SC Bern, Grüne Freie Liste, Hip Hop

News vom Donnerstag – Hauptstadt-Brief #516

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(Bild: Marc Brunner, Buro Destruct)

Am Mittwoch hat der Schlittschuhclub Bern seinen Trainer entlassen. Seit der SCB 2019 zum letzten Mal Schweizer Meister wurde, ist der Finne Jussi Tapola schon der siebte Trainer, der (bei weiterlaufendem Lohn) fristlos vor die Tür gestellt wird. Entlassungsgrund: Der SCB hat den Saisonstart versemmelt, von neun Spielen hat er sechs verloren und liegt auf Platz elf. Geht gar nicht!

Ich bin kein Eishockey-Insider. Aber mich begeistert, dass alles, was beim SCB passiert, auch eine Geschichte über Bern ist. Sie begann 1998, als der SCB kurz vor dem Konkurs stand. Marc Lüthi war damals ein hölzerner Nachrichtensprecher des TV-Senders Telebärn. Weil der Hockeyclub eine Rechnung der Marketingagentur IMS, die Lüthi mitbesass, nicht bezahlen konnte, stieg dieser als SCB-Geschäftsführer ein. Er stellte die Verbindung zum Kiosk-Konzern Valora her, der Kapital in den SCB einschoss.

Mit einer unternehmerischen Meisterleistung baute der einstige KV-Lehrling Lüthi den Sportclub zum brummenden Konzern um – mit einem jährlichen  Umsatz von bis zu 60 Millionen Franken und über 1000 Angestellten. Der Eishockey-Betrieb wird über fast 20 Restaurant- und Catering-Betriebe der SCB-Sportgastro finanziert. Kein Mäzen füttert das Profi-Hockey, der SCB verdient das Geld selber.

Lüthi positionierte den SCB mit arroganter Rhetorik als geldbewusste Antithese zur behäbigen rot-grünen Verwaltungsstadt Bern. Damit wurde Bern zur coolsten Eishockey-Adresse ausserhalb Nordamerikas.

Die Corona-Krise brachte Lüthis Geschäftsmodell jedoch zum Einsturz. Wirtschaftlich hat sich der SCB mit einem Kraftakt zwar wieder erholt. Aber auf dem Eis wirken die Methoden der Ära Lüthi nicht mehr. Star-Spieler und Star-Trainer versagen reihenweise unter dem Erfolgsdruck im Berner Eishockeytempel. Brachiale Appelle an die «Leistungskultur» der gut bezahlten Hockey-Profis tönen plötzlich antiquiert und hilflos.

Die SCB-Führung wirkt ein wenig wie die aristokratische Elite im Alten Bern vor 200 Jahren. Sie klammerte sich an die alten Rezepte und die landwirtschaftlichen Pfründe. Und verschlief den Wandel ins Zeitalter des modernen Unternehmertums.

Allerdings: Der SCB hat noch das zukunftsweisende Team der Frauen. Sie sind amtierende Schweizermeisterinnen und sehr solid in die neue Saison gestartet.

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Bilderserie von Livia Eichenberger (2/12): Fenster. (Bild: Livia Eichenberger)

Und das gebe ich dir in diesen Herbsttag mit: 

  • Stadtpolitik: Die Grüne Freie Liste (GFL) gehört seit 1992 zum Rot-Grün-Mitte-Bündnis und ist mit Alec von Graffenried in der Stadtregierung vertreten. Doch die kleine Partei verliert laufend Wähler*innenanteile. Kann sie 2028 den Sitz im Gemeinderat verteidigen, wenn von Graffenried nicht mehr antritt? Robin Rieser, der von Matthias Humbel das Parteipräsidium übernimmt, hat der «Hauptstadt» seine Strategie erklärt.
  • Hip Hop: Meine Kollegin Andrea von Däniken hat mein Interesse für ein aussergewöhnliches Werk aus der Berner Musikszene geweckt. Arrivierte Künstler*innen wie Steff la Cheffe oder Lo & Leduc haben mit jüngeren Kolleg*innen wie Alwa Alibi oder Z The Freshman kreativ zusammengearbeitet. «Vernisage» heisst das entstandene Album und wird morgen Freitag im Dachstock getauft. Während Andrea die Künstler*innen interviewte, hörte ich mir ihre Musik an – und liess mich zu meiner eigenen Überraschung sehr begeistern.
  • Pizza: Unsere Gastro-Expertin Claudia Salzmann hat ihr grosses Wissen in ihrem Gastro-Brief Nummer 4 zu leicht verdaulichen News-Häppchen verarbeitet. Zudem hat sie sich an eine Herkulesaufgabe gewagt und Pizzerien getestet. Ihre fünf Favoriten findest du hier. Buon appetito!
  • Literatur: Die Stadt unterstützt laut einer Mitteilung die drei in Bern arbeitenden Schriftsteller*innen Sarah Elena Müller, Andri Beyeler und Michael Stauffer mit dem Stipendium Weiterschreiben, das mit 10’000 Franken dotiert ist.
  • Klimawandel: Die Gletscher in den Schweizer Alpen sind auch im Sommer 2025 «enorm geschmolzen». Das teilt die in Bern angesiedelte Akademie der Naturwissenschaften in ihrem alljährlichen Zustandsbericht mit. 2025 litten vor allem die Gletscher auf einer Höhe unter 3000 Meter. Dazu gehört der Glacier de la Plaine Morte zwischen den Kantonen Bern und Wallis, dessen Eisdicke um über zwei Meter abnahm.
  • Carterminal: Seit über 15 Jahren beschäftigt sich die Stadt Bern damit, einen anständigen Reisebus-Terminal einzurichten. Weil sich das bestehende Provisorium ausserhalb der Bauzone befindet, wäre der nächste Schritt eine Volksabstimmung über die Zonenplanänderung. Nach mehreren Verschiebungen war diese für Frühjahr 2026 angedacht. Doch dieser Termin muss erneut verschoben werden, wie eine Recherche von Bund/BZ (Abo) zeigt. Wie weit hinaus, ist unklar.
  • Velo: Vor wenigen Tagen wurde die Berner Radrennfahrerin Marlen Reusser in Ruanda Weltmeisterin im Einzelzeitfahren. Am Mittwoch gewann sie in derselben Disziplin in Frankreich auch den Europameister*innentitel. 

PS: Der Performancekünstler Omar Ghayatt, geboren in Kairo, lebt und arbeitet seit Jahren in Bern. Nun bringt er in der Dampfzentrale die Komposition The Manual auf die Bühne, die man auch als künstlerisches Wagnis bezeichnen könnte. Er reflektiert mit seiner Gruppe die fragile Weltlage und zeichnet die Entwicklung einer Gemeinschaft von der Harmonie bis zum Zerfall nach. Morgen Freitag (20 Uhr) ist Premiere, weitere Vorführungen am Samstag und Sonntag.

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Diskussion

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Hanspeter Zaugg
02. Oktober 2025 um 08:56

die Nr 1 im Kanton

ist und bleibt... sicher nicht der SCB, spass appartig der Hölzerne ehemals Nachrichtensprecher ist auf dem Holzweg und so wie es aussieht wird auch eine Sanierung zu einenm gepflasserten Weg keinen Erfolg bringen bestenfalls ein Einweg Grienwägli direkt über Naguflue us... in diesem Sinne "Hopp Langnou"