Kochbuch, Geschichte, Bargeld
News vom Donnerstag – Hauptstadt-Brief #520
«Suure Mocke» – dieses Gericht verbinde ich wie kein zweites mit der Berner Küche. Das liegt an einem besonderen Erlebnis: Ich feierte meinen 30. Geburtstag im Gantrischgebiet mit lieben Menschen, die aus allen Himmelsrichtungen angereist waren. Zusammen genossen wir den weiten Blick vom Selital in Richtung Bern und liessen uns von der August-Sonne wärmen.
Seit drei Jahren lebte ich damals in Bern und fühlte mich zum ersten Mal richtig angekommen. Der «Suure Mocke» am Abend leistete seinen Beitrag dazu. Das Rindfleischgericht, zu dem häufig Kartoffelstock serviert wird, verschwand seitdem aber von meinem Radar. Bis jetzt. Gestern habe ich das neue Kochbuch der «Hauptstadt»-Gastronomie-Autorin Claudia Salzmann in den Händen gehalten und siehe da: Der Sauerbraten hat es in der Interpretation des Restaurants Bären aus Schwarzenburg in die Endauswahl geschafft. Auf 125 Seiten versammelt Salzmann zusammen mit Camilla Landbø Berner Spezialitäten, Traditionen und Kochkultur. Ein Klassiker wie die «Berner Platte» (mit zweierlei Zunge) fehlt in der ansprechend illustrierten und fotografierten Zusammenstellung ebenso wenig wie Suurchabis-Suppe oder Berner Rösti. «Das Bern Kochbuch» der beiden Autorinnen hat übrigens einen bekannten Fast-Namensvetter: Das «Berner Kochbuch» prägte über Jahrzehnte den «hauswirtschaftlichen Unterricht an Volks- und Fortbildungsschulen». Ein Rezept für «Suure Mocke» ist darin allerdings nicht zu finden. Ob das am verwendeten Rotwein liegt, der im schulischen Haushaltsunterricht nicht verwendet werden darf?
Und jetzt noch zu anderen Themen des Tages:
- Berner Geschichte: Du ahnst es: Gekocht und gebacken wurde schon lange bevor es Kochbücher gab. In einer Siedlung in Twann fand man zum Beispiel das älteste Sauerteigbrot Europas, das 3500 vor Christus gebacken wurde. Woher ich das weiss? Sechs Berner Historiker*innen haben ein reich bebildertes Buch über die Geschichte des Kantons Bern geschrieben – von der Eiszeit bis zur Gegenwart. Meinem Kollegen Jürg Steiner hat es die Neuerscheinung angetan. Er nimmt dich mit auf einen Kurztrip durch die spektakuläre Geschichte Berns. Er zeigt einen Kanton, der sich seit Jahrhunderten im Stadt-Land-Konflikt verheddert und sich auf einer lang andauernden Kriechfahrt befindet.
- Ohne Bargeld: Der Entscheid der Bern-Lötschberg-Simplon-Bahn (BLS), im Kanton Bern künftig nur noch bargeldlose Billettautomatenanzubieten, stösst auf Kritik. Die von SVP-Politiker Thomas Fuchs präsidierte Vereinigung «Bern aktiv» spricht in einer Medienmitteilung von einem «sozialpolitischen Fehltritt und einem demokratischen Affront». Der Entscheid zeuge von zunehmender Arroganz öffentlicher Institutionen gegenüber der eigenen Bevölkerung, so «Bern aktiv». Die BLS hingegen argumentiert, dass die meisten Fahrgäste ihre Fahrausweise heute über digitale Kanäle kaufen. Gemäss der Nachrichtenagentur sda entfällt die Bargeldfunktion an BLS-Automaten jedoch nur im Kanton Bern – in den Kantonen Neuenburg und Luzern kann demnach an den Automaten auch weiterhin mit Münzen und Scheinen bezahlt werden, weil die Kantone die Mehrkosten übernehmen.
- Fussball: Die YB Frauen haben am Mittwochnachmittag in der zweiten Qualifikationsrunde des UEFA Women's Europa Cup in Bern den SFK 2000 Sarajevo 2:0 geschlagen. Das Rückspiel folgt nächste Woche in Bosnien. Diesen Samstag geht es für die YB Frauen im Cup weiter – mit einem Lokalderby. Wie im vergangenen Jahr bekommt es das Team von Trainerin Imke Wübbenhorst mit dem FC Ostermundigen zu tun. Los geht es um 17.30 Uhr auf dem Oberfeld.
- Fotoporträt: Einen Tag vom Morgengrauen bis gegen Abend Vögel zu beobachten, stelle ich mir sehr beruhigend vor. Ronald Graber macht genau das. Meine Kollegin Danielle Liniger hat ihn an einem sonnigen Herbsttag auf dem Egghübeli im höher gelegenen Bolliger Ortsteil Ferenberg begleitet. Graber teilt seine Beobachtungen mit der Meldeplattform der Vogelwarte Sempach. Diese nutzt seine Daten später für wissenschaftliche Auswertungen.
- Prozess: Ein junger Mann belästigt im Bahnhof Bern einen betrunkenen Passanten und klaut ihm das Portemonnaie. War das Raub oder Diebstahl? Für den angeklagten Mann, der ursprünglich aus Eritrea stammt und einen Flüchtlingsstatus hat, ist dies eine entscheidende Frage. Denn Raub unterscheidet sich von Diebstahl durch eine gewisse zusätzliche Brutalität und zieht eine obligatorische Landesverweisung nach sich. Wie in dem Fall am Regionalgericht Bern-Mittelland entschieden wurde, hat meine Kollegin Jana Schmid für die Republik (Abo) aufgeschrieben.
- Berner Musik: Die Berner Reggae-Band Lauwarm hat sich aufgelöst. Das schreibt ihr ehemaliger Sänger Do Maré in einer Mitteilung. Lauwarm war im Sommer 2022 weitherum bekannt geworden, als ihr Konzert in der Brasserie Lorraine abgebrochen wurde. An der Band entzündete sich eine heftige Debatte über kulturelle Aneignung. Do Maré, der brasilianische Wurzeln hat, verfolgt als Musiker nun Soloprojekte.
PS: Der Klimawandel verändert die Alpen. Wie Bewohner*innen, aber auch Besucher*innen des Berggebiets damit umgehen sollen, diskutieren wir nächsten Mittwoch, 15. Oktober (20 Uhr) am Hauptsachen-Talk im Progr mit Gäst*innen. Wir freuen uns auf deine Teilnahme.
Ohne Dich geht es nicht
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Das unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Das geht nur dank den Hauptstädter*innen. Sie wissen, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht und ermöglichen so leser*innenfinanzierten und werbefreien Berner Journalismus. Dafür sind wir sehr dankbar. Mittlerweile sind 3’000 Menschen dabei. Damit wir auch in Zukunft noch professionellen Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 3’500 – und mit deiner Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die «Hauptstadt» und für die Zukunft des Berner Journalismus. Mit nur 10 Franken pro Monat bist du dabei!