des Berner Regionalgefängnisses haben in den vergangenen anderthalb Jahren gekündigt. Mehrere von ihnen kritisieren laut einer Recherche von Bund/BZ (Abo) das harte Regime und den rauen Umgangston von Direktor Eugen Marty, die dieser gegenüber Insassen und Mitarbeitenden anwende. Marty ist seit Anfang 2023 im Amt. Er nimmt im Artikel nicht Stellung, seine Vorgesetzten vom kantonalen Amt für Justizvollzug stellen sich aber hinter ihn.
Tiefenauspital: Am Freitag Mittag um 12 Uhr hat mit der Notaufnahme die letzte Abteilung des Tiefenauspitals den Betrieb eingestellt. Das Gebäude geht per Anfang Jahr wieder über an die Stadt Bern, die dieses als Asylunterkunft nutzen will, wohl ab Sommer 2024.
PS: Ich bin ja nicht der grosse Kunst-Sachverständige. Aber die Ausstellung Cantonale Bern Jura, die jeden Winter stattfindet, finde ich eine coole Sache. Seit Freitag ist sie auch in der Kunsthalle Bern zu sehen. Die Cantonale versammelt Werke von Kunst-Talenten aus den Kantonen Bern und Jura, man kann eintauchen, ohne Vorkenntnisse. Und sich inspirieren lassen von Ideen, auf die man selber nie gekommen wäre. Keine schlechte Option in dieser Zeit des Jahreswechsels.
Berner Kopf der Woche: Ratheeshan Gunaratnam
Ratheeshan Gunaratnam (28) hat viel zu tun. Gegenwärtig lernt er für die Anwaltsprüfung, und ab Januar 2024 übernimmt er einen aussergewöhnlichen Teilzeitjob: Er wird Gemeinderat in Zollikofen, im Nebenamt, was einem Arbeitspensum von etwa 20 Prozent entspricht. SPler Gunaratnam, der bis jetzt im Parlament sass, rutscht für seine zurücktretende Parteikollegin Katja Wüest nach. Er wird damit eines der jüngsten Mitglieder einer Gemeinderegierung in der Agglomeration Bern.
«Politisiert worden bin ich zu Hause, am Familientisch», sagt Gunaratnam. Bereits seine Mutter, Shri Ahila Gunaratnam, politisierte für die SP im Grossen Gemeinderat von Zollikofen. Gunaratnams Eltern wanderten aus Sri Lanka in die Schweiz ein, er und seine Geschwister sind in Zollikofen aufgewachsen. Seit Jahren engagiert sich Ratheeshan Gunaratnam ehrenamtlich als Jurist bei Asylex,einem Verein, der Asylsuchenden unentgeltlich juristische Unterstützung bietet. «Wir kümmern uns vor allem um Menschen, deren Fall von anderen Organisationen als aussichtslos eingestuft wird», sagt er, «und trotzdem haben wir immer wieder auch Erfolgserlebnisse.»
Wie macht man sich fit, ein Regierungsamt zu übernehmen? Daniel Bichsel (SVP), als Präsident einziger vollamtlicher Gemeinderat, habe ihn zusammen mit dem Gemeindeschreiber eingeführt, Rats- und Parteikollegin Mirjam Veglio oder Vorgängerin Katja Wüest stehen ihm mit Rat und Tat zur Seite, sagt Gunaratnam. Zudem würden ihm seine Erfahrungen im Militär und als Jurist helfen, sich im Amt rasch zurechtzufinden.
Und ja, als Linker gehöre er in Zollikofen natürlich zur Minderheit. «Ich glaube aber», sagt er, «dass sich etwas bewegt.» Bei den eidgenössischen Wahlen habe die SP in Zollikofen erstmals mehr Stimmen gemacht als die SVP. Zollikofen sei stark gewachsen in den letzten Jahren, es scheine so, als würden viele Zuzüger*innen SP oder GLP wählen. «Ich bin gespannt, wie sich das Ende 2024 bei den Gemeindewahlen zeigt», sagt Gunaratnam.
Falls er dann wiedergewählt werde, engagiere er sich sicher mindestens weitere vier Jahre in Zollikofens Regierung. Diesen Grundsatzentscheid zugunsten der Lokalpolitik habe er für sich gefällt – obschon ihm als jungem Menschen das nicht ganz leichtgefallen sei.