Mieten, Köniz, Jessica Jurassica

News vom Dienstag – Hauptstadt-Brief #516.

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(Bild: Marc Brunner, Buro Destruct)

Im Kanton Bern sind über 60 Prozent der Bevölkerung Mieter*innen. Am Sonntag setzte sich diese Mehrheit überraschend an der Urne durch: Die kantonale Miet-Initiative wurde mit 51,2 Prozent Ja-Stimmen knapp angenommen. 

Mit der Initiative werden transparente Vormieten bei Wohnungsmangel eingeführt. Vermieter*innen müssen dann von sich aus angeben, wie hoch der vorherige Mietzins war, wenn sie Wohnungen neu vermieten. Das soll ungerechtfertigten Mietzinserhöhungen vorbeugen. 

Überraschend ist das Abstimmmungsergebnis, weil eine linke Vorlage aus der Feder des kantonalen Mieterverbandes im bürgerlich dominierten Kanton Bern normalerweise keine allzu guten Chancen hat. Das Kantonsparlament und der Regierungsrat hatten die Initiative zur Ablehnung empfohlen. Und die auch am Sonntag ausgetragene nationale Abstimmung über die Abschaffung des Eigenmietwerts (57,5 Prozent Ja) zeigte: Selbst wenn Mieter*innen im Vergleich zu Hauseigentümer*innen in der Mehrheit sind, schlägt sich das längstens nicht immer an der Urne nieder. 

Zum Erfolg verhalfen der Initiative die bevölkerungsreichen, urbanen Gebiete. In den Städten Bern (74,6 Prozent), Thun (53,3 Prozent), Biel (69,7 Prozent) oder in Agglomerationsgemeinden wie Köniz (65 Prozent) erreichte sie sehr deutliche Mehrheiten. In ländlichen Gebieten wie dem Emmental oder dem Berner Oberland wurde sie abgelehnt.

Das Resultat ist ein Zeichen dafür, dass die immer angespanntere Lage auf dem Wohnungsmarkt mit steigenden Mieten und Wohnungsknappheit für viele Menschen belastend ist. Die «Hauptstadt» hat im Vorfeld der Abstimmung einen Überblick über die Situation auf dem Berner Wohnungsmarkt gegeben. 

Die Offenlegung der Vormieten ist ein kleiner Schritt. An der Wohnungsknappheit wird sie nichts ändern. Mehrere Kantone kennen die Pflicht schon länger, darunter Zürich. Die Gesetzesänderung in Bern tritt nach Angabe des Kantons Bern voraussichtlich am 1. Dezember 2025 in Kraft.

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Bilderserie von Livia Eichenberger (1/12): Spinde. (Bild: Livia Eichenberger)

Was der Abstimmungssonntag in der Region Bern sonst noch brachte, und weitere Neuigkeiten:

  • Köniz: Mit den Wahlen in Köniz von Sonntag ändert sich an den politischen Kräfteverhältnissen in der Gemeinde nichts. Trotzdem wird sich die Politik mit neu gewählten Regierungsmitgliedern verändern. Mein Kollege Jürg Steiner war am Wahlabend im Schloss Köniz zugegen und zeigt in seiner Reportage anhand von acht Bildern auf, wie die Wahlresultate einzuordnen sind.
  • Wohlen: Die Gemeinde Wohlen bei Bern stimmte am Sonntag über die Einzonung des Landstücks Sahlimatte im Dorfkern von Hinterkappelen ab. Das Stimmvolk nahm die Einzonung mit 60,3 Prozent Ja-Stimmen an. Mit der Übertragung des Gebiets von Landwirtschafts- zu Bauland soll eine neue Überbauung ermöglicht werden. Teile der Anwohnerschaft wehren sich dagegen und mobilisierten für ein Nein. 
  • Bern: Die städtische Vorlage für einen Leistungsvertrag mit der Berner Vereinigung Gemeinwesenarbeit (VBG) erreichte eine haushohe Mehrheit von 80,6 Prozent. Damit erhält die Quartierarbeit in diversen Teilen Berns für die Jahre 2026 bis 2029 knapp 15 Millionen Franken städtisches Geld.
  • Literatur: In Jessica Jurassicas neuem Roman «Gaslicht» hat die Ich-Erzählerin von einer engen Beziehungsperson Gewalt erlitten. In einem zuerst sehr strukturierten und dann immer atemloser und wütender werdenden Text versucht sie, diese Erfahrung zu verarbeiten. Meine Kollegin Marina Bolzli bespricht den zweiten Roman der Autorin. Am Freitag findet eine performative Lesung im Progr statt.
  • Studiengebühren: Morgen Mittwoch um 17 Uhr findet auf dem Bundesplatz eine Demo gegen die geplante Erhöhung der Studiengebühren an Schweizer Hochschulen statt. Der Bundesrat will als Sparmassnahme die Gebühren für inländische Studierende verdoppeln und für ausländische vervierfachen. Die Studierendenschaften verschiedener Unis organisieren den Protest
  • Fussball: Die YB Männer besiegten den FC Thun am Sonntag im Wankdorf-Stadion mit 4:2. Auch die YB Frauen entschieden am Samstag das Berner Derby gegen Thun für sich. Sie gewannen auswärts mit 4:1.

PS: Der Wagenplatz Anstadt auf dem Gaswerkareal bietet im Oktober jeden Samstag um 14 Uhr öffentliche Führungen an. Das Kollektiv will damit im Vorfeld der städtischen Abstimmung über die Zonenplan-Änderung im Gaswerkareal mobilisieren. Diese findet am 30. November statt. Ohne Voranmeldung an der Sandrainstrasse 37a.

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